Streit um Hygienevorschriften:Backshops wehren sich erfolgreich

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Semmeln und Brezen hinter Gitterstäben, damit können sich die Betreiber der mehr als 70 Selbstbedienungs-Backshops in München nicht anfreunden. Jetzt haben sie sich vor Gericht erfolgreich gegen strengere Hygienevorschriften der städtischen Kontrolleure gewehrt.

Ekkehard Müller-Jentsch

Semmeln und Brezen hinter Gitterstäben, mit diesem Gedanken können sich die Betreiber der mehr als 70 Selbstbedienungs-Backshops in München nicht anfreunden. Seit drei Jahren streiten sie mit den städtischen Lebensmittelkontrolleuren, denen die üblichen Plexiglasklappen nicht genügen.

Dass Kunden in Backshops Semmeln anfassen und wieder zurücklegen können, finden städtische Kontrolleure ekelerregend. (Foto: dpa)

Die kommunalen Aufseher pochen auf sogenannte Rücklegesperren, damit niemand angefasste Ware wieder zurücklegen oder gar mit den Händen direkt in die Fächer greifen kann. Den Backshopbetreibern gehen solche Hygiene-Anforderungen zu weit: Das sei nicht nur zu teuer, sondern auch für die Selbstbedienung zu fummelig. Am Mittwoch wurde vor dem Verwaltungsgericht München verhandelt - und die Richter pfiffen die Kontrolleure der Stadt zurück.

Es gelte, "ekelerregende Beeinträchtigungen" zu verhindern, sagten die Vertreter der Stadt in der Verhandlung. Unter den jetzigen Umständen sei es Kunden in Backshops möglich, mit ihren Händen Backwaren sogar aus den hinteren Teilen der Plexiglaskästen zu holen. "Dabei streifen sie mit Armen und Ärmeln über die restlichen Backwaren." Auf diese Weise könnten leicht gesundheitsschädliche Keime auf die Lebensmittel gelangen. "Der Verbraucher würde Ekel oder Widerwillen empfinden, wenn er wüsste, dass von ihm verzehrte Backwaren bereits mit schmutzigen Händen angefasst worden sind", begründeten die Beamten ihre Forderung.

Rechtsanwalt Markus Kraus, der in dem Musterverfahren zwei Backshops vertritt, hält das für überzogen. Es gebe keine konkreten Beanstandungen, dass derartige Kontaminationen festgestellt worden seien. Außerdem werde in den Läden auf Schildern darauf hingewiesen, dass Backwaren nur mit der Zange heraus genommen werden und keinesfalls zurückgelegt werden dürfen.

In den Shops hätten Mitarbeiter stets das Geschehen im Auge und könnten jederzeit eingreifen. In den zumeist kleinen und übersichtlichen Läden sei das im Gegensatz zu den unübersichtlicheren großen Supermärkten gar kein Problem. Für Backshops wäre ein Umbau "desaströs", meinte der Anwalt. Offene Brotkörbe auf Gasthaustischen seien doch auch "sozialadäquat".

"Wir haben das im Labor ausprobiert"

Oberregierungsrat Korbinian Heinzeller, der als Vertreter des öffentlichen Interesses die Regierung von Oberbayern vertritt, widersprach: Eine Kontaminierung der Waren mit Salmonellen oder Ehec-Erregern sei keinesfalls abstrakt. "Wir haben das im Labor ausprobiert", erklärte eine Vertreterin des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Man habe die Hände eines Kollegen mit Salmonellen infiziert und antrocknen lassen. Nachdem er in einen entsprechenden Gebäckkasten gegriffen habe, "hatten wir die Salmonellen auf den Semmeln". Ausbrüche seien oft auf kontaminierte Backwaren zurückzuführen.

Das Verfahren läuft schon seit drei Jahren, weil in der Zwischenzeit der Europäische Gerichtshof durch österreichische Gerichte eingeschaltet wurde. Der EuGH stützt in seiner Entscheidung eher die Position der Shop-Betreiber: rein hypothetische Gefährdungen seien nicht ausreichend, um eine Behörde zur Verhängung von Auflagen zu berechtigen - Rücklegesperren seien eine Übersteigerung der hygienerechtlichen Anforderungen.

Am Nachmittag hoben die Münchner Richter die amtlichen Bescheide der Stadt gegen die Backshops auf. Eine schriftliche Begründung wird es erst in einigen Wochen geben. Die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof wurde ausdrücklich zugelassen. Der Vertreter der Regierung war von der Entscheidung überrascht. Zumindest in einem Fall habe bei einer verdeckten Kontrolle nachgewiesen werden können, dass in der Filiale das Entnehmen und Zurücklegen von mehreren Gebäckstücken ohne weiteres möglich gewesen und vom Personal nicht beanstandet worden sei.

© SZ vom 27.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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