Streit um Hygieneauflagen:Griff ins Brot

Backshops wehren sich gegen Hygiene-Anforderungen

Dass Kunden in Backshops Semmeln anfassen und wieder zurücklegen können, finden städtische Kontrolleure ekelerregend.

(Foto: dpa)

Lebensmittelkontrolleure wollten strengere Hygieneauflagen für Backshops mit Selbstbedienung durchsetzen. Doch das Verwaltungsgericht hat die Kontrolleure jetzt zurückgepfiffen - den Richtern blieb keine andere Wahl.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Kontrolle ist gut - Vertrauen ist besser: Richter haben städtische Lebensmittelkontrolleure zurückgepfiffen, die strengere Vorschriften bei den Selbstbedienungs-Backshops in München durchsetzen wollten.

Die kommunalen Aufseher hatten für die Selbstbedienungsregale sogenannte Rücklegesperren gefordert, damit niemand angefasste Ware wieder zurücklegen oder gar mit den Händen direkt in die Fächer greifen kann. Backshopbetreibern sind solche aufwendige Hygieneanforderungen aber viel zu teuer. Seit Dienstag sind sie diese Sorge nun los: Das Verwaltungsgericht München hat in zwei Musterurteilen ausführlich begründet, warum die Stadt Semmeln und Brezen nicht hinter Gitterstäbe verbannen darf.

Verbraucherfreundlich ist der Richterspruch vielleicht nicht und dient eher den Interessen der Backshop-Ketten. Doch das müssen sich die Richter nicht zum Vorwurf machen lassen, denn ihnen ist keine andere Wahl geblieben: Vorgaben der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs haben ihnen die Hände gebunden. Und nach den EU-Spielregeln genügt es, wenn die Gefahren für den Verbraucher auf ein "akzeptables Maß" reduziert werden: Nicht der maximal mögliche Gesundheitsschutz müsse gewährleistet sein.

Das Gericht machte der Stadt klar, dass diese Messlatte der europäischen Mindesthygieneanforderungen vielleicht nicht sehr hoch liegt. Aber davon dürfe weder mildernd noch verschärfend abgewichen werden. Außerdem wäre es unverhältnismäßig, wenn an Backshops höhere Anforderungen gestellt würden, als an Obst- und Gemüsestände in Supermärkten oder an Hotel-Buffets. Zumal sich viele Leute in ihren SB-Backshops nahe der Wohnung oder des Arbeitsplatzes ungerne bei einem Fehlverhalten ertappen lassen würden.

"Ekelerregende Beeinträchtigungen" verhindern

Die Stadt hatte "ekelerregende Beeinträchtigungen" verhindern wollen: Unter den aktuellen Umständen sei es Kunden in Backshops möglich, mit ihren Händen Backwaren sogar aus den hinteren Teilen der Plexiglaskästen zu holen. "Dabei streifen sie mit Armen und Ärmeln über die restlichen Backwaren", hatten die Vertreter der Stadt im Prozess beklagt. So könnten leicht gesundheitsschädliche Keime auf die Lebensmittel gelangen. Außerdem würde es den Verbraucher ekeln, wenn er wüsste, dass sein Gebäck zuvor mit schmutzigen Händen angefasst worden sei. Bei den mehr als 70 Backshops im Stadtgebiet waren bislang aber keine konkreten Kontaminationen festgestellt worden.

Die EU setzt laut Gericht bei den Shopbetreibern vor allem auf Selbstkontrolle durch das Ladenpersonal. Und wenn die nicht funktioniere, dürfe die Stadt zunächst nur die Einhaltung der Selbstverpflichtung anmahnen. Eine Umgestaltung des Backshops dürfe jedoch verlangt werden, wenn etwa Staub oder Abgase auf die Ware einwirken. Das Gericht hat zwar die Berufung gegen sein Urteil zugelassen, aber die Stadt wird aufgrund der schlüssigen Urteilsbegründung davon keinen Gebrauch machen. Sebastian Groth vom Kreisverwaltungsreferat versichert aber, dass man die Selbstkontrolle intensiv überprüfen werde. "Im Übrigen hat der Verbraucher selbst in der Hand, wo er seine Waren kauft", sagt er.

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