Streit um Heizkraftwerk Nord:Eine Frage der Kohle

Abendstimmung mit Sonnenuntergang in München, 2014

800 000 Tonnen Steinkohle werden im Heizkraftwerk Nord Jahr für Jahr verfeuert. In den Neunzigerjahren wurde die Anlage modernisiert.

(Foto: Florian Peljak)
  • Im Heizkraftwerk Nord werden jährlich 800 000 Tonnen Kohle verfeuert - damit die Münchner Strom und Wärme haben.
  • Die Anlage der Stadtwerke ist für 17 Prozent aller Münchner Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich.
  • Die Grünen und die Rosa Liste allerdings will schrittweise aus der Kohleverbrennung aussteigen - die Stadtratsfraktionen stellten ein Konzept dazu vor.
  • SPD und CSU kontern mit einem Gutachten, das die Stadtwerke zusammen mit dem Öko-Institut erarbeitet haben.

Von Dominik Hutter

Zwei bis drei Güterzüge sind es jeden Tag, die auf den Betriebsgleisen im Münchner Norden ankommen. Beladen mit Steinkohle, die dann im Block 2 des Heizkraftwerks Nord verfeuert wird - damit die Münchner Strom und Wärme haben. 800 000 Tonnen macht das pro Jahr aus, die Anlage der Stadtwerke ist für 17 Prozent aller Münchner Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Noch - wenn es nach Grünen und Rosa Liste geht. Deren Stadtratsfraktion stellte am Dienstag ein Konzept vor, das einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverbrennung vorsieht: Minus zehn Prozent pro Jahr, dann ist 2025 Schicht im Schacht. Die Strom- und Wärmeproduktion solle peu à peu vom Kraftwerk Süd übernommen werden. Das wird mit Gas betrieben - was zwar deutlich teurer ist, aber eben auch weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre bläst.

"Es geht nicht per se darum, ein Kraftwerk abzuschalten - es geht um die Reduzierung der CO₂-Emissionen", erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sabine Krieger. Der Kohle-Kampf im Münchner Norden tobt schon seit einiger Zeit. Die ÖDP hatte das Thema im Wahlkampf auf die Agenda gesetzt, später führte es dazu, dass die Koalitionsgespräche zwischen SPD, Grünen und ÖDP scheiterten. Inzwischen stehen auch die Grünen auf den Barrikaden. Denn ein Gutachten, das die Stadtwerke zusammen mit dem Öko-Institut erarbeitet haben, kommt zu dem Schluss, dass die vorzeitige Stilllegung des Kohleblocks 2 aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist. Die in den Neunzigerjahren modernisierte Anlage solle deswegen bis 2035 weiterlaufen - dann ist ihre Lebenszeit ohnehin abgelaufen.

Stadtwerke müssten auf viel Geld verzichten

Am Dienstag kommender Woche will Wirtschaftsreferent Josef Schmid (CSU) dem Stadtrat vorschlagen, den Empfehlungen des Gutachtens zu folgen. Und es sieht sehr stark danach aus, dass CSU und SPD den Stadtwerken den finanziellen Aderlass ersparen. Es geht, je nach Stilllegungstermin, um 55 bis 600 Millionen Euro, auf die die Stadtwerke verzichten müssten. Je früher der Kohleblock vom Netz geht, umso teurer würde es.

Den Grünen leuchtet das Festhalten an der Kohle nicht ein. Zumal man ja nicht alles auf einmal stilllegen müsse, sondern auch schrittweise aussteigen könne. Ohnehin sei das städtische Umweltreferat zu dem Schluss gekommen, dass eine Abschaltung des Kraftwerks schon im Jahr 2020 Kosten von rund 51 Euro je eingesparter Tonne Kohlendioxid zur Folge hätte (gerechnet bis 2035). Was in den Augen Kriegers nicht allzu viel ist, wenn man diese Summe mit anderen städtischen Anti-CO₂-Projekten vergleicht. Bis zu 100 Euro je Tonne würden etwa beim Förderprogramm Energieeinsparung fällig.

Diese Investition sei aber nicht Aufgabe der Stadtwerke, findet die Politikerin. "Die sind ein Wirtschaftsunternehmen." Die Zeche müsse die Stadt übernehmen - durch den Verzicht auf die Gewinnausschüttungen der Stadtwerke. Bis zu 100 Millionen Euro sind das pro Jahr. Das reicht nach Berechnungen der Grünen locker aus, um die höheren Kosten im Kraftwerk Süd auszugleichen. Aufs Jahr gerechnet, entgehen den Stadtwerken laut Gutachten durch die Stilllegung des Kohleblocks bis zu 37,5 Millionen Euro Gewinn.

Sorge um die Herkunft der Kohle

Für SPD-Fraktionschef Alexander Reissl, der wie Krieger im Aufsichtsrat der Stadtwerke sitzt, sind die Finanzspiele der Grünen dennoch eine "Pleitestrategie" für das kommunale Unternehmen. Denn auch bei reduziertem Betrieb des Kohleblocks blieben schließlich die Fixkosten für den Unterhalt des Kraftwerks erhalten - was unverändert hohe Ausgaben bei niedrigeren Einnahmen bedeute. Es gebe keinen Grund, angesichts der schwierigen Situation der Energiebranche "dem eigenen Unternehmen das Leben noch zusätzlich schwer zu machen". Die Stadtwerke hätten Probleme genug, da müsse man nicht "ohne Not und gegen die Empfehlung des Öko-Institus" noch etwas draufsatteln.

Den Grünen macht aber auch noch etwas anderes Sorge: die Herkunft der Steinkohle. Zwar mache man sich bei der Stadt Gedanken über in Kinderarbeit hergestellte Pflastersteine oder tropische Hölzer - bei 800 000 Tonnen Kohle pro Jahr aber werde nicht hinterfragt, ob ökologische und Menschenrechts-Standards eingehalten werden, wundert sich Stadtrat Herbert Danner. Nach Recherchen der Grünen stammt die Kohle vor allem aus Kolumbien, den USA und Südafrika. Die Stadtwerke weisen die Vorwürfe zurück. Die Kohle stamme aus den USA, Russland und Tschechien, die Einhaltung der Menschenrechte sei Bestandteil der Ausschreibung.

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