Streit um Glockenläuten:Gott darf bleiben

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"Ich möchte nicht ständig daran erinnert werden, dass dort eine Kirche ist": Kläger Martin Davis. (Foto: Georgine Treybal)

Weil ihr Läuten "Gott in unser Leben" bringt und ihn das stört, will Martin Davis die Glocken einer Kirche im Landkreis Starnberg zum Schweigen bringen. Vor Gericht hat er zwar verloren - doch zumindest nachts lässt der Herr ihn nun in Ruhe.

Von Elena Adam, Gilching

Martin Davis möchte nicht beten. Er möchte nicht an Gott denken und auch nicht an Jesus. Er möchte dem christlichen Glauben nicht angehören und auch keine religiösen Handlungen durchführen. Das ist in Ordnung. Manch einer wird nur mit den Schultern zucken und denken: leben und leben lassen. Aber Davis Problem ist ein anderes: Er möchte auch nicht damit konfrontiert werden, dass andere Menschen in seinem Umfeld ihre Religion ausüben. Und dass sie das auch noch lautstark tun, indem sie Kirchenglocken läuten, ist dem 61-Jährigen entschieden zu viel.

Seit mehreren Jahren hat Davis Streit mit dem Pfarradministrator Christoph Lintz von der St.-Nikolaus-Kirche in Gilching-Argelsried. Er fühlt sich belästigt durch den Glockenschlag vom Kirchturm, und zwar sowohl durch kirchliches Geläut als auch durch weltliches. Kirchenglocken können nämlich auf zwei verschiedene Arten läuten: liturgisch und profan. Aber da macht Davis keinen Unterschied: "Es geht mir um diese Dauerinformation: Hier ist eine religiöse Glocke!"

Der Stundenschlag, der jede Viertelstunde die Uhrzeit mitteilt, zählt zum sogenannten profanen, also weltlichen Geläut. Liturgisch und damit kirchlich schallt es vom Kirchturm herunter, wenn ein Gottesdienst beginnt. Oder eine Hochzeit, Taufe oder Beerdigung der Anlass ist.

In den vergangenen Monaten hat Lintz eine neue Läuteordnung für die Kirche erstellt. Er hat versucht, einen Kompromiss mit Davis einzugehen. Aber das war ebenso wenig erfolgreich, wie das Mediationsverfahren mit beiden Seiten. So wurden die Argelsrieder-Kirchenglocken ein Fall für das Bayerische Verwaltungsgericht in München.

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Was ihn stört? - "Es bringt Gott in unser Leben"

Da die St.-Nikolaus-Kirche ein katholisches Gotteshaus ist, muss sich Davis mit dem Angelusläuten arrangieren, das morgens, mittags und abends zu hören ist. Pfarrer Lintz hat das morgendliche Geläut aber bereits von 6.30 Uhr auf 7 Uhr verlegt. Außerdem werden die Kirchenglocken an Sonntagen um 7 Uhr nicht mehr eingeschaltet, und auch an Samstagen bleibt es um 15 Uhr jetzt still. Zu den Gottesdiensten, die jeweils dienstags um 19 Uhr und sonntags um 8.30 Uhr beginnen, entfällt das Hauptläuten, das sonst immer 15 Minuten vor der Messe zu hören war. "Wir läuten jetzt nur noch kurz bevor Beginn, etwa zweieinhalb Minuten", sagte Lintz. Und auch bei Taufen, Hochzeiten und bei Beerdigungen wird nur noch kurz und knapp geläutet.

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Diese Zugeständnisse hat Lintz Davis freiwillig gemacht, aber dem geht das nicht weit genug. "Es bringt Gott in unser Leben", sagte er auf die Frage der Vorsitzenden Richterin hin, was ihn denn genau an dem Glockengeläut stört. Durch den Hinweis der Richterin, dass die viertelstündlichen Glockenschläge keinen religiösen Hintergrund haben, ließ sich Davis nicht beirren. "Ich möchte nicht ständig daran erinnert werden, dass dort eine Kirche ist."

Das Hauptverfahren wegen nächtlichen Glockengeläuts konnte am Dienstag eingestellt werden. Lintz sicherte zu, dass die Glocken in Zukunft von 22.15 Uhr bis 5.45 Uhr stillstehen. Die letzte Zeitansage vom Kirchturm gibt es also um 22 Uhr, die erste am Morgen um 6 Uhr.

"Salopp gesagt, ist es so: Die Kirche hat gewonnen"

An seinen weiteren Anklagepunkten hielt Davis aber fest. Er wollte die Glocken in Argelsried am liebsten gar nicht hören: weder tags noch nachts, nicht kirchlich und nicht weltlich. Viele Menschen würden es auch nicht akzeptieren, wenn fünf Mal am Tag ein Muezzin vom Minarett einer Moschee zum Gebet aufrufen würde, sagte Davis.

Das Urteil dazu wurde am Mittwochvormittag bekannt gegeben. "Salopp gesagt, ist es so: Die Kirche hat gewonnen", sagte Martin Scholtysik, Pressesprecher des Verwaltungsgerichts in München. Davis muss mit dem Glockengeläut in seinem Heimatort leben. Seine Anträge, dass das Kirchengeläut komplett unterlassen werden soll, wurden abgelehnt. Damit scheint Davis aber gerechnet zu haben. Er wird vermutlich keine Berufung beantragen. "Ich weiß, wie die Sache ausgeht", sagte er bereits während der Verhandlung am Dienstag. "Und ich werde die Entscheidung des Gerichtes annehmen."

© SZ vom 29.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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