Streit um Freischankflächen:Gute Nacht, München

Spätestens um 23 Uhr müssen Wirte ihre Gäste hereinbitten - auch wenn es draußen noch warm und gemütlich ist. Doch braucht München diese Regelung wirklich? Was Gäste von Lokalen, Anwohner, Wirte und Politiker sagen.

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Cafehausgäste am nächtlichen Odeonsplatz in München, 2013

Quelle: Florian Peljak

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Spätestens um 23 Uhr müssen Wirte in München ihre Gäste hereinbitten - auch wenn es draußen noch warm und gemütlich ist. Doch braucht die Stadt diese Regelung wirklich?

Der Wirt des "Nisha" hat inzwischen aufgegeben: Die Shisha-Bar in der Hiltenspergerstraße in Schwabing betreibt jetzt gar keine Freischankfläche mehr. Der Wirt verzichtet freiwillig darauf, weil Anwohner und Mitglieder des Bezirksausschusses sich wiederholt über nächtliche Ruhestörungen beschwert hatten. Dabei hatte das Kreisverwaltungsreferat dem "Nisha" sogar bescheinigt, dass von unerträglichen Lärmbelästigungen keine Rede sein könne. Unter anderem hatten sich die Politiker aus dem Bezirksausschuss auch an den "ausladenden Clubsesseln" auf der Freischankfläche des Lokals gestört. Genau solche Beschwerden werden künftig weniger Chancen haben, wenn es nach dem Willen des Kreisverwaltungsreferenten Wilfried Blume-Beyerle geht. Wirte sollen bei der Wahl ihrer Möblierung mehr Spielraum bekommen. OB-Kandidatin Sabine Nallinger (Grüne) geht noch einen Schritt weiter: Sie würde am liebsten die 23-Uhr-Grenze für die Bewirtung im Freien kippen. Vor Bars wäre dann nachts noch mehr los, was wiederum Anwohner stören könnte. Was also sagen Gäste von Lokalen, Anwohner, Wirte und Stadtteilpolitiker zu der Frage: Wie lange darf man im Sommer draußen sitzen?

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Dietmar Holzapfel, 56, Wirt

Ich fände es gut, wenn man in München etwas flexibler wäre und nicht so stur. München ist manchmal richtig stur. So viele Tage gibt es ja nicht, an denen das Wetter schön ist. Es würde unser Lokal auf jeden Fall attraktiver machen, wenn unsere Gäste länger draußen sitzen bleiben könnten. Vor allem für die Raucher wäre das eine tolle Sache, die müssten dann zum Rauchen nicht immer vor die Tür gehen. Optimal wäre es natürlich, wenn die Leute dann auch verantwortungsvoll damit umgehen würden und die Nachbarn nicht gestört werden. Aber auch da müsste es mehr Toleranz geben.

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Inge Greguletz, 67

Die 23-Uhr-Grenze aufzuheben, wäre eine gescheite Idee. Wenn es so heiß ist, gehen die Leute gerne raus. Und der Wirt verdient auch noch was dran, wenn die Leute länger draußen sitzen bleiben dürfen. Ich habe selbst über 30 Jahre in der Gastronomie gearbeitet. Als Anwohnerin habe ich damit auch kein Problem. Ich finde es allerdings störend, wenn manche am Gärtnerplatz bis in die Nacht sitzen, dann liegen am Tag danach immer Glasflaschen und Scherben herum. Wenn die Leute im Lokal sitzen bleiben dürften, dann gäbe es so was nicht, weil der Wirt ein Auge darauf hätte.

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Tobias Laquai, 32:

Ich finde diese Reglementierungen in München wirklich schrecklich. Ich muss, wie viele andere auch, bis 21 Uhr arbeiten und fände es super, wenn man länger draußen sitzen bleiben könnte. Ich komme aus Baden-Württemberg, da darf man in Kneipen bis 24 Uhr draußen sitzen, in Berlin sogar bis 3 Uhr morgens. Für die Anwohner ist das sicher manchmal störend, aber es ist halt auch mitten in der Stadt, da ist man immer einem gewissen Lärmpegel ausgesetzt. Ob das jetzt Straßenlärm ist oder der Lärm von Kneipengästen. Das gehört zu einer Großstadt wie München einfach dazu.

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Kirk Ortner, 44, Wirt:

Ich fände die Abschaffung der 23-Uhr-Grenze prinzipiell gut, weil das für mich als Wirt einen klaren finanziellen Vorteil hätte. Ich weiß, dass zu dieser Zeit mein Laden noch gerammelt voll ist und die Leute gerne noch draußen sitzen bleiben würden. Außerdem habe ich den Verdacht, dass am Gärtnerplatz immer noch Privatwohnungen verkauft werden. Da ziehen dann Leute ein, die bilden gemeinsam eine Lobby und wollen, dass es in ihrem Viertel ruhiger wird. Aber das wäre schade, weil dann der Charme des Gärtnerplatzes verloren gehen würde, so wie es vor Jahren in Schwabing passiert ist.

Mediatorin Eva Jüsten, 2010

Quelle: Stephan Rumpf

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Eva Jüsten, 47, Leiterin der Mediationsstelle bei der Stadt München:

Ich persönlich sehe die Frage der Öffnungszeiten entspannt. Aber ich finde, dass es in dieser Zeit ein mutiger Vorstoß aus der Politik ist. Denn beim Blick in die Zeitung bekommt man den Eindruck, dass es vielen Bürgern in München reicht mit dem Lärm. Es würde sicher zu weiteren Konflikten führen, wenn mehr Freischankflächen länger offen bleiben - und es würde damit auch mehr Arbeit für uns Mediatoren geben. Letztlich muss die Politik entscheiden, ob sie diese Konflikte in Kauf nimmt, um mehr Weltoffenheit signalisieren.

Alexander Mikolosy am Gärtnerplatz in München, 2012

Quelle: Catherina Hess

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Alexander Miklosy, 64, Vorsitzender des Bezirksausschusses Ludwigsvorstadt/ Isarvorstadt:

Bei uns im Viertel ist das natürlich ein Reizthema. Dennoch ist es in Einzelfällen denkbar, länger als bis 23 Uhr draußen auszuschenken - vor allem wenn es Freischankflächen mit nur ein paar Tischen sind. Je größer sie aber werden, desto problematischer wird es, manche müsste man auch früher zumachen. Auf jeden Fall sollten die Regeln flexibler werden. Sowohl für die Genehmigung neuer Flächen, als auch für bestehende. Wenn die nämlich irgendwann Probleme machen, sind sie kaum mehr wegzubekommen.

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Quelle: Picasa

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Axel-Jürg Potempa, 55, im Altstadt-Bezirksausschuss zuständig für Gastronomie:

Man findet gerade in der Altstadt und im Lehel Plätze, die sind Italien pur. Ich bin ein großer Fan des lange draußen Sitzens. Auf der anderen Seite haben wir die Interessen der Anwohner zu vertreten, dafür sind wir ja gewählt worden. Wer am Morgen zur Arbeit muss und seinen Schlaf braucht, hat verständlicherweise einen etwas anderen Blick auf die Dinge. Gut vorstellen kann ich mir, dass zum Beispiel in Lokalen in der Umgebung des Hofgartens nachts länger Betrieb sein kann. Da gibt es keine Anwohner.

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Sophie Ehnes-Rogall, 30:

Ich bin bei dem Thema hin- und hergerissen. Prinzipiell halte ich nichts von einem Verbotsstaat und fände es deshalb in Ordnung, wenn die 23-Uhr-Grenze abgeschafft würde. Alle finden es ja auch toll, von München als der nördlichsten Stadt Italiens zu reden, dann sollte man auch danach handeln. Andererseits ist es schon ärgerlich, wenn du berufstätig bist, früh um sechs aufstehen musst und vor deiner Tür ist die ganze Nacht Halligalli. Wir haben früher auch mal im Zentrum gewohnt, sind jetzt allerdings weggezogen. Aber nicht wegen des Lärms, sondern wegen der Mietpreise.

© SZ vom 3.8.2013/dü, ffu, mris, sekr/afis
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