Streit um Finanzierung der Stammstrecke:In der Klemme

Oberbürgermeister Christian Ude hält daran fest: Die Stadt darf sich bei der Finanzierung der Stammstrecke nur minimal beteiligen. Doch in der SPD gibt es erstmals auch andere Stimmen.

Peter Fahrenholz und Silke Lode

Schon Franz Josef Strauß hat den Unterschied zwischen Recht haben und Recht bekommen mitunter schmerzhaft zu spüren bekommen. Denn auf dem Papier seinen Standpunkt durchzusetzen nützt am Ende nur wenig, wenn die Dinge dann ganz anders laufen. Genauso könnte es jetzt Oberbürgermeister Christian Ude im Streit um den zweiten S-Bahn-Tunnel gehen.

S-Bahn München

S-Bahn-Fahrgäste warten am Stachus auf den richtigen Zug.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Seit Monaten versuchen sich Bund, Land, Bahn und Stadt den Schwarzen Peter hin- und herzuschieben, und der OB drohte durch die Forderung, die Stadt solle doch einfach einen Teil der Summe vorstrecken, um die Finanzierungslücke zu schließen, in die Defensive zu geraten. Denn Ude verwies beharrlich auf die Rechtslage, wonach für den S-Bahn-Bau ausschließlich Bund und Land zuständig sind.

Doch am Schluss verkehrten sich die Fronten wieder. Ministerpräsident Horst Seehofer scheiterte mit seinem Versuch, den Bau der Stammstrecke eigenmächtig abzublasen und dem Oberbürgermeister die Schuld daran zu geben. Die eigenen CSU-Landräte in der Region, die die zweite Stammstrecke noch weit dringender brauchen als die Stadt München, rebellierten gegen den Alleingang. Und durch einen Brief von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wurde offenkundig, dass die Sache mit der Vorfinanzierung ein gezieltes Täuschungsmanöver war.

Nach Schäubles Willen soll die Stadt nicht nur vorstrecken, sondern den Tunnel mit bezahlen. "Wir sind hier monatelang nur getäuscht worden", schimpft Ude. Aus reinen Wahlkampfgründen hätten Land und Bund "Giftmischerei betrieben".

Die Frage ist nur: Was nützt Ude und der Stadt der Triumph im Schwarze-Peter-Spiel? Muss die Stadt am Ende, ganz egal, wie die Rechtslage ist, nicht doch einen Beitrag für den Tunnel leisten, um das Projekt zu retten? In der SPD mehren sich die Stimmen, die für ein Abrücken von der harten Linie sind. Doch Ude weist jede Vermutung eines innerparteilichen Konflikts zurück. "Die SPD-Stimmen werden immer nur zitiert", spottet er; er selber habe noch keine einzige gehört.

Hinter den Kulissen wird heftig gerungen

Klare Indizien sprechen allerdings dafür, dass hinter den Kulissen heftig um die richtige Linie gerungen wird. So bestellte Ude unmittelbar nach Bekanntwerden des Schäuble-Briefs die Presse ins Rathaus - nur um zu verkünden, dass er einen Zuschuss der Stadt weiter kategorisch ablehnt. Eine Woche später hatte er mit dieser Haltung das Recht zwar immer noch auf seiner Seite - doch inzwischen muss Ude zu dem Schluss gekommen sein, dass Münchens wichtigstes Verkehrsprojekt so in der Sackgasse steckt.

Erneut rief er die Presse zusammen und zeigte Kompromissbereitschaft - wenn auch nur minimal. Er signalisierte erstmals Bereitschaft, einen Teil der Kosten zu übernehmen. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung wurde Ude etwas deutlicher: Wenn am Schluss noch 50 Millionen als Finanzierungslücke übrig blieben, könne die kommunale Ebene mithelfen, "dann kann ich mir eine Lösung vorstellen". Doch zuvor müssten Bund und Bahn ihren Anteil kräftig aufstocken.

Die Gemengelage ist also unübersichtlich, doch zum ersten Mal seit vielen Jahren sind die Interessen zwischen Ude und seinen Münchner Parteifreunden nicht deckungsgleich. Seit Ude SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl ist, muss er komplizierte taktische Überlegungen mit ins Kalkül ziehen.

Es gilt für ihn, sich vom Image des reinen Münchners zu befreien und glaubhaft unter Beweis zu stellen, dass ihm das Wohl des ganzen Landes am Herzen liegt. Und er muss darauf achten, im Duell mit Horst Seehofer stets auf Augenhöhe zu agieren. Würde er jetzt bei der Stammstrecke nachgeben, könnte Seehofer das womöglich als Sieg durch die Hintertür verbuchen.

In der Münchner SPD ist eine solche starre Haltung allerdings umstritten. Parteichef Hans-Ulrich Pfaffmann etwa sieht den Tunnel als "riesiges Infrastrukturprojekt, dass für die nächsten 30 bis 40 Jahre bedeutsam ist". Formal hätten die Gegner einer Co-Finanzierung zwar recht. "Aber Augen und Ohren zu machen - das geht nicht. Wenn wir jetzt auf stur schalten, scheitert der Tunnel am Wahlkampfgetöse Seehofers", mahnt Pfaffmann. Für ihn ist klar: "Wenn ein städtischer Beitrag nötig wäre, kann die Stadt nicht Nein sagen."

Allerdings muss er mit dieser Haltung in seiner Partei noch Überzeugungsarbeit leisten. Fraktionschef Alexander Reissl sagt, dass er sich mit einer Beteiligung der Stadt "schwer tue", zumal die S-Bahn in München außer im Westen eher von geringer Bedeutung sei. Die Finanzpolitiker, die für einen strikten Sparkurs kämpfen, wollen von freiwilligen Zusatzausgaben sowieso nichts wissen und haben dabei die Sozialpolitiker auf ihrer Seite: "Ich bin dagegen, dass die Stadt Geld gibt", meint SPD-Stadtrat Christian Müller.

Selbst Verkehrssprecher Ingo Mittermaier will nur einen "symbolischen Beitrag der Stadt nicht kategorisch ausschließen". Parteichef Pfaffmann hat konkrete Vorstellung, wie ein Kompromiss gefunden werden kann: "Zuerst ist die Bahn am Zug." Damit würden sich die fehlenden 350 Millionen Euro reduzieren. Als nächstes müsse man prüfen, wie viel die Landkreise beisteuern können. "Und dann kommt ein Betrag raus, über den man reden muss."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: