Streit um den Gleisausbau:Geisterzüge

Streit um den Gleisausbau: Züglein hin und Züglein her: Wie viele Güterzüge in Zukunft auf den neuen Trassen im Osten einmal fahren werden, ist nicht nur die Voraussetzung für eine Planungsgrundlage, sondern sorgt auch für Klarheit der an der Trasse wohnenden Bürger.

Züglein hin und Züglein her: Wie viele Güterzüge in Zukunft auf den neuen Trassen im Osten einmal fahren werden, ist nicht nur die Voraussetzung für eine Planungsgrundlage, sondern sorgt auch für Klarheit der an der Trasse wohnenden Bürger.

(Foto: Robert Haas)

Noch immer ist offen, wie viel Güterverkehr auf Truderinger und Daglfinger Kurve und Spange abgewickelt wird: Der Bundesverkehrswegeplan und die Szenarien für den Brennerzulauf kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen

Von Nicole Graner und Sebastian Krass, Daglfing/Trudering

Die Bahn will die Güterzüge schneller durch München bringen - um den Südring und den Ostbahnhof vom Güterverkehr zu entlasten, ihn auf den Nordring zu verlagern und am Rangierbahnhof Nord zu bündeln. Massive Baumaßnahmen sind die Folge, Truderinger und Daglfinger Kurve und Spange (TDK) müssten ausgebaut werden. Auch soll die Strecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen auf vier Gleise erweitert werden. Außerdem soll der Nordzulauf zum Brenner-Basis-Tunnel in Trudering beginnen.

Bevor aber überhaupt konkrete Bauplanungen beginnen, werden noch Trassenvarianten geprüft, und es müsste eine große Frage geklärt werden, auf die Lokalpolitiker, der Stadtrat und vor allem die Anwohner der Trasse, die Angst vor einer zunehmenden Lärmentwicklung haben, schon lange warten: Wie viele Züge werden in Zukunft auf dieser Strecke fahren? Die Bahn macht bis jetzt keine klaren Angaben und verweist stets auf die Prognose des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) für 2030. In der Sitzung des Planungsausschusses des Stadtrats am Mittwoch wurde denn auch erneut über die Zugzahlen diskutiert. "Wir fordern", so machte Herbert Danner (Grüne) deutlich, "schnellstmögliche Optimierung für die Anwohner in Trudering, Daglfing und Johanneskirchen". Denn es könne nicht sein, dass Hunderte Güterzüge mit bis zu 740 Metern Länge durch ein Wohngebiet rauschten. "Wann bekommen wir endlich aktuelle Prognosen, mit welchen Güterverkehrsbewegungen wir auf Daglfinger und Truderinger Kurve rechnen können?", fragte Danner.

Die Zugzahlenprognose des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030 für den Streckenabschnitt Daglfing-Johanneskirchen lautet: 229 Züge im Schienengüterverkehr. Tagsüber von 6 Uhr früh bis 22 Uhr wären es 127 Züge, in der Nacht 102. Im Schienenpersonennahverkehr kommen noch einmal 280 Züge dazu. Für die Daglfinger Kurve wären es laut BVWP insgesamt 87. Das ist die eine Sichtweise. Eine andere, die aus einer Analyse des Protokolls des Lenkungsausschusses für die Strecke München - Rosenheim - Kiefersfelden hervorgeht, legt eine steigende Zugmenge von rund 400 Zügen pro Tag zugrunde. Auf diese Analyse verweist auch Jens Röver von der SPD. "Wenn man dann alle Szenarien durchgeht, sind wir bei über 500 Zügen an der Grenze." Diese Szenarien hätten einen massiven Einfluss auf Projekte, über die hier gesprochen würde. Auch Dorothea Wiepcke von der CSU glaubt an eine Zunahme des Güterverkehrs auf der Schiene.

Die so genannte Trimode-Studie "Verkehrsentwicklungsszenarien 2050 auf dem Brennerzulauf" hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in Auftrag gegeben. In vier Szenarien auf der Strecke Rosenheim - Kufstein kommt die Studie zum Schluss, dass bis 2050 bis zu 459 Güterzüge pro Tag fahren könnten - die meisten davon mit Ziel München. Diese Zahlen legen die Bahn Netze ihrer Planung allerdings nicht zugrunde. Bernd Pfeiffer, zuständig für den Bahnausbau im Knoten München bei der Bahn AG macht ganz klar deutlich, dass nur mit den Zahlen des BVWP gearbeitet werde. "Das ist unsere rechtliche Basis. Solange es keine anderen Zahlen vom Ministerium gibt, können wir keine anderen Zahlen verwenden. Das ist Fakt." In einem Antwortschreiben der DB Netze an die Bürgerinitiative (BI) für einen Bahntunnel Zamdorf bis Johanneskirchen heißt es auch noch einmal klar: Die Studie zeige Potenziale, stelle aber keine Prognosen dar. Eine darauf basierende Ableitung der Güterverkehrsentwicklung im Knoten München für einen 30 Jahre in der Zukunft liegenden Zeitpunkt wäre "hochspekulativ und schlicht unseriös".

Die BI hält das Ganze für ein Verwirrspiel. Warum hätten die Zahlen der Trimode-Studie des Ministeriums Bestand für den Brennerzulauf, aber dann plötzlich nicht mehr für München? "Es ist dringend notwendig, dass die Bahn mal eine Auftragsklärung mit dem BMVI eingeht, damit verlässliche Zugzahlen von der Grenze Deutschland/Österreich weg bis hinter München endlich eine Planungsgrundlage bieten", sagt Peter Brück von der BI. Ein Bäcker backe doch auch kein Baguette, das vorne ganz schwarz und hinten noch teigig sei. Noch fehlen diese verlässlichen Daten also und damit eine Planungsgrundlage. Der Stadtrat vertagte deshalb die Diskussion auf die nächste Sitzung des Planungsausschusses am 4. März.

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