Streit um Abflussrohr vor Gericht:Dixi-Klo statt Toilette im Haus

Ein halbes Jahr hat eine Familie ohne eigene Toilette und Dusche gelebt. Nach Bauarbeiten beim Nachbarn war ihr Abwasserrohr plötzlich "tot gelegt". Nun klagt die Familie gegen den Notar, der ihr beim Hauskauf wichtige Details verschwiegen habe.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Endlich ein eigenes Häuschen in München und dann das: 35 Wochen lang musste eine Münchner Familie statt auf der Toilette im eigenen Badezimmer ihre Notdurft in einem Dixi-Klo im Garten verrichten. Zum Duschen ging es in ein benachbartes Sportheim. Und das, weil im Zuge eines Neubaus nebenan ihr Abwasserkanal stillgelegt worden ist. Schadensersatz für die erlittene Unbill will die Familie nun von dem Notar, der den Immobilienkauf besiegelt hatte - er habe es versäumt, auf die besondere Problematik mit den Kanalrechten hinzuweisen. Am Mittwoch wurde die Klage vor dem Landgericht München I verhandelt.

In Waldtrudering, wo die Straßen Vogelnamen haben, hatte ein 54-jähriger afghanischer Einwanderer für seine 49 Jahre alte Ehefrau und die fünf Kinder das 100 Jahre alte Einfamilienhaus gekauft. Dieses Gebäude stand Jahrzehnte allein auf dem großen Grundstück. Dann hatten Erben das Areal an einen Projektentwickler verkauft, der es teilte und weiterverkaufte. Über die ungewöhnliche Situation, dass die Entwässerungsrohre des alten Gebäudes nicht auf der kürzesten Strecke zum öffentlichen Kanalnetz führen, sondern quer über das ganze Grundstück zu einer Straße an der rückwärtigen Seite und somit über das inzwischen abgeteilte Areal, wurde damals offenbar nicht gesprochen.

Kommunikationsprobleme machten Angelegenheit kompliziert

Die Neu-Münchner vom Hindukusch verstehen bisher kaum Deutsch und haben sich voll und ganz auf den Notar als neutralen Rechtsexperten verlassen - "und wurden enttäuscht", erläuterte Klägeranwalt Wilfried Sydow in der Gerichtsverhandlung.

Der Anwalt des beklagten Notars hielt dagegen: Bei der Beurkundung hätten die Käufer den Anschein erweckt, alles zu verstehen und sie hätten auch keinen Dolmetscher mitgebracht. Auf jeden Fall hätten die Kläger auch später "mit einer Mentalität des An-die-Wand-Fahrens" die Augen vor den auftauchenden Problemen verschlossen und trügen damit ein erhebliches Mitverschulden, meinte der Anwalt des Notars.

Als der Nachbar zu bauen begann, musste beim Erdaushub das Abwasserrohr "totgelegt" werden. Der Notar versuchte damals noch nachträglich einen Kompromiss anzuregen, der die afghanische Familie aber einige tausend Euro gekostet hätte - Geld, das sie vermutlich nicht hatte. Unklar ist auch, ob sie die Problematik überhaupt verstanden hat. Jedenfalls ignorierte sie ein amtliches Schreiben der Stadt München. Vielleicht spielte dabei auch eine Rolle, dass eine gutherzige Lehrerin der Familie mit Ratschlägen behilflich sein wollte, aber rechtliche Notwendigkeiten womöglich nicht richtig einschätzte.

Ein halbes Jahr ohne eigene Dusche

Als dann die Klo- und Waschbeckenabflüsse nicht mehr funktionierten, improvisierte die Familie: Ein mobiles Toilettenhäuschen wurde bestellt; mit dem nahen Sportheim handelte man eine Duscherlaubnis aus und die Wäsche wurde in einen Waschsalon gebracht. So ging das vom Sommer 2013 bis Ende Januar 2014. Dann endlich war ein Ersatzkanal gebaut.

Die Kosten für das neue Abwasserrohr sowie die aushäusigen Klo-, Dusch- und Waschkosten will die Familie nun ersetzt haben: rund 16 600 Euro. Der Richter der 15. Zivilkammer machte den Klägern aber deutlich, dass der Notar eventuell nicht der richtige Beklagte sein könnte. Warum der Grundstücksverkäufer nicht in Regress genommen werde? Das Gericht schlug dennoch vor, dass der Notar freiwillig 2500 Euro für die Dixi-Klo- und Fremdduschkosten bezahlen solle. Beide Seiten haben nun einige Tage Bedenkzeit. Falls sie diesen Vergleichsvorschlag nicht annehmen sollten, wird Mitte Januar das Urteil verkündet.

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