Süddeutsche Zeitung

Streit mit Urheber:Das Recht am Bauwerk

Architekten können Veränderungen ablehnen - allerdings mit Einschränkungen.

Von Gerhard Matzig

Der amerikanische Architekt Richard Meier soll sich am Aschenbecher vergriffen haben. Beim Haus, das er als junger Architekt für seine Eltern erdachte. Das Haus war fertig, die Eltern zogen ein, Meier besah sich alles - und warf den Aschenbecher nach seiner Mutter. Weil: passt nicht zur Architektur. Also, der Aschenbecher, nicht die Mutter.

Die Baugeschichte kennt viele bizarre Geschichten, in denen Architekten als Egomanen karikiert werden, die den Menschen am liebsten den Umgang mit der von ihnen geschaffenen Ästhetik vorschreiben würden. Ganz falsch sind solche Geschichten selten, ganz richtig aber auch nicht allzu oft. Denn der Urheberrechtsschutz der Architekten ist eine komplexe Rechtsmaterie. Es kommt stets auf den Einzelfall an. Grundsätzlich darf man sich das Urheberrecht am Bau wie jedes andere Urheberrecht vorstellen. Verfassungsrechtlich in den Artikeln 2, 5 und 14 des Grundgesetzes verankert, dient es dem Schutz ideeller oder materieller Interessen eines Urhebers an seinem geistigen Werk. Dazu gehören laut Rechtslexikon "Architektenrecht von A-Z" (von Fabian Blomeyer und Erik Budiner) auch Architektenleistungen. Sie sind "wie schriftstellerische, musikalische oder Leistungen der darstellenden Kunst urheberrechtsschutzfähig".

Allerdings ist dieser Schutz an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Werke der "Baukunst" (schützenswert) werden unterschieden von einfachen "Alltagserzeugnissen". Das heißt: Nicht jedes Bushäuschen oder jeder Schuppen, mögen sie auch von echten oder vermeintlichen Titanen der Architektenschaft ersonnen worden sein, sind urheberrechtsfähig. Beim Gasteig, auch bekannt als "Klotz am Berg", sollte man sich vom Namen allerdings nicht narren lassen. Man darf davon ausgehen, unabhängig vom Leumund, dass der Gebäudekomplex an der Isar kraft seiner "Gestaltungshöhe" (so der Rechtsbegriff) als urheberrechtlich relevant zu gelten hat.

Daher kann der Gasteig unter Umständen auch vor Eingriffen und Veränderungen geschützt sein. Allerdings kann auch der Nutzer legitime Interessen an eben diesen Veränderungen haben. Etwa, wenn es um energetische Ertüchtigung oder um eine erforderliche räumliche Angleichung an veränderte Nutzungen geht. Das Recht der Architekten an der Unverfälschtheit ihres Werkes konkurriert also mit dem Recht der Nutzer auf Veränderung. Zuletzt wurden solche Fragen eher pragmatisch und nutzerorientiert entschieden. Häuser sind meist keine Denkmäler. Man muss sie in aller Regel nutzen und daher auch umbauen können. Schlau wäre es aber schon, wollte man sich mit den oft gutwilligen Urhebern der Bauwerke verständigen, bevor man es mit ihren Anwälten zu tun bekommt. Streit ist immer teuer.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2018/axi
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