Streit im Rathaus:Braucht München einen Ordnungsdienst mit Waffen?

Streit im Rathaus: Auf der Wiesn gibt es schon Sicherheitskräfte, bald soll es einen städtischen Ordnungsdienst geben.

Auf der Wiesn gibt es schon Sicherheitskräfte, bald soll es einen städtischen Ordnungsdienst geben.

(Foto: Robert Haas)
  • München soll einen Ordnungsdienst bekommen - CSU-Fraktionsvize Michael Kuffer ist dafür, dass der mit Schusswaffen hantieren darf, um Gewalt zu unterbinden.
  • Für den zuständigen Kreisverwaltungsreferenten ist das höchstens zur Selbverteidigung denkbar.
  • Seiner Ansicht nach sollen die neuen Aufsichtskräfte keine Ersatz-Polizisten sein, sondern gegen Wildbieseln, Lärm, Müll oder unerlaubtem Grillen vorgehen.
  • Eine echte kommunale Polizei ist nicht mehr erlaubt. Die Bayernpartei will trotzdem eine einführen.

Von Dominik Hutter

Grundsätzlich beschlossen ist der städtische Ordnungsdienst bereits - aber soll er wirklich mit Schusswaffen hantieren dürfen? Dieser Vorschlag aus der CSU hat im Rathaus Kontroversen ausgelöst, aus Sicht des zuständigen Kreisverwaltungsreferenten Thomas Böhle ist das "keine Option".

Eine solche Forderung sei bei den zahlreichen Fachgesprächen zum Thema mit gutem Grund nie erhoben worden, betont der SPD-Mann. Der geplante Dienst solle völlig anders konzipiert werden; zudem müsste, wer eine Schusswaffe tragen dürfe, zuvor mehrere Jahre lang ausgebildet werden. Zwar sei eine Bewaffnung juristisch möglich, sagt der Kreisverwaltungsreferent. Die Pistole dürfe aber nur zur Selbstverteidigung oder bei akuter Gefahr für Leib und Leben eines anderen eingesetzt werden - und keinesfalls, wie von CSU-Fraktionsvize Michael Kuffer in einem Zeitungsinterview angeregt, um Gewalt zu unterbinden. Ohnehin seien die Kompetenzen der kommunalen Ordnungshüter beschränkt und nicht mit denen der Polizei vergleichbar.

Im Kreisverwaltungsreferat werden derzeit die Details für den vom Stadtrat im Sommer 2016 beschlossenen Ordnungsdienst ausgearbeitet. Chef Böhle sagt zu Kuffers Vorschlägen: "Das geht völlig in die falsche Richtung." Die neuen Aufsichtskräfte sollen seiner Ansicht nach nicht als Ersatz-Polizisten dienen, sondern bei Ordnungswidrigkeiten wie Wildbieseln, Lärm machen, Müll liegen lassen oder unerlaubtem Grillen eingreifen. Sie dürfen Platzverweise erteilen und Personalien feststellen - nicht aber, wie von Kuffer gesagt, Verbote per Zwang durchsetzen (also die Person notfalls in Handschellen abführen). Dies bleibt weiterhin der Polizei überlassen. Eine echte kommunale Polizei ist - anders als etwa in Frankfurt - seit der Aufhebung des bayerischen Gemeindepolizeigesetzes im Jahr 2005 nicht mehr erlaubt.

Die Bayernpartei im Münchner Stadtrat plädiert dafür, trotzdem eine einzuführen - und wirft der CSU vor, die bereits vor Monaten eingebrachte Idee einfach "abgekuffert" zu haben. Oberbürgermeister Dieter Reiter solle bei Innenminister Joachim Herrmann eine entsprechende Gesetzesänderung anregen, fordert BP-Stadtrat Mario Schmidbauer, der der CSU (in der er selbst jahrelang Mitglied war) einen "extremen Linksruck" attestiert.

Dies allerdings hat auch Kuffer nicht vor. Der Sicherheitsdienst, sagt er, benötige eine klare Abgrenzung zur Polizei, gegen die die CSU im Übrigen kein Misstrauen hege, wie ihr der Oberbürgermeister bereits unterstellt hat. Kuffer ist überzeugt davon, dass der Ordnungsdienst in der Fläche Präsenz zeigen und für Ausnahmefälle auch über Schusswaffen verfügen muss; für die Alltagsaufgaben, das räumt der Bundestagskandidat ein, seien sie nicht erforderlich. Kuffer will, dass Hunderte städtische Mitarbeiter patrouillieren und auch in gefährlichen Situationen handlungsfähig sind. Beispiel Isarmord: Wäre damals eine bewaffnete Streife vor Ort gewesen, hätte sie laut Kuffer womöglich eingreifen können.

Beim Bündnispartner SPD hat der nicht abgestimmte CSU-Vorschlag Widerspruch und Verärgerung ausgelöst. OB Reiter sagte deshalb am Montag seine Teilnahme an der wöchentlichen Mittagsrunde mit den CSU-Spitzen ab. Hintergrund war allerdings nicht die politische Meinungsverschiedenheit. Reiter ärgerte sich vielmehr darüber, dass bei den Bündnisgesprächen auch kleinere Themen in allen Details durchgesprochen werden, dass das durchaus kostspielige Sicherheitspaket dem Bündnispartner aber einfach vor den Latz geknallt wurde: "Das ist nicht zweckmäßig und nicht professionell." Die Mittagsrunde wurde daraufhin in die Räume der CSU-Fraktion verlegt.

Laut Reiter ist eine vorherige Absprache haushaltsrelevanter Initiativen im Bündnispapier von 2014 ausdrücklich vorgesehen. Der Groll ist allerdings längst verflogen - weder Reiter noch Gegenspieler Kuffer sehen einen Anlass für eine ernsthafte Koalitionskrise. Allerdings verweist Kuffer darauf, dass im Bündnispapier nur festgeschrieben sei, dass der Haushalt gemeinsam beschlossen wird und dass über umstrittene Initiativen wie das Sicherheitspaket vor deren Verabschiedung eine Einigung erzielt werden muss. Keineswegs müssten sämtliche Vorstöße frühzeitig mit dem Bündnispartner abgestimmt werden. Kommende Woche soll die Mittagsrunde in gewohnter Formation stattfinden.

Wie es mit Kuffers Schusswaffen-Vorstoß weitergeht, ist völlig unklar. Bislang gibt es keinen offiziellen Antrag, im Sicherheitspaket der CSU ist die Forderung mit keinem Wort erwähnt. Da Kuffer den Ordnungsdienst flächendeckend einführen will, die bisherigen Pläne des Kreisverwaltungsreferats aber nur den Einsatz an Brennpunkten in der Stadt vorsehen, ist mit erheblichen Mehrkosten zu rechnen; beziffern wollte sie die CSU bisher nicht. Auch die Schulung an den Waffen sowie deren Kauf dürften kostspielig werden. Der Stadtrat entscheidet voraussichtlich im Mai über den Sicherheitsdienst.

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