Streit an der Schule:"Es gibt keine Chancengleichheit"

Münchens Ausländerbeirat sieht Migrantenkinder durch nach Herkunft getrennte Klassen benachteiligt - das Schulamt weist den Vorwurf zurück .

Christian Rost

Die Kritik an nach Herkunft gebildeten Klassen reißt nicht ab: Der Ausländerbeirat forderte am Donnerstag offiziell "höchstmögliche Heterogenität" in den Schulen und auch in den Kindertagesstätten. Deutsche und Migrantenkinder dürften nicht getrennt werden. Das Schulamt versichert, die Abstammung der Kinder sei kein Kriterium.

Streit an der Schule: "Besonders um Integration bemüht": Rektorin Ulrike Wanner in einer Klasse der Schule an der Hanselmannstraße

"Besonders um Integration bemüht": Rektorin Ulrike Wanner in einer Klasse der Schule an der Hanselmannstraße

(Foto: Foto: Heddergott)

An der Grundschule in der Hanselmannstraße in Milbertshofen hat sich der Streit entzündet: Türkische Eltern beschwerten sich darüber, wie in der SZ berichtet, dass eine "rein deutsche Klasse" und Klassen nur mit Migrantenkindern gebildet worden seien. Die Eltern befürchten, dass, wenn Kinder aus zugewanderten Familien unter sich bleiben, in der Klasse zu wenig Deutsch gesprochen und gelernt wird. Die Stadtrats-Grünen kritisieren "die Klassenbildung nach ethnischen Grundlagen", ebenso Sozialministerin Christa Stewens (CSU): "Damit wird Integration konterkariert, dies ist alles andere als förderlich."

Das staatliche Schulamt weist den Vorwurf als "ungerechtfertigt" zurück. Amtsleiterin Georgine Müller sagt, an keiner Schule in München würden Klassen bewusst nach der Herkunft der Kinder gebildet. An der Hanselmannschule sei sogar in allen Klassen die Zahl der Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit weit höher als die der Schüler mit anderen Nationalitäten.

Gerade an dieser Schule, die 400 Kinder aus 32 Nationen besuchten, bemühe man sich um gelungene Integration. Angesichts eines Migrantenanteils von 60 Prozent habe man heuer eigens fünf statt vier Eingangsklassen gebildet, um die Klassenstärken zu verringern, so Müller. Sie räumte aber ein, dass es eine Häufung von Kindern ohne Bekenntnis in einer Klasse geben kann - von Muslimen etwa: "Stundenplantechnisch" würden die Schüler für das Fach Ethik zusammengefasst.

Das Schulamt berücksichtigt bisher nicht, dass für etliche Schüler mit deutschem Pass nicht Deutsch die Muttersprache ist, weil die Kinder aus zugewanderten Familien stammen. In diesem Punkt setzt die Kritik des Ausländerbeirats der Stadt an. Vorsitzender Cumali Naz sagt, an mehreren Schulen in München würden Migrantenkinder in Klassen zusammengefasst. Es gebe immer wieder Beschwerden darüber.

Bei der Klassenbildung sei nicht, wie es das Schulamt sehe, die Staatsangehörigkeit entscheidend, sondern die Muttersprache. "Klassen, in denen Migrantenkinder die Mehrheit stellen, sind für die Schulkarriere der Kinder kontraproduktiv", so Naz.

Auch Waltraud Lucic, die Vorsitzende des Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, ist der Meinung, dass die Klassen "gut gemischt" sein sollten. Maximal 40 Prozent und mindestens 15 Prozent der Schüler einer Klasse sollten nach Auffassung des Ausländerbeirats aus immigrierten Familien stammen. Dasselbe müsse für Gruppen in Kitas gelten, "damit Migrantenkinder Deutsch im Kindergarten so gut lernen, dass sie mit gleichen Chancen in die Grundschule starten wie ihre muttersprachlichen Freunde". In der Praxis sehe es aber anders aus, beklagt Naz: "Es gibt keine Chancengleichheit für Migrantenkinder." Um dies zu ändern, so Lehrerverbands-Vorsitzende Lucic, müssten auch die Eltern mehr in die Pflicht genommen werden. Es sei zu spät, wenn die Kinder erst in der Schule Deutsch lernten.

Wie Integration gelingt, das beschäftigt die Schulen in zunehmendem Maße. In diesem Schuljahr lag bei den Erstklässlern der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund bei mehr als 50 Prozent, mancherorts bis zu 80 Prozent. Die Kritik aus Migrantenfamilien an der Art der Klassenbildung ist neu. Bislang beschwerten sich vor allem deutsche Eltern über einen zu hohen Ausländeranteil. Dabei gebe es auch immer wieder Versuche von Eltern, sich über die Schulsprengelgrenzen hinwegzusetzen, so das Schulamt. Müller: "Letztlich konnten wir aber alle Eltern von der gelungenen Integrationsarbeit an den Schulen überzeugen."

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