Süddeutsche Zeitung

Streiks im öffentlichen Dienst:Warum die Stadt am Dienstag stillsteht

  • Verdi und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) rufen an diesem Dienstag erneut zum Streik auf.
  • Streiken werden unter anderem die Mitarbeiter der Wertstoffhöfe, der städtischen Kindertagesstätten, der Stadtwerke und das Sozialreferat.
  • Auch der Flughafen München rechnet mit umfassenden Streiks. Die Lufthansa hat vorab 240 Flüge getrichen.

Von Melanie Staudinger

Im Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) sind sie noch immer mit den Folgen des letzten Streiks beschäftigt. Neun von zehn Mitarbeitern beteiligten sich am 22. März am Ausstand. 221 Lkw-Ladungen Müll blieben an diesem Tag liegen. Bis 5. April war der AWM noch etwa 126 Fuhren im Rückstand. "Generell können wir den Müll erst auf der nächsten Tour mitnehmen", sagt AWM-Sprecherin Evi Thiermann.

An diesem Dienstag, 10. April, rufen die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erneut zum Streik auf. "Das Ausmaß können wir noch nicht abschätzen", so Thiermann. Erfahrungsgemäß würden sich nahezu alle Beschäftigten beteiligen. Vor allem in den Wertstoffhöfen: Dort streiken die Mitarbeiter nicht nur für höhere Löhne, sondern auch gegen längere Öffnungszeiten am Samstag.

Wie sich die Tarifauseinandersetzung in den städtischen Kliniken entwickeln wird, vermag Sprecher Raphael Diecke nicht abzuschätzen. Fest steht, dass alle Beschäftigten außer den Ärzten in den Krankenhäusern in Neuperlach und Bogenhausen aufgerufen sind. Nach bisherigen Erfahrungen dürfte sich vor allem das Pflegepersonal beteiligen. "Die Patientenversorgung und insbesondere die Notfallversorgung ist durch klinikinterne Regelungen durchgängig sichergestellt", so Diecke. Bei leichteren Krankheitsverläufen seien ohnehin Hausarzt und ärztliche Bereitschaftspraxen die richtigen Ansprechpartner.

Auch der Flughafen München rechnet mit umfassenden Streiks. Die Lufthansa strich vorab 240 Flüge. Es werde zu "erheblichen Beeinträchtigungen" kommen, teilte die Flughafen München GmbH (FMG) mit. Mit Verdi habe die FMG sowie die im Bodenverkehrsdienst tätige Tochtergesellschaft Aeroground eine Notdienstvereinbarung, mit der sichergestellt werde, "dass alle erforderlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung am Flughafen auch während des Streiks durchgeführt werden können". Das betreffe vor allem die Feuerwehr, sagt Verdi-Chef Heinrich Birner. Wenn die Feuerwehr außer Dienst sei, könne kein Flugzeug im Erdinger Moos starten oder landen, auch nicht im Notfall - soweit soll es nicht kommen.

Bestreikt werden soll am Dienstag auch eine ganze Reihe von kommunalen Betrieben und städtischen Referaten: die städtischen Kindertagesstätten und Horte, die Stadtwerke München inklusive Bäder (die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG ist nicht betroffen, weil deren Beschäftigte einen anderen Tarifvertrag haben), die Straßenreinigung, die Münchner Stadtentwässerung, das Sozialreferat, die Straßenbeleuchtung, Verkehrszeichenbetriebe und Verkehrsleittechnik, der Straßenbau, der Gartenbau, die IT-Bereiche der Stadt, die Arbeitsagentur und das Jobcenter, das Landratsamt München und die Helmholtz-Gesellschaft. Die Auszubildenden der Stadtwerke, der Landeshauptstadt, des Abfallwirtschaftsbetriebs, des städtischen Klinikums und der Helmholtz-Gesellschaft sind ebenfalls aufgerufen.

Die Mitarbeiter der Straßenreinigung haben ihre Streikbereitschaft schon am Montag gezeigt. Unter die Mülleimer am Marienplatz und der Fußgängerzone legten sie Schilder mit der Aufschrift, wie schwer der Müll sei, den sie täglich wegräumten. "Wir sind mehr wert", steht da.

Es gibt keine flächendeckende Notbetreuung

Das Bildungsreferat rechnet damit, dass zahlreiche Kindertagesstätten am Dienstag geschlossen bleiben. Da nur einen Tag lang gestreikt werde, gebe es keine flächendeckende Notbetreuung. Eltern sollten daher bei der Leitung ihrer Einrichtung nachfragen. "Im Falle einer Schließung Ihrer Kindertageseinrichtung empfehlen wir, dass Sie sich mit anderen Eltern zusammen tun, um die Kinder zu betreuen", schreibt das Bildungsreferat auf seiner Internetseite.

Immerhin: Seit dem letzten großen Streik im öffentlichen Dienst im Jahr 2015 erhalten Eltern, deren Kita streikbedingt geschlossen ist, vom ersten Streiktag an die Besuchsgebühren und das Verpflegungsgeld anteilig zurück. Das geschehe automatisch, werde aber einige Zeit in Anspruch nehmen, teilt das Bildungsreferat mit.

Verdi fordert von den Arbeitgebern sechs Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro mehr pro Monat. "Nahezu jeder zweite Beschäftigte ist in unserem teuren Ballungsraum auf einen Nebenjob angewiesen", sagt Birner. Am Dienstag soll es zwei Verdi-Demonstrationszüge geben. Der erste startet um 9.45 Uhr vor dem Augustinerkeller an der Arnulfstraße. Der zweite beginnt um zehn Uhr vor dem DGB-Haus an der Schwanthalerstraße.

Beide treffen sich am Marienplatz, wo um elf Uhr die Großkundgebung anfängt. Nach Angaben von Verdi nehmen an den Aktionen auch Streikende aus Schwaben, dem Allgäu, Oberbayern und der Oberpfalz teil. Bislang seien 35 Busse angekündigt. Die Mitglieder der GEW ziehen um 9.30 Uhr vom Eine-Welt-Haus an der Schwanthalerstraße zum Marienplatz.

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SZ vom 10.04.2018/khe
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