Süddeutsche Zeitung

Streife durch die Stadt:106 blaue Sheriffs gegen Ordnungswidrigkeiten

  • Von Juni 2018 an soll es in München einen Sicherheitsdienst geben.
  • Das Kreisverwaltungsreferat möchte 106 Mitarbeiter einstellen. Bislang war nur von etwa 30 die Rede.
  • Der Dienst soll sich um Ordnungswidrigkeiten wie Ruhestörungen kümmern.

Von Heiner Effern

Der neue Sicherheitsdienst der Stadt soll deutlich größer werden als bisher geplant. Das Kreisverwaltungsreferat plant, insgesamt 106 Mitarbeiter einzustellen, 92 von ihnen sollen auf Streife gehen. Auch sein Einsatzgebiet soll erweitert werden: Grob gesagt sollen die Mitarbeiter des Dienstes den Hauptbahnhof, den Alten Botanischen Garten, den Stachus, die Sonnenstraße, den Herzog-Wilhelm-Park, den Sendlinger-Tor-Platz und den Nußbaumpark kontrollieren.

Sie sollen marineblaue Uniformen tragen, jedoch keine Handschellen oder Pistolen mit sich führen. Die Sicherheitswacht soll offiziell "Kommunaler Außendienst - KAD" heißen und jährlich 7,5 Millionen Euro kosten. Das geht aus der Vorlage des Kreisverwaltungsreferats (KVR) hervor, die der Stadtrat kommenden Dienstag beschließen soll.

Am 1. Juni 2018 soll der KAD den Betrieb aufnehmen. Den Grundatzbeschluss hat der Stadtrat 2016 noch auf Vorschlag des damaligen KVR-Chefs Wilfried Blume-Beyerle gefasst. Das Feinkonzept ließ sein Nachfolger Thomas Böhle ausarbeiten, und das hält einige Überraschungen bereit. Vor allem beim Personal. In den ersten Planungen wurde stets die Zahl von etwa 30 Mitarbeitern genannt, nun sollen es 106 werden. 92 Mitarbeiter sollen als Fußstreifen im Schichtbetrieb täglich von zehn bis 6.30 Uhr am nächsten Morgen unterwegs sein. Auch ihr Einsatzgebiet wurde neu definiert. Die ursprünglich angedachte Kontrolle der Isarufer wurde gestrichen, dafür kamen neu der Sendlinger-Tor-Platz und der Stachus hinzu. Dort stellt die Polizei zunehmend Straftaten fest.

Ursprünglich hatte die CSU den Dienst beantragt, Blume-Beyerle hatte daraufhin einen ersten Plan entwickelt: Da die Polizei nur über begrenzte Ressourcen verfügt, konzentriert sie sich auf schwerere Fälle. Mit der Folge, dass auf harmlosere Vergehen und Ordnungswidrigkeiten entweder gar nicht oder erst sehr spät reagiert werde. Diese Sicherheitslücke soll der neue Ordnungsdienst nun schließen.

In seiner Vorlage bekennt sich KVR-Chef Böhle jedoch klar zu einer strikten Trennung der Aufgaben von KAD und Polizei. Die städtischen Mitarbeiter sollten sich als "Service- und Auskunftsdienst" verstehen, die auch Ordnungsstörungen verfolgten. Sie könnten Verwarnungen inklusive Geldstrafe und auch Platzverweise verhängen - und dazu auch die Identität der entsprechenden Personen feststellen.

Dafür dürften die KAD-Mitarbeiter im Extremfall Menschen kurz festhalten, ihre Kleider und Gepäckstücke durchsuchen und Unwillige auch zur Wache mitnehmen. Keinesfalls könnten sie aber Personen festnehmen, heißt es in der Vorlage. Auch leisteten die städtischen Kontrolleure keine Ermittlungsarbeit. Sie vollzögen lediglich städtische Verordnungen und Satzungen, bei einer Gefahr könnten sie wie jeder Mensch auf Basis des sogenannten Jedermannrechts eingreifen.

Wie der Sicherheitsdienst ausgerüstet sein soll

Bei strikten Vorgaben dürften die städtischen KAD-Streifen möglicherweise Pistolen oder Handschellen mit sich führen, schreibt das Kreisverwaltungsreferat. Dieses Ansinnen lehnt es aber strikt ab - und widerspricht damit der im Rathaus mitregierenden CSU. Deren Stadtratsfraktion hatte Schusswaffen als Ausrüstung gefordert. Dies sei weder nötig noch in der Praxis leicht umzusetzen, argumentiert das KVR. Auch von Handschellen rate man ab; diese brächten die Mitarbeiter in einem rechtlichen Grenzbereich schnell in Schwierigkeiten, bei den Aufgaben aber kaum einen zusätzlichen Nutzen.

Mit sich tragen sollten die städtischen Ordnungshüter ein Sicherheits-Spray. Von der Uniformfarbe Schwarz hält das KVR nichts, es dürfe keine Erinnerung an die in München nicht geschätzten "Schwarzen Sheriffs" aufkommen. Warum das gewünschte Blau gerade in München marinefarben ausfallen soll, hat einen praktischen Grund: Schmutz sei auf diesen Uniformen nicht so gut zu sehen.

Für ihr Konzept hat sich die Stadt auch in anderen deutschen Großstädten umgehört. Der Sicherheitsdienst in Köln habe bei etwa einer Million Einwohner 102 Mitarbeiter (mittlerweile wegen der Vorfälle in der Silvesternacht deutlich mehr), heißt es in der Vorlage. Die Kollegen in Augsburg (15 Angestellte für etwa 300 000 Einwohner) und Regensburg (9 für etwa 150 000) besuchte sogar eine Abordnung, um Erfahrungen für den Münchner Dienst zu sammeln. Dazu gingen Mitglieder der KVR-Projektgruppe am Hauptbahnhof mit Bundes- und Landespolizisten auf Streife.

In dessen Nähe soll auch das neue Quartier des KAD liegen, wofür noch Räume gesucht werden. Grundsätzlich möglich sind auch gemeinsame Touren mit der Polizei. Eine Entlastung dort sei aber wegen des KAD nicht zu erwarten, steht in der Vorlage, dazu seien die Aufgaben zu strikt voneinander getrennt. Beginnen wird der Dienst, sofern der Stadtrat die Pläne billigt, noch nicht in voller Stärke, die wird erst nach und nach aufgebaut. Schließlich müsse Personal erst gesucht und ausgebildet werden, schreibt das KVR. Dazu gehöre auch ein Selbstverteidigungskurs, und noch wichtiger, eine Schulung in Deeskalation. Die Mitarbeiter sollten Frieden und Sicherheit bringen, nicht Gewalt, so der Tenor der Vorlage.

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SZ vom 21.06.2017/axi
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