Streaming:Angemessen fatalistisch

Tagebuch eines geschlossenen Theaters, Residenztheater München

Mut zum Absurden: Nicola Mastroberardino (links) und Michael Wächter singen online. Screenshot: Quelle Residenztheater

So unterschiedlich nutzen die Theater ihre neue Bühne im Netz

Von Rita Argauer und Susanne Hermanski

Sofern sie nicht gerade einen Monolog in ihre Handykamera zum Besten geben, schließen sich für Schauspieler "soziale Isolation" und Home-Office aus, wenn sie ihrem Beruf nachgehen wollen. Dasselbe gilt für viele Angestellten in den Gewerken der Staatstheater. Eine einheitliche Regelung gab es in den vergangen Tagen des sich ständig verschärfenden Corona-Alarms dazu nicht. So wurde am Residenztheater allgemein weitergearbeitet, am Gärtnerplatztheater in den meisten Bereichen nicht. Am Residenztheater reagierten Teile der Belegschaft mit Unmut. Sie schrieben an die Intendanz und fragten, ob sie ihre aktuell "nicht systemrelevante" Arbeit aus Gründen der möglichen Ansteckung nicht besser niederlegen sollten. Die Intendanz reagierte mit einem Hinweis auf ungelöste arbeitsrechtliche Fragen.

Die anfängliche Hoffnung, man könnte mit Live-Übertragungen aus den Theatern sein Publikum doch noch erreichen und so eben doch systemrelevant wirken, hatte sich da schon zerschlagen. Das Staatsballett etwa musste die geplante Übertragung von "Schwanensee" absagen. Genauso konnte das Akademiekonzert des Staatsorchesters nur in Kammermusil-Besetzung stattfinden und übertragen werden - 100 Musiker in einen Orchestergraben zu setzen, war bereits Mitte der Woche undenkbar geworden.

Just am Residenztheater hat man nun aber einen gänzlich anderen und erfrischenden Weg gewählt. Auf Youtube wird das "Tagebuch eines geschlossenen Theaters" geführt. "Wozu weiterspielen, wenn niemand zuschaut, für den dieses Spiel Realität ist?", fragt darin etwa Thomas Lettow, während er unermüdlich ein Kartenhaus aufbaut, das nicht stehen bleiben will. Das ist ein bedrückender, aber vielleicht angemessen fatalistischer Einblick in ein Theater, das nicht mehr spielen darf. Und wenn in einer anderen Folge Nicola Mastroberardino und Michael Wächter durchs Theater streifen und in entfernter Anlehnung an zwei Pferde, Abbas "The Winner Takes It All" singen, ist das so absurd wie es klingt - und trifft die surreale Situation, die gerade Alltag geworden ist, ungemein gut.

Als die Vorstellungen abgesagt wurden, hat man mit der Produktion der kurzen Clips begonnen. "Für 50 Tage", sagt Pressesprecherin Ingrid Trobitz. Falls danach noch mehr nötig sei, würden die Schauspieler von zu Hause nachproduzieren. In diesen Stücken wird formal und inhaltlich auf die absurde Situation, in der sich das Theater nun befindet, eingegangen und nicht ein Live-Erlebnis suggeriert, dass sich im abendlichen Stream im Wohnzimmer ohnehin nicht einlösen lässt; auch wenn die kurzen Clips des Residenztheaters alles andere als ein abendfüllendes Programm bieten.

Doch dafür kann man zur Staatsoper oder zu den Münchner Kammerspielen wechseln. Dort gibt es, neben täglich wechselnden Mitschnitten, auch ein Live-Allein-Format: Am Dienstag, 24. März, um 18 Uhr, spielen die Schauspieler das Stück "Yung Faust" von Leonie Böhm - jeder bei sich Zuhause, per Kamera und Internet verbunden. Auch an der Bayerischen Staatsoper will man sich vom virtuellen Live-Moment noch nicht ganz verabschieden: Von Montag, 23. März, an gibt es nun wöchentlich die "Montagskonzerte", um 20.15 Uhr, also gleich im Anschluss an die gute alte Tagesschau. Mit Liedgesang, kammermusikalischen sowie tänzerischen Darbietungen.

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