Stream-Kritik:Trister Trash

Raststättentheater Pressefoto

Alexandra Martini, Isabel Neander und Jakob Roth sind das Münchner Raststättentheater.

(Foto: Jean-Marc Turmes)

Die Live-Zoom-Performance "Der Sanifaire Code" des Münchner Raststättentheaters

Von Sabine Leucht

Endlich ein Strohhalm: In seinem Debüt "Silicon Delphi" hat sich das Münchner Raststättentheater mit der "Katastrophen-Angstlust" beschäftigt und der individuellen Autonomie. Oder ihrem Fehlen? Mangels eigener Anschauung ist es heikel, aus der Ankündigungsprosa dieser Arbeit auf den versteckten Kern der aktuellen zu schließen. Denn in der verweist nur noch der Titel auf das, was Schwarz auf Weiß eine herrlich durchgeknallte Gaudi versprach. In "Der Sanifaire Code" sollten die Figuren einer Live-Zoom-Performance einem dieser Toiletten-Wert-Bons hinterherjagen wie Tom Hanks in "The Da Vinci Code" dem Heiligen Gral. Weil sie in einer "Und täglich grüßt das Murmeltier"- Zeitschleife stecken, aus der der Bon-Code sie befreien kann. Im Endprodukt taucht weder das Stück Papier auf, das aus ei- nem Grundbedürfnis eine Geschäftsidee macht, noch irgendeine Restkausalität. Stattdessen springen drei Performer in ihren Zoom-Fenstern alle naselang in neue Situationen. So, als hätte ein fauler Dramaturg Namen, Motive und Gegenstände aus der Dan-Brown-Verfilmung, "Lola rennt", diversen Film-noir-Klassikern und Roadmovies in einen Mixer geschmissen und die verbliebenen Brocken herausgefischt.

Captain Josh begrüßt die Zoom-Gäste vor Flugzeugtapete. Charles und Charles betreiben vor virtuellen Bildern von Pkw-Innenräumen Konzern-Namedropping und sind dabei geil und auf Droge. Umrisse verschwimmen, der Ton hallt wie Blechdose, und in privaten Zimmern sieht man ungleich besockte Füße hüpfen. Klar, das will alles bewusst trashy sein, erschöpft sich aber so rasch darin wie der Corona-Bonus beim Zuschauen. Und was originell sein will, bleibt fad: Ob nun ein abwechselnd "Scheiße" und "Fuck" murmelnder Typ einen Schlüssel sucht oder Lola mit nur 25 Euro bei einer Frau mit Häkeldeckchen auf dem Kopf aufkreuzt, die ihr Sofa für das Doppelte verkaufen wollte. Unterm Strich gibt es vielleicht zwei Tote und einige Szenen, in denen die Personen darin einander zum Echo werden. Spiegelt sich darin die verlorene Autonomie? Oder die Katastrophen-Angstlust, die uns unfrei macht? Wohl eher nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: