Süddeutsche Zeitung

Strandbar auf der Corneliusbrücke:Den Urbanauten droht das Aus

Lesezeit: 3 min

Sie wollten unbekannte öffentliche Orte beleben - nun scheitern die Urbanauten an der städtischen Bürokratie.

Michael Ruhland

Auf der schmalen Marmorsäule ruht der Bronzekopf Ludwig II., den Blick auf die Isar nach Süden gerichtet. Das Denkmal steht ziemlich verloren in der Mitte des von Silberpappeln gesäumten, mächtigen Balkons der Corneliusbrücke. Die rückwärtige Begrenzungsmauer ist voller Graffiti, in den Fugen der Balkonbrüstungen stecken Zigarettenkippen.

Der ungepflegte Aussichtsplatz mitten in der Stadt ist die meiste Zeit im Jahr ein toter Ort. In den Sommermonaten aber fläzen sich an schönen Abenden Hunderte in den Liegestühlen, graben die nackten Füße in den Sand, trinken Caipis und fühlen sich zu Salsaklängen wie im Urlaub. Der "Kulturstrand" ist Kult. Doch noch ist völlig unklar, ob es ihn in diesem Jahr geben wird. Die Stadt zögert, wie berichtet, wieder einmal das Okay hinaus, und die Urbanauten sind mit ihrer Kraft am Ende. Sie denken ans Aufhören.

Der Verkehr geht vor

Ursprünglich verfolgte der Geograph Benjamin David, der Kopf der Urbanauten, gemeinsam mit seiner Studienkollegin Ulrike Bührlen die Idee, in München den öffentlichen Raum für die Bürger wieder erlebbar zu machen. Durchaus auch mit der Absicht der Provokation. Sie wollten auf Verkehrsinseln in München Kunstprojekte organisieren, die nach einer Woche weiterziehen. Sie würden gerne den Max-Joseph-Platz vor der Oper "bespielen", die Verkehrsinsel rund um das Siegestor beleben, die Insel gegenüber dem Isartor oder die Hackerbrücke.

Aus dem Kreisverwaltungsreferat kamen nur Absagen. Haben wir noch nie so gemacht. Zu gefährlich. Der Autoverkehr geht vor.

Seit vier Jahren organisieren "Urbanauten" wenigstens den Strand auf der Corneliusbrücke. Der Ort ist der einzige von ihren etwa 120 Vorschlägen für die Belebung öffentlicher Plätze, welchen die verschiedenen Verwaltungsebenen der Stadt München überhaupt für geeignet halten. Dennoch bedarf es jedes Jahr erneut eines Genehmigungsverfahrens, das sich über Monate hinzieht. Auch für diese Saison steht die Zusage noch aus.

Inzwischen hat das Thema Kulturstrand - wie schon 2009 - den Stadtrat erreicht. Die CSU-Fraktion will den Urbanauten die Genehmigung versagen, am 11. Mai soll in einer gemeinsamen Sitzung des Kreisverwaltungs- und des Bauausschusses ein Votum gefällt werden. Eigentlich wollten die Urbanauten am 6. Mai mit dem Strandbetrieb beginnen.

40.000 Euro kostet laut Veranstalter allein der Auf- und Abbau an der Corneliusbrücke. Etwa noch mal so viel stecken die Urbanauten in das Kulturprogramm. "Das Projekt ist wirtschaftlich unglaublich knapp kalkuliert", sagt Benjamin David, der Kopf der Urbanauten. David versteht nicht, warum das kleine Projekt nun sogar den Ältestenrat beschäftigt. "Da wird von den Wichtigen und Mächtigen der Stadt etwas ausgeheckt, was uns regelmäßig an den Rand des Wahnsinns treibt", mutmaßt er. Er stellt generell in Zweifel, ob in München "solche Experimente im öffentlichen Raum überhaupt gewollt sind".

Viele Städte

Dabei gibt es durchaus Fürsprecher in der Verwaltung. "Aus Sicht des Kulturreferates stellt das Konzept, vorübergehend öffentlichen Räume durch verschiedene Aktionen 'zu besetzen', nach wie vor einen interessanten und im wesentlichen unterstützenswerten Beitrag zum Diskurs über urbanes Lebensgefühl und über Lebensqualität in der Metropole München dar", schreibt zum Beispiel das Kulturreferat in einer Stellungnahme an das Baureferat. Und das Schulreferat beteiligt sich sogar seit 2006 am Kulturstrand mit einem Angebot für Kinder und Jugendliche.

Ohne Planungssicherheit sei der Kulturstrand einfach nicht mehr zu machen, sagt David: "Das Problem ist, dass niemandem klar ist, wer eigentlich zuständig ist. Es gibt nicht die Stadt München, sondern viele Städte."

Das sieht Siegfried Benker, Fraktionschef der Grünen, nicht viel anders. "Seit Jahren laufen die Urbanauten gegen eine Gummiwand. Immer gibt es irgendwo einen Bedenkenträger - mal ist es das KVR, mal das Gartenbauamt, mal das Planungsreferat oder ein Bezirksausschuss", klagt Benker. Der Grüne findet, dass in einer Millionenstadt solche Aktionen doch möglich sein müssten.

Die Debatte geht weiter

Während auch die FDP den Urbanauten gewogen ist, sind die beiden großen Parteien skeptischer. Alexander Reissl, Fraktionssprecher der SPD, hält sich noch offen, wie er am 11. Mai im Ausschuss abstimmen wird. Er unterstellt den Urbanauten, sie hätten sich von der ursprünglichen Idee, öde, abgelegene Orte zu beleben, entfernt. "Es könnten einem auch andere Orte einfallen, die nicht einen Steinwurf vom Gärtnerplatz entfernt sind", sagt Reissl. Er will einen Vorschlag ausarbeiten, "zwei Orte hintereinander zu bespielen, damit es sich nicht an der Corneliusbrücke verfestigt".

Die CSU möchte dagegen exakt eine feste Einrichtung eines Strandes wie an der Seine in Paris - aber nicht auf der Brücke, sondern direkt an der Isar. Josef Schmid hält die Corneliusbrücke für nicht geeignet, weil sich im Stadtviertel zu viel Widerstand rege. "Beim Bezirksausschuss schlagen immer wieder Leute auf, auch der CSU-Ortsvorsitzende hat sich flehentlich an mich gewandt, den Strand dort nicht mehr zu erlauben." Grundsätzlich aber, sagt Josef Schmid, fände er es "gut und richtig, Orte zu beleben".

Die Stadt wird also weiter debattieren - möglicherweise ohne die Macher.

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Quelle:
SZ vom 26.04.2010
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