Strafprozess:Soldat soll Kameradin vergewaltigt haben

Sanitätsakademie der Bundeswehr in Mücnhen, 2012

Die Sanitäts-Akademie der Bundeswehr in Milbertshofen soll Schauplatz einer Vergewaltigung gewesen sein.

(Foto: Florian Peljak)
  • Carlos B. wird vorgeworfen, eine Kameradin in der Ernst-von-Bergmann-Kaserne vergewaltigt zu haben.
  • Sie sagt allerdings aus, dass sie sehr betrunken gewesen sei und sich an nichts erinnern könne.
  • B. gibt an, die Frau habe positiv auf ihn reagiert.
  • Am Ende des Prozesses wird B. freigesprochen.

Von Stephan Handel

Aussage gegen Aussage - das ist in den allermeisten Fällen das Problem bei Prozessen um sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung: Naturgemäß sind bei solchen Taten normalerweise nur der - mutmaßliche - Täter und das - mutmaßliche - Opfer zugegen; das Gericht hat in erster Linie die Aufgabe, Glaubwürdigkeit und Stringenz der jeweiligen Aussagen gegeneinander abzuwägen und so zu einem Urteil zu kommen. Was aber, wenn sogar die Aussage des Opfers fehlt? Wenn es zu den Vorwürfen gar nichts sagen kann, weil es sich nicht erinnert? Einen solchen Fall verhandelt derzeit die 3. Strafkammer des Landgerichts I - nach dem ersten Prozesstag lässt sich schwerlich sagen, dass irgendetwas schon deutlich klarer geworden wäre.

Es geht um einen Vorfall in der Ernst-von-Bergmann-Kaserne in Milbertshofen. Dort ist auch die Sanitäts-Akademie der Bundeswehr angesiedelt, die unter anderem Soldaten als Ersthelfer ausbildet. Seit November 2015 war dort Carlos B. stationiert, heute 30 Jahre alt, Hauptgefreiter und Unteroffizier-Anwärter. Im September 2016 soll er bei oder nach einer Feier die Mitsoldatin Barbara M., 22 Jahre alt, vergewaltigt haben, während sie schwer betrunken und widerstandsunfähig, also mehr oder weniger bewusstlos, im Bett einer Kameradin lag.

Die Schilderungen des Angeklagten werfen ein zumindest merkwürdiges Bild auf die Ausbildungseinrichtung; sein Verteidiger sagt, während seiner Dienstzeit sei die Sanitäts-Akademie bekannt gewesen als "größtes Puff der Bundeswehr". Jeden Dienstag war Cocktail-Abend, auch donnerstags wurde oft gefeiert, weil da ja praktisch schon Wochenende war. B. sagt aus, es sei nicht ungewöhnlich gewesen, dass zwei Menschen während einer solchen Feier für eine halbe Stunde verschwanden.

Am 15. September wurde rund um das Gebäude 5 gefeiert. Carlos B. sagt, ihm sei Barbara M. erst aufgefallen, als eine Kameradin ihn bat zu helfen: Sie müsse ins Bett gebracht werden. Also schleppten sie sie in den zweiten Stock auf ihre Stube und legten sie hin. Die Anklage behauptet nun, Carlos B. sei, nachdem die anderen Helfer abgezogen waren, noch einmal in das Zimmer zurückgekehrt und habe da schon versucht, die Wehrlose zu vergewaltigen. Die habe aber "Aua" gerufen, woraufhin die anderen zurückgekehrt seien.

Später musste Barbara M. in ein anderes Bett gebracht werden, weil sie eingenässt hatte. In dem anderen Zimmer nun, so die Anklage, habe Carlos B. mit der Frau Geschlechtsverkehr gehabt, was er auch eingesteht - er sagt allerdings, sie habe auf seine Annäherungsversuche positiv reagiert, so dass er davon ausgegangen sei, dass sie einverstanden sei.

So weit, so üblich für die Einlassung eines potenziellen Vergewaltigers. Dann aber tritt Barbara M. in den Zeugenstand, und es wird merkwürdig - auch ohne die Feststellung, die B.s Verteidiger zuvor getroffen hatte, es gehe nicht um eine moralische Bewertung des jeweiligen Verhaltens, sondern um dessen Strafbarkeit. Barbara M. sagt aus, sie habe neben einigen Bieren mit einem anderen Soldaten relativ schnell eine Viertel Flasche Jägermeister getrunken.

Dann könne sie sich an nichts mehr erinnern, bis sie in dem fremden Bett aufgewacht sei. Dass da ein Mann neben ihr oder auf ihr lag, will sie nicht bemerkt haben. Sie schildert die Situation also so, dass sie für eine Stunde wegen des Jägermeister-Sturztrunks komplett weggetreten war, nach dieser Stunde aber zu sich kam und kurze Zeit später wieder "voll da" war. Ob diese rasche Ernüchterung physiologisch möglich ist, das wird ein medizinischer Sachverständiger zu beurteilen haben, bei betrunkenen Autofahrern wird so etwas kategorisch ausgeschlossen.

Update: Der Angeklagte wurde freigesprochen.

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