Strafprozess:42-Jähriger soll Frau in den sicheren Tod gelockt haben

  • Ende Juli vergangenen Jahres wurde ein Mann zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er seine Frau getötet hat.
  • Nun steht ein mutmaßlicher Komplize vor Gericht: Abdulkafi S. soll den Täter unterstützt haben, indem er die 30-Jährige nach München lockte.

Von Andreas Salch

Hasnaa A. wurde nur 30 Jahre alt. Am frühen Morgen des 29. April 2016 lockte sie ihr Mann in ein Waldstück in Riem. Dort ermordete er sie mit einem Küchenmesser. Osman N. versetzte der Mutter von vier kleinen Kindern nicht weniger als 22 Stiche - unter anderem in den Hals, in die Brust, den Rücken und in den Bauch. Für die Tat wurde der 39-Jährige Ende Juli vergangenen Jahres vor dem Landgericht München I zu lebenslanger Haft verurteilt. Osman N. habe seine Frau getötet, weil sie ihn verlassen und er sich dadurch "in seiner Ehre verletzt gefühlt" habe, hieß es unter anderem in der Urteilsbegründung.

Seit Montag muss sich der mutmaßliche Komplize von Osman N., Abdulkafi S. vor der 2. Schwurgerichtskammer verantworten. Im Prozess gegen Osman N. hat er als Zeuge ausgesagt. Dabei soll er das Gericht belogen haben. Laut Anklage wurde der 42-Jährige, der mit Osman N. befreundet ist, von diesem nicht nur in das mutmaßliche Mordkomplott eingeweiht. Abdulkafi S. soll auch bereit gewesen sein, N. bei der Umsetzung eines perfiden Plans zu unterstützten.

Osman N. war wegen des Krieges in Syrien mit seiner Familie in die Türkei geflüchtet. Er wollte weiter nach Deutschland. Seine Frau Hasnaa A. war jedoch dagegen. Im Januar 2016 kam Osman N. mit seinem inzwischen neun Jahre alten Sohn Esat (Name von der Redaktion geändert) in die Bundesrepublik. Als Hasnaa A. davon erfuhr, folgte sie ihrem Mann mit den drei anderen Kindern. Osman N. lebte in einer Asylbewerberunterkunft in München. Seine Frau kam in eine Unterkunft in Eisenhüttenstadt. Sie hatte sich inzwischen in einen anderen Mann verliebt. Am Telefon bat sie Osman N. deshalb um die Scheidung. Dreimal sagte der 39-Jährige zu ihr: "Du bist geschieden." Nach islamischen Recht war die Ehe damit aufgelöst.

Doch Osman N. soll Hasnaa A. laut Anklage weiterhin als "sein Eigentum" betrachtet haben. "Aus einem völlig falsch verstandenen Ehrgefühl heraus" habe er weder die Trennung noch deren neue Beziehung zu einem anderen Mann akzeptiert. Aus Wut soll er den Plan gefasst haben, Hasnaa A. nach München zu locken und zu töten, sollte sie nicht zu ihm zurückkehren. Abdulkafi S. sollte ihm dabei helfen. Hasnaa A. kannte den 42-Jährigen und vertraute ihm, obwohl sie wusste, dass er und Osman N. befreundet sind.

Abdulkafi S. lebte vor seiner Verhaftung in Rheinsberg, in Brandenburg. Den Ermittlungen zufolge sollen die beiden vor dem Mord an Hasnaa A. stundenlang miteinander telefoniert haben. Bei einem der Telefonate soll Osman N. seinen Freund gefragt haben, ob er berechtigt sei, seine Frau zu töten. Abdulkafi S. soll die Frage ohne zu zögern mit Ja beantwortet haben. Osman N. soll über die Antwort erleichtert gewesen sein. Auf WhatsApp habe er S. geschrieben, er spüre nun in "seinem Inneren eine Beruhigung." Abdulkafi S. antwortete laut Anklageschrift mit den Worten: "Das Gefühl ist eins, unser Herz ist eins, unsere Hände sind eins, und so Gott will RUINIERE!"

Um Hasnaa A. dazu zu bringen, nach München zu kommen, soll er ihr vorgetäuscht haben, Esat sei mit dem Fahrrad schwer verunglückt und befinde sich in einem Krankenhaus. Doch Hasnaa A. zögerte mit der Fahrt nach München. Abdulkafi S. soll in dieser Situation auf sie eingeredet haben, obwohl er bereits genau gewusst habe, dass ein Treffen mit Osman N. für die 30-Jährige den sicheren Tod bedeutet.

Mitte April meldete sich Hasnaa A. doch bei ihm. Bei dem Gespräch soll er den Eindruck erweckt haben, als liege Esat im Sterben. Am Abend des 28. April fuhr Hasnaa A. mit einem Bus nach München. Als sie tags darauf gegen 6.15 Uhr am Zentralen Omnibusbahnhof ankam, empfing sie Osman N. Er soll so getan haben, als wolle er mit ihr in die Klinik zu ihrem Sohn fahren. Tatsächlich aber lockte er die 30-Jährige in ein Waldstück in Riem, in dem er sie tötete.

Abdulkafi S. bestritt zum Auftakt der Verhandlung die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in einer Erklärung, die sein Verteidiger, Rechtsanwalt Burkhart Person verlas. Er habe den Verdacht, Osman N. habe sein Handy benutzt, um Hasnaa A. damit Nachrichten zu schicken, so S. Er habe gewusst, dass Hasnaa A. nach München fahre, sei aber davon ausgegangen, dass sie sich mit Osman N. versöhnen könnte. Dass sein Freund die 30-Jährige womöglich schlägt, sollte sie nicht zurückkehren, damit habe er gerechnet, räumt Abdulkafi S. ein. Aber töten? Nein, das hätte er nie gedacht. Einem Gerichtspsychiater hatte der 42-Jährige in der Haft erzählt, dass in Syrien manche Stämme es als Verrat ansehen, wenn eine verheiratete Frau ihren Mann verlässt und wieder heiratet. Er aber, so versicherte Abdulkafi S. dem Forensiker, gehöre keinem dieser Stämme an. Der Prozess dauert an.

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