Stimmkreis München-Pasing:"Eine unanständige Kampagne"

Beispiel Oberpfaffenhofen: CSU-Chef Otmar Bernhard streitet nicht immer sanft mit Florian Ritter (SPD).

Berthold Neff

Die "CSU-Wahlschlappe" liegt zum Greifen nah - zumindest auf dem SPD-Infotisch und grammatikalisch nicht ganz korrekt. Schlappen sind zu haben in den Größen 38 bis 44. Würde die SPD nach einem halben Jahrhundert Opposition solche Werte erreichen, wäre der Machtwechsel da, aber das scheint hier im Münchner Westen illusorisch.

Stimmkreis München-Pasing: Florian Ritter (SPD) auf Stimmenfang am Laimer Bahnhof.

Florian Ritter (SPD) auf Stimmenfang am Laimer Bahnhof.

(Foto: Fotos: Andreas Heddergott und Alessandra Schellnegger)

Florian Ritter, der es als Kandidat der SPD in Münchens schwärzestem Stimmkreis mit Bayerns Regierungspartei aufnimmt, spricht dennoch unverdrossen jeden an, der am SPD-Infostand an der Fürstenrieder Straße im Laimer Zentrum vorübergeht. "Darf ich mich bei Ihnen persönlich vorstellen", sagt er immer wieder, und wenn die Passanten doch lieber schnell zum "Rewe" eilen, um ihren Sonntagsbraten einzukaufen, wünscht er ihnen trotzdem einen schönen Tag.

Genau genommen steht der 46 Jahre alte Sozialdemokrat, den es hier im Schatten leicht frösteln muss, auf der falschen Seite, nämlich im Stimmkreis Moosach. Der CSU-Abgeordnete Otmar Bernhard hingegen, der in Pasing vor fünf Jahren mit 53,3 Prozent siegte, steht an diesem Wahlkampf-Samstag richtig - und zudem auf der Sonnenseite. Die Septembersonne wärmt Bernhard, seit knapp einem Jahr Umweltminister, und seine Helfer, während sie schräg gegenüber von Florian Ritter Prospekte verteilen.

Aber es ist nicht nur die Verkehrsschneise Fürstenrieder Straße, die den 61 Jahre alten CSU-Minister und seinen um 15 Jahre jüngeren SPD-Herausforderer trennt. Man kennt sich, man grüßt sich, aber zu einem direkten Aufeinandertreffen ist es im Wahlkampf nicht gekommen. Es gibt auch sonst kaum Berührungspunkte zwischen den beiden Politikern, die bei der vorigen Landtagswahl 25,1 Prozentpunkte trennten - das ist mehr, als der SPD Umfragen zufolge bayernweit an Prozenten zugetraut wird.

Der Retter und der Ritter

Dabei hätte einer wie Otmar Bernhard, der hier in Laim aufgewachsen ist, durchaus bei der SPD landen können. Der Vater war Beamter bei der Bahn, die Mutter Buchhalterin. Otmar, ihr einziges Kind, schicken sie aufs Gymnasium in die Klosterschule Schäftlarn, er macht sein Abitur dann am Ludwigsgymnasium an eben dieser Fürstenrieder Straße.

Es dauert relativ lang, bis der Jura- Student Bernhard in die CSU eintritt. 1970, die sozialliberale Koalition in Bonn feiert gerade den ersten Geburtstag, ist es soweit. Nach der Promotion fängt er im staatlichen höheren Verwaltungsdienst an. Von 1979 an hält er Peter Schmidhuber, Minister für Bundesangelegenheiten und Europafragen, als Büroleiter den Rücken frei und wechselt 1989 als Ministerialrat ins Finanzministerium. Da ist schon klar, dass er bei der Landtagswahl 1990 antreten wird - im Westen, dem Stimmkreis seines langjährigen Chefs Schmidhuber.

Was Otmar Bernhard damals im Wahlkampf forderte, ist auch heute noch aktuell - etwa der Ruf nach dem Weiterbau der U5 vom Laimer Platz nach Pasing. Es ist auch dabei geblieben, dass der Westen ziemlich schwarz ist. Bernhard fuhr hier seit 1990 stets Spitzenwerte für die CSU ein, erreichte 2003 stolze 53,3 Prozent der Erststimmen.

Und er wurde dafür belohnt. Als die Münchner CSU nach dem Desaster mit der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier darniederlag, erhielt Bernhard Mitte 2004 vom damaligen CSU-Chef Edmund Stoiber den Auftrag zum Aufräumen. Das Kommandounternehmen gelang so gut, dass Bernhard für Höheres gehandelt und im Herbst 2007 zum Minister für Umwelt, Verbraucherschutz und Gesundheit ernannt wurde. Das ist der Job, den er auch in der neuen Regierung anstrebt. "Ich würde es gerne weitermachen", sagt Bernhard, "denn in diesem knappen Jahr habe ich einiges erreicht."

Dazu zählt Bernhard auch etwas, was sein Herausforderer Florian Ritter ganz anders sieht - die Genehmigung für den Betrieb des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen. "Wir haben ihm die Flügel gestutzt", sagt Bernhard. Gegner wie die grüne Landeschefin Theresa Schopper nennen ihn spöttisch, aber nicht ohne Anerkennung schon den "Retter des Münchner Westens".

"Eine unanständige Kampagne"

Bernhard sah sich aber genötigt, seine Position gleich in zwei Hauswurfsendungen im ganzen Stimmkreis zu verteidigen.Die SPD hatte nämlich dem Münchner Westen einen gehörigen Schrecken vor einem "neuen Riem" eingejagt. Bernhard sagt, die SPD habe "eine schmutzige, unanständige Kampagne" betrieben und wahrheitswidrig vor bis zu 190.000 Flügen gewarnt, die über den Münchner Westen donnern würden.

Das greift Bernhard auch bei seinem Bierzelt-Auftritt an seinem Wohnort Aubing auf. Ministerpräsident Günther Beckstein assistiert ihm, während draußen die von der SPD mobilisierten Demonstranten mit Trillerpfeifen gegen den Flugbetrieb vor den Toren der Stadt protestieren. Bernhard, der im persönlichen Gespräch auch mit politischen Gegnern stets verbindlich bleibt, wird bei solchen Auftritten vor großem Publikum richtig bissig. Das war schon im Kommunalwahlkampf so, da agierte er stets aggressiver als etwa Josef Schmid, sein politischer Ziehsohn und Hoffnung der CSU auf einen Machtwechsel im Rathaus.

Einem Mann wie Florian Ritter lägen solche Auftritte weniger, so dass es sich gut trifft, dass die SPD im Westen große Bierzelt-Auftritte nicht eingeplant hat. Dabei wäre Ritter durchaus einer, der austeilen kann. Die Kampagne der SPD, die mit Plakaten wie "CSU bringt München den Mega-Airport" wohl etwas übertrieben hat, findet er ganz in Ordnung. Schließlich, so Ritter, sei "für jeden sonnenklar, dass ein solcher Regionalflughafen erst ab zwei Millionen Passagieren gewinnträchtig betrieben werden kann".

"Papa ist nicht da"

Im Landtag hat Ritter schon mit weitaus größeren Projekten zu tun gehabt. Zuletzt koordinierte er für die SPD höchst erfolgreich die Vorbereitungen für das Anti-Transrapid-Volksbegehren. Damit kann er nunmehr, nach dem Aus für die Schwebebahn, nicht mehr punkten. Er greift, sieht man vom Flughafen Oberpfaffenhofen ab, jene Themen auf, die von der SPD bayernweit gesetzt werden: Er will den Mindestlohn per Gesetz vorschreiben, die Bildung verbessern und die Bürgerrechte nicht zuletzt durch einen rigiden Datenschutz sichern.

Für sich persönlich hofft er auf einen "deutlichen Zugewinn" im Vergleich zu 2003, als er hier die drittgeringsten SPD-Verluste einfuhr. Hoffnung schöpft er auch daraus, dass die CSU ihre Herrschaft in den Bezirksausschüssen Pasing und Aubing im Frühjahr an Rot-Grün verlor.

Der gebürtige Münchner trat der SPD 1982 bei, als in Bonn Helmut Kohl zu regieren begann. Als gelernter EDV-Kaufmann machte sich Ritter 1997 mit einer eigenen Werbeagentur selbständig und ließ seine Partei früh von seiner beruflichen Erfahrung profitieren. 1999 leitete er die Internetkampagne für Christian Ude bei der OB-Wahl, bei der Bundestagswahl 2002 unterstützte er als Wahlkampfleiterin die SPD-Kandidatin Stephanie Jung - inzwischen seine Frau.

"Papa nicht da" ist mittlerweile der häufigste Satz, den Sohn Max, zweieinhalb, derzeit spricht. "Das tut mir in der Seele weh", sagt Florian Ritter, der auch noch versuchen muss, für seine zwei Kinder aus erster Ehe da zu sein. Seine Tochter Paula, 12, hat zu Ritters Wahlkampagne das Plakat geliefert, eine Zeichnung mit Rüstung und Lanze und dem Motto "Ein Ritter für den Landtag". Es gehe für ihn auch darum, mit einem Budget von 10.000 Euro auszukommen, sagt Ritter, der in Bernhards Wahlkampfkasse weitaus mehr Geld vermutet.

Bernhard nennt zwar keine Zahlen, dürfte aber - schon angesichts seiner Bürgerbriefe - tatsächlich viel mehr ausgeben. Für Aufsehen sorgte der Minister mit einem etwas ausgefallenen Plakat, einer treffenden Karikatur seiner selbst. "Damit wollte ich zeigen, dass man sich nicht immer so wichtig nehmen soll", sagt er. Trotz seines Vorsprungs nimmt er die Wahl ernst. Er steht, auch wenn der Terminplan von Amts wegen dicht gedrängt ist, durchaus morgens um sechs an der S-Bahn, um seine Botschaften an die Wähler zu bringen.

Die lautet vor allem so, dass in Bayern dank der CSU fast alles bestens ist, dass mit der SPD alles schlechter würde und dass nur die CSU es schaffen kann, die gute Position Bayerns zu halten. Falls es ihm gelingt, ähnlich viele Wähler wie 2003 davon zu überzeugen, dürfte er das von der CSU beschworene "50 plusx" locker erreichen - in einer sonst rot dominierten Großstadt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: