Stimmen von Weggefährten:"Der Sepp war der Sepp, der hat keinen Nachnamen gebraucht"

Schlitzohrig, passioniert, kraftvoll, gradheraus - Schauspieler, Regisseure und Produzenten erinnern sich

Von Michael Bremmer, Philipp Crone, Gerhard Fischer, Susanne Hermanski, Theresa Parstorfer, dpa

Herzenswunsch

Als Kinder, so ist es auf Fotos zu sehen, waren die drei Töchter von Joseph Vilsmaier immer mal wieder am Set, Janina Vilsmaier, Theresa Vilsmaier und Josefina Vilsmaier. Und als der Regisseur am Dienstag im Alter von 81 Jahren in München gestorben ist, waren die drei Schauspielerinnen ebenfalls bei ihm. Ihr Vater konnte "auf ein glückliches Leben und ein außergewöhnliches Lebenswerk" zurückblicken, lassen sie mitteilen. "Auch sein großer Herzenswunsch, die Regiearbeit an seinem letzten Kinofilm ,Der Boandlkramer und die ewige Liebe' abzuschließen, ging in Erfüllung."

Großes Herz

Ein Foto von den Dreharbeiten für den Film "Der Boandlkramer und die ewige Liebe": Schauspieler Michael Bully Herbig, verkleidet als der Tod, umarmt Regisseur Joseph Vilsmaier, warm eingepackt in Wollmütze und gestreiften Schal. Im Herbst wird der Film ins Kino kommen, die letzte Arbeit von Vilsmaier. Dieses Foto vom Dreh hat der Schauspieler am Mittwoch bei Instagram gepostet: "Joseph, mein lieber Freund", hat Herbig dazugeschrieben, "ich werde Dich so sehr vermissen! Dein mitreißendes Lachen, Dein herrliches Schimpfen, Deine einzigartigen Geschichten, Deine schier endlose Energie, Deine Spitzbübigkeit, Dein großes Herz, einfach Alles! Dieser Abschied tut unglaublich weh, Dein Bully."

Der Sepp

Franz Xaver Bogner erinnert sich gerne an Joseph Vilsmaier: "Der Sepp war der Sepp, der hat eigentlich keinen Nachnamen gebraucht. Und das muss man sich in dieser Branche erst mal verdienen. Der Sepp war originell und originär, schlitzohrig und gerissen, das Gegenteil von stromlinienförmig. Es ist einfach nur schlimm, wenn solche Originale nicht mehr da sind", sagt er.

Liebe auf den ersten Blick

Markus Zimmer, Geschäftsführer der Bavaria Filmstudios, hat Vilsmaier vor ungefähr 20 Jahren kennengelernt. "Damals war ich noch Produzent bei Concorde und ich muss sagen, als ich den Joseph zum ersten Mal getroffen habe, war das ein bisschen wie Liebe auf den ersten Blick." Zimmer produzierte Filme wie "Bergkristall" und "Die Geschichte vom Brandner Kaspar". Er sagt über die Arbeit mit Vilsmaier: "Er war so ein passionierter Kinomann und weil er ja auch Kamera gemacht hatte, wusste er immer genau, welche Einstellungen er haben wollte, hatte die Bilder immer schon vorher im Kopf und war sich der Bildwirkung genau bewusst."

Klassiker

Im vergangenen Oktober haben Dorothee Erpenstein, Geschäftsführerin des Film-Fernseh-Fonds (FFF) Bayern, und Vilsmaier noch für ein gemeinsames Foto posiert. Es liefen gerade die Dreharbeiten für den Kinofilm "Der Boandlkramer und die ewige Liebe", den der FFF mit 900 000 Euro förderte. "Joseph Vilsmaier gehörte zu den ganz großen Filmemachern in Deutschland", erklärt Erpenstein. Er habe bayerische Lebenskunst in seinen Filmen ausgedrückt und mit Kinofilmen wie "Comedian Harmonists" und "Marlene" Denkmäler gesetzt und "Klassiker geschaffen". Vilsmaier, so sagt Erpenstein, sei ein "unverzichtbarer Teil" der bayerischen Filmbranche gewesen, Vorbild und Ansprechpartner für viele junge Filmemacher und Filmemacherinnen. "Seine Filme bleiben, seine Präsenz wird uns fehlen."

Wie zwei Lausbuben

Der Schauspieler Helmfried von Lüttichau ("Hubert und Staller") hat Vilsmaier vor zwei Wochen getroffen - bei Dreharbeiten zu "Der Boandlkramer und die ewige Liebe"; Lüttichau spielt darin einen Nebenbuhler von Sebastian Bezzel. "Vilsmaier war körperlich offensichtlich nicht so gut beieinander", erinnert sich Lüttichau, "ganz im Gegensatz dazu standen die Freude, Energie und Wärme, die er ausgestrahlt hat." Vilsmaier und Bully Herbig seien am Set "wie zwei Lausbuben" gewesen.

Bayerisches Original

Die Kabarettistin Monika Gruber führte als Sprecherin und Spaßmacherin durch den Film "Bayern - Sagenhaft". Sie lässt über ihre Agentur schriftlich ausrichten, dass "der Sepp eines der immer weniger werdenden bayerischen Originale" gewesen sei: "kraftvoll und gradheraus in seiner Sprache, leidenschaftlich und begeisterungsfähig in seiner Arbeit, manchmal etwas raubeinig, aber auch unglaublich sanftmütig." Er sei ein liebender Ehemann gewesen und ein Vater, der seine drei Töchter vergöttert habe. "Er war stark in Bayern, in München verwurzelt, hat aber auch die halbe Welt gesehen", so Gruber, "und immer wenn er Geschichten von seinen Auslandsdrehs erzählt hat, kam sofort der Nachsatz: Schee war's, aber an der Isar is scheena!" Vilsmaier sei unglaublich gesellig gewesen, er habe die Menschen - vor allem die Bauern - sehr gemocht. "Die Art, wie er die Augen zusammenzwickte, wenn man ihn zum Lachen (es war eigentlich mehr ein sanftes Glucksen) brachte, wird mir für immer fehlen."

Mutige Stimme

Bettina Reitz, Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film München, kannte Joseph Vilsmaier schon aus ihrer Zeit beim Bayerischen Rundfunk. "Vilsmaier war in seiner filmischen Tonalität einzigartig und hat den Heimatfilm in besonderer kraftvoller Weise modern gemacht", erklärt sie. Übrigens nicht nur als Regisseur, sondern als Multi-Talent. "Er hatte ein großes Vertrauen in sein eigenes Können und in das seiner Teams. Und mit seiner direkten Art war Vilsmaier immer auch ein Unterstützer junger Talente", sagt sie. So weiß Reitz, dass Vilsmaier zahlreichen Absolventen der HFF München "bei deren Projekten mit Rat und Tat zur Seite stand". Reitz erinnert sich gerne an intensive Filmgespräche mit Joseph Vilsmaier, "seine starke, mutige, bayerische Stimme wird der Filmbranche künftig fehlen", sagt sie.

Nachhaltig beeindruckt

"Ich habe ich mich immer geehrt gefühlt, wenn ich ihn bei Filmpremieren oder Filmveranstaltungen auf dem Filmfest München begrüßen durfte", sagt Diana Iljine, Festivaldirektorin des Filmfest München, über Regisseur Joseph Vilsmaier, den sie als "bayerisches Urgestein der Münchner Filmszene" bezeichnet. "Insbesondere ,Herbstmilch' hat mich damals tief und nachhaltig beeindruckt", erklärt sie.

Tiefe Verbindung

Schauspieler Ben Becker, der Hauptrollen in "Schlafes Bruder" wie auch in "Comedian Harmonists" spielte, wurde am Mittwochmorgen von der Nachricht von Vilsmaiers Tod geweckt. "So was haut einen natürlich aus der Bahn", sagt Becker. "Ich hätte gerne auf Wiedersehen gesagt und gute Reise." Er habe mit vielen großartigen Leuten zusammengearbeitet, aber selten habe er so viel Freude empfunden wie mit Joseph Vilsmaier, sagt Becker. "Mit dem Sepp, das war so eine Verbindung, die sehr viel tiefer geht als nur die Arbeit zwischen Schauspieler und Regisseur. Es gibt manchmal im Leben so Verbindungen, die so besonders sind, aber man weiß gar nicht, wo die herkommen."

Freigeist

Hans-Jürgen Buchner hat die Filmmusik für die Vilsmaier-Filme "Bavaria - Traumreise durch Bayern" und "Bayern - Sagenhaft" komponiert. Buchner sagt, er werde einen "undünkelhaften Filmregisseur und Freund vermissen". Sie hätten viel Freizeit miteinander verbracht, Vilsmaier habe ihn, Buchner, auch in seinem Heimatort Haindling besucht. "Er war ein lustiger Mensch, der auch schee schimpfen konnte." Schee, also schön, im Sinne von originell. Vilsmaier sei ein echter Niederbayer gewesen, der auch bei Premieren seine Sprache "nicht verschönt" habe. Seine Arbeitsweise sei ungewöhnlich gewesen. "Normalerweise zeigt man einem Regisseur den Rohschnitt der Musik und der sagt, was er anders haben will", erzählt Buchner, "Vilsmaier hat zu mir gesagt: Mach du nur, du wirst es schon wissen." Als Joseph Vilsmaier für den Bavaria-Film mit dem Helikopter über Bayern geflogen sei, habe er auch Haindling passiert. "Da habe ich mir einen roten Anzug angezogen, damit er mich von oben auch sieht." Buchners Bandkollege bei Haindling, Reinhold Hoffmann, sagt, Vilsmaier habe "andere Filme" gemacht und sich von den Sendern nichts diktieren lassen. "Diese Unabhängigkeit - das war der Sepp", sagt Hoffmann, "das werde ich vermissen. Leute wie ihn gibt es in diesem Business viel zu wenige."

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