Stimmen nach der Wahl:Ein schwacher Trost

Es kam schlimm für die CSU - aber sie schöpft Mut daraus, dass sie sieben von acht Stimmkreise gewonnen hat.

Jan Bielicki und Berthold Neff

Es gibt Christsoziale, die sehen in der Nacht der Niederlage richtig glücklich aus. "Der Blutdruck ist wieder da", meldet Ludwig Spaenle und strahlt.

Stimmen nach der Wahl: Roland Hoffmann, CSU, verlor in Milbertshofen gegen Franz Maget.

Roland Hoffmann, CSU, verlor in Milbertshofen gegen Franz Maget.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Der Abgeordnete kommt zur Auswertung ins Kreisverwaltungsreferat, als sich gerade abzeichnet, dass er seinen Stimmkreis wohl doch noch gewinnen könnte. "Das sah am Anfang noch ganz anders aus, da sah auch ich noch ganz anders aus", kann er nun schon wieder scherzen.

Anfangs wirkte es in der Tat so aus, als könnte das Wahldesaster der Landes-CSU sich für die Münchner Christsozialen und für Spaenle ganz persönlich zu einer politischen Katastrophe ausweiten. Die ersten Ergebnisse, die aus den Wahllokalen eintrudelten, sahen die SPD-Direktkandidaten fast flächendeckend vorne, und Spaenle konnte sich ausrechnen, dass sein stolzer Vorsprung von 12,5 Prozentpunkten, den er 2003 in Schwabing herausgeholt hatte, nicht reichen könnte, wenn seine Partei flächendeckend 16 Prozentpunkte und mehr verliert.

Als die ersten landesweiten Prognosen über die Bildschirmwand flackern, hat sich aus der CSU nur Roland Hoffmann, der Kandidat aus Milbertshofen, hierher gewagt. "Ein solche Enttäuschung!", sagt er und zuckt mit den Schultern. Hoffmann hatte nichts zu verlieren an diesem Abend, denn dass er den Stimmkreis Milbertshofen gegen den SPD-Spitzenkandidaten Franz Maget würde halten können, hatte ohnehin niemand erwartet. Dass aber die Christsozialen so stark einbrechen würden, auch nicht.

"Wir waren nicht optimal aufgestellt"

Auch in München verliert die CSU so stark wie im Land, und plötzlich wird es für sie in Stimmkreisen knapp, die eigentlich als sicher galten. Thomas Zimmermann ist der zweite CSU-Abgeordnete, der sich unter die Journalisten mischt, und da ist es noch gar nicht klar, dass er in Bogenhausen gewinnen wird.

Später kann er den Arm um seinen FDP-Konkurrenten Otto Bertermann legen, einen Arztkollegen und alten Freund: "Hätte ich nie gedacht, dass du mir so viele Stimmen abnimmst", scherzt er - erleichtert, denn er liegt vorne, und auch seine Parteifreunde in sieben von acht Stimmkreisen scheinen es in den Landtag zu schaffen, manche klar wie Markus Blume im Osten, manche knapp wie Andreas Lorenz im Süden.

Während Lorenz die Ergebnisse zu Hause am Computer verfolgt, haben sich Blume und seine Wahlhelfer um ein paar Notebooks geschart. "Der Münchner Osten hat sich trotz aller Schwierigkeiten als die schwarze Hochburg erwiesen", zeigt sich Blume "zufrieden über mein persönliches Ergebnis".

Allerdings "sehr enttäuscht" ist er über die eigene Partei im Land: Es habe wohl "am Spitzenpersonal" gelegen, dass "wir mit unseren Themen nicht identifiziert wurden", sagt er, "wir waren nicht optimal aufgestellt."

Ein schwacher Trost

Ähnlich drückt es Zimmermann aus: "Unser Spitzenpersonal stand bei den Leuten schwer unter Kritik." Für Joachim Unterländer, den Abgeordneten aus dem Münchner Norden, müssen jedoch "nicht nur die Personen, sondern auch die Ursachen ganz genau analysiert werden".

Am Ende saugen die Münchner Christsozialen doch noch Trost aus den Münchner Zahlen. Erstens liegen sie stadtweit doch noch vor der SPD, um drei Prozentpunkte. Zweitens haben sie sieben von acht Stimmkreisen verteidigt - "und das ist das Wichtigste", sagte Spaenle, "wir Münchner werden damit in einer kleineren Landtagsfraktion mehr Einfluss haben." Dass er selbst dabei sein wird, liegt an genau 580 Stimmen, die er vor seiner SPD-Konkurrentin Isabell Zacharias liegt: "Dafür", ächzt er, "empfinde ich tiefe Dankbarkeit."

Als die Abendsonne die Maximilianstraße dort unten in ein mildes Rot taucht, ist hier oben im Landtag auch die letzte Hoffnung der CSU geschwunden. "Das habe ich nicht einmal in meinen schlimmsten Alpträumen erwartet", sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer.

Er kennt sich aus. Bei der letzten Bundestagswahl war er der einzige CSU-Kandidat in ganz Bayern, der seinen Wahlkreis einem SPD-Herausforderer überlassen musste.

Otmar Bernhard, Umweltminister und Münchner CSU-Chef, kommt spät ins Maximilianeum. Es hat gedauert, bis er dieses "bittere Ergebnis" einigermaßen verkraftet hat.

Selbst er, der im Münchner Westen unantastbar schien, hat in Pasing dramatisch hoch verloren, und er sieht das einzig Positive darin, dass die CSU sieben von acht Direktmandaten halten konnte: "Nun müssen wir genau überlegen, woran das gelegen hat, und dann neu anfangen."

"Echt bedient"

Dieser Meinung sind viele namhafte Vertreter der CSU. Peter Hausmann, der künftige Chefredakteur der CSU-Zeitung Bayernkurier, der selber als Wahlkämpfer an den Infoständen unterwegs war, ist "echt bedient".

Er hatte "nicht das Gefühl, dass die Stimmung so ist wie jetzt dieses Ergebnis." Das einzige Positive, das er aus diesem Abend ziehen kann, ist die Tatsache, dass er den nun fälligen Leitartikel nicht schreiben muss, weil er sein Amt erst im November antritt.

All die anderen aber, die jetzt - noch - in der Verantwortung stehen, haben schwere Zeiten vor sich. "Wir dürfen zwei Fehler nicht machen", sagt Singhammer, "nämlich zur Tagesordnung übergehen und uns auf Schuldzuweisungen verlegen." Er sagt, dass die CSU nun "intern analysieren" müsse, woran es gelegen hat, "dass wir als CSU es nicht geschafft haben, die Menschen von unseren Erfolgen zu überzeugen", wie es der Laimer Ortschef Hausmann formuliert.

So wie die Dinge liegen, ist es aber möglich, dass Georg Eisenreich, der aufstrebende Landtagsabgeordnete aus dem Stimmkreis Altstadt-Hadern, im Landtag im Zimmer 423 einquartiert, aus dem benachbarten Zimmer mit der Nummer 421 bald was zu hören bekommt - das gehört (möglicherweise muss man demnächst sagen: gehörte) der CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer.

Eisenreich selber ist an diesem Abend unauffindbar, von den Münchner CSU-Landtagsabgeordneten traut sich nur Otmar Bernhard ins Maximilianeum. Wenn man mal von Joachim Haedke absieht, dem Noch-Abgeordneten, der auf eine erneute Kandidatur verzichtete, weil er in die CSU-Wahlfälscheraffäre im Münchner Osten verwickelt war, die letzten Endes auch zum Rücktritt der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier führte. "Das ist ein Fiasko", sagt Haedke, "das ist schlimm und traurig."

Schlimm und traurig wird es auch für Monika Hohlmeier, die im Auftrag von Edmund Stoiber die Münchner CSU befrieden sollte und in Schimpf und Schande davongejagt wurde. So wie es aussieht an diesem Abend, wird sie es, aus ihrem Wohnort Vaterstetten, über die Liste nicht in den Landtag schaffen. Am kommenden Donnerstag wird sie ihr Buch "Meine mageren Jahre sind vorbei" vorstellen. Die der CSU kommen noch.

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