Stimmbezirk München-Moosach:"Ich wähle meine Mama"

Der CSU hilft Rüttgers, Genossin Diana Stachowitz ihre Tochter. Sie hat kaum Chancen gegen Joachim Unterländer - will sie aber nützen.

Sven Loerzer

Das rote Kristallherz im Dekolleté leuchtet im Abendlicht, als sich Diana Stachowitz über den Tisch zu zwei älteren Männern im Biergarten des Alten Wirts in Moosach beugt. "Ich habe Ihr Bild an der Bushaltestelle gesehen", sagt einer der beiden. Die SPD-Stadträtin drückt ihm erfreut "ein bisschen mehr an Informationen in die Hand" und stattet ihn mit einem knallroten Bierdeckel aus, mit der Aufschrift "Diana direkt - Für unser München in den Landtag".

Stimmbezirk München-Moosach: Wählerwerbung mit Bierdeckeln betreibt Diana Stachowitz (SPD) im Biergarten Fasanerie.

Wählerwerbung mit Bierdeckeln betreibt Diana Stachowitz (SPD) im Biergarten Fasanerie.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Die Farbe Rot versteckt Diana Stachowitz nicht, für die rotgefärbte 45-Jährige ist das mehr als eine Modefarbe. "Ich stehe ganz klar zur SPD. Die SPD ist eine linke Volkspartei, die für soziale Gerechtigkeit eintritt", sagt die sport- und bildungspolitische Sprecherin der Stadtratsfraktion. Sie ist froh, dass die Personalfragen in der Bundes-SPD geklärt sind.

Die Linkspartei würdigt sie keines Wortes, sagt nur: "Wer das Paradies auf Erden verspricht, ist ein Rattenfänger." Sich selbst will sie keinem Parteiflügel zuordnen lassen. Mit ihrem Kampf für soziale Gerechtigkeit - und für Korrekturen bei Hartz IV - vertrete sie eine eher linke Position, "aber ich gehe trotzdem in die Kirche und bin gläubig", sagt die alleinerziehende Mutter zweier Kinder im Alter von 16 und 18 Jahren.

"Wunderbare Kindheit ohne Konsum"

Obwohl Diana Stachowitz für ihre Biergarten-Tour ein fesches Dirndl angelegt hat, lässt sich auch nach fast 19 Jahren in München nicht ganz verbergen, dass sie aus dem Norden kommt. Geboren in Zeven, aufgewachsen in Ratzeburg - sie stammt aus "eher schlichten Verhältnissen".

Diana Stachowitz verbringt eine "wunderbare Kindheit ohne Konsum", aber mit allen Freiheiten des Lebens auf dem Land. "Ich wollte immer Erzieherin werden, es war mein Traumberuf, mit Kindern zu spielen." Nach dementsprechender Ausbildung macht sie das Fachabitur nach, "weil ich erkannt habe, dass man vom Erzieherberuf nicht groß leben kann".

Ein Grund auch, sich gewerkschaftlich zu engagieren bei der GEW, um dann, vor fast 20 Jahren, in die SPD einzutreten.Stachowitz hatte in einem evangelischen Kindergarten in Traunreut gearbeitet, bevor sie sich als Autorin und Beraterin im Erziehungsbereich selbständig machte. 1996 holte sie der Abgeordnete und bayerische DGB-Vorsitzende Fritz Schösser erst in sein Landtags- und zwei Jahre später in sein Bundestagsbüro. "Ich habe wirklich viel von ihm gelernt", sagt Stachowitz.

Karatekämpferin betreibt Bildungspolitik

Der Wille, "etwas zu bewegen und zu verändern", hatte die Erzieherin in den Bezirksausschuss geführt. Als "konsequente Weiterentwicklung" sieht sie ihren Einzug in den Stadtrat im Jahr 2002. Dort verbindet sie ihr berufliches Wissen mit gewerkschaftlichem Engagement und betreibt ebenso fleißig wie hartnäckig Bildungspolitik. Dazu kommt die Sportpolitik, ein Feld, das die Karatekämpferin mit ähnlicher Hingabe beackert.

In beiden Bereichen stellt der Freistaat wichtige Weichen, deswegen zieht es Stachowitz jetzt in den Landtag. "Ich will die Rahmenbedingungen verändern, damit die Kommune das machen kann, was die Menschen brauchen." Ihr Kampf gegen das dreigliedrige Schulsystem bedarf eines langen Atems. "Kinder aus bildungsfernen Schichten brauchen mehr Unterstützung", sagt sie und plädiert für Ganztagsschulen und Elternarbeit. In die Schulklassen gehörte längst nicht mehr nur ein Lehrer, sondern auch andere Berufe, um Schulen zu einem "Lebens- und Bildungsraum für Kinder zu machen". Zieht sie in den Landtag, gibt sie ihr Stadtratsmandat auf.

Das Direktmandat im Stimmkreis 105 München-Moosach, zu erringen, der auch Feldmoching, Hasenbergl sowie Teile von Neuhausen und Laim umfasst, sei "schwierig, aber wir sind engagiert und versuchen, überall präsent zu sein". Biergartenbesuche, Radltouren, Spaziergänge, Stachowitz schenkt sich nichts. Vom Bundestagsabgeordneten Axel Berg hat sie sich den Wahlkampf-Kleinbus ausgeliehen und ihr Plakat "Stark für München" aufs Dach geschnallt. Ein "gutes Team" hat ihre Kampagne unterstützt.

"Sie müssen rudern, um durchzukommen"

Aber reicht das, um dem sozialpolitischen Sprecher der CSU-Fraktion im Landtag, Joachim Unterländer, das von ihm schon drei Mal errungene Direktmandat streitig zu machen? Beim letzten Mal kam er auf 52,9 Prozent, gut 23 Prozentpunkte mehr als der SPD-Bewerber.

"Ich wähle meine Mama"

"Wir müssen mehr tun, um in der Stadtgesellschaft solidarisch zu sein", sagt Unterländer, 51, und findet am Info-Stand vor einem Laden im Hasenbergl Zustimmung für seine Diagnose, dass Durchschnittsverdiener Probleme hätten mitzuhalten: "Sie müssen rudern, um durchzukommen." Ballungsraumzulage, Sicherung der Wohnungsbedürfnisse, Beschäftigungsangebote, all das sei wichtig - und eine verlässliche Rentenpolitik. Die Mittelschicht stärken, um ein Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern, ist sein Credo; die Bedingungen verbessern für jene, die, wie Pflegebedürftige und Behinderte, besonderer Unterstützung bedürfen, gehört dazu.

Stimmbezirk München-Moosach: Der CSU-Landtagsabgeordnete Joachim Unterländer (stehend) setzt auf Parteiprominenz wie Jürgen Rüttgers.

Der CSU-Landtagsabgeordnete Joachim Unterländer (stehend) setzt auf Parteiprominenz wie Jürgen Rüttgers.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Joachim Unterländer sei, stichelt Stachowitz, mit seinen Positionen in der Sozialpolitik, einfach in der falschen Partei. Als Herz-Jesu-Sozialisten sind Politiker wie er in der Union schon bespöttelt worden, doch Unterländer steht nicht ohne Stolz zu seinem politischen Fundament: "Ich bin ein Verfechter der christlichen Soziallehre." Er weiß, dass er es damit in seiner Partei nicht immer leicht hat: "Ich vertrete bisweilen auch Positionen, die erst noch mehrheitsfähig gemacht werden müssen." Etwa zum Schutz der Mieter vor der Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnanlagen, wo Unterländer neue Wege gehen will, um Mieter vor Vertreibung zu schützen. Als Erfolge verbucht er den Ausbau der Kinderbetreuung und den verbesserten Personalschlüssel ebenso wie das Wohn- und Pflegequalitätsgesetz.

Unterländer liegt es nicht, auf den Putz zu hauen. Der verheiratete Vater einer 16-jährigen Tochter hält nichts von Polemik: "Der Holzhammer ist nicht mein vorrangiges politisches Instrument." Mit engagiertem, aber sachlichem Auftreten lassen sich Verbündete gewinnen, "Hartnäckigkeit kann zum Erfolg führen". Wie Stachowitz kommt Unterländer aus einfachen Verhältnissen. Er ist im Hasenbergl aufgewachsen und kämpft seit jeher dafür, dem Stadtviertel nicht mit Vorurteilen zu begegnen. Wie Stachowitz verteilt auch er Bierdeckel, wenngleich natürlich in weiß und blau.

Prominente Gäste

In diesem Wahlkampf sieht Unterländer eine Herausforderung darin, die Wähler zu mobilisieren: "Stark polarisierende Themen haben wir nicht mehr, es geht um die besten Konzepte für Bildung und die Situation im Ballungsraum." Neben Infoständen und Stadtteilspaziergängen setzt Unterländer auf die Unterstützung prominenter Gäste. Jürgen Rüttgers aus NRW, von Unterländer als "soziales Gewissen" der Union gepriesen, war schon da, hat vieles von dem, was Unterländer in eher nüchternem Ton sagt, mit Emotionen verbunden.

Im Kontrast wirkt Unterländer, der Verwaltungswirt im Landwirtschaftsministerium und später Fraktionsmitarbeiter der Rathaus-CSU war, fast nüchtern. Dabei hat er schon oft bewiesen, wie wichtig ihm das Schicksal benachteiligter Menschen ist. "Wir sehen uns als soziale Volkspartei zusammen mit der CDU", sagt Unterländer bei Rüttgers' Auftritt im Alten Wirt Moosach unter Beifall. "Wir müssen alles tun, dass alle Bevölkerungsschichten am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben können." Unterstützung bekommt er auch von Peter Gauweiler, "er hat ein Gespür für die Bedürfnisse der kleinen Leute". Alois Glück, "mit dem mich viel verbindet", ist mit von der Partie, wie auch Horst Seehofer und Sozialministerin Christa Stewens, "mit der ich eng befreundet bin".

Es dürfte auch diesmal wieder für das Direktmandat reichen. Dennoch könnte Stachowitz als Listenkandidatin ins Maximilianeum ziehen - wenn die SPD in München, wie beim letzten Mal, wieder mehr als 30 Prozent einheimst. Unterländer ist zuversichtlich, dass die CSU in Bayern erneut die absolute Mehrheit gewinnt. Doch macht ihm die Entwicklung bei der SPD Sorgen: "Die dauerhafte Identifikation mit einer Partei ist immer mehr am Schwinden." "Für Sie in den Landtag", wirbt Unterländer auf den Plakaten, mit dem rechten Arm holt er weit zur einladenden Geste aus. Diana Stachowitz lässt ihre Tochter, gerade 18 Jahre alt geworden, für sich PR machen - unter dem Motto: "Ich wähle meine Mama."

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