Stiftungsfrühling:Vermögen sucht Sinn

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Knapp 1000 Stiftungen gibt es in München und die Zahl steigt kontinuierlich. Wegen der niedrigen Zinsen tun sich viele Einrichtungen derzeit aber schwer, ihre Arbeit zu finanzieren

Von Sabine Buchwald

Stiften liegt im Trend. Das ist in ganz Deutschland und auch in München so, bekanntermaßen eine der reichsten Städte der Republik. Gründe dafür seien hohe Vermögen, die vererbt werden, die günstigen gesetzlichen Rahmenbedingungen und eine wachsende Zahl von Bürgern, die sich nachhaltig gesellschaftlich einbringen wollen, erklärt Martin Speer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Insgesamt gibt es mehr als 21 300 Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland, davon verfügen etwa 75 Prozent über ein Vermögen von unter einer Million Euro.

In Bayern zählt man gut 4000 Stiftungen, in München knapp 1000. Und ja, hier steigt die Zahl konstant, vor allem Stiftungen mit sozialer Ausrichtung kommen hinzu. In den vergangenen zehn Jahren wurden allein unter dem Dach der Stadt München 30 neue gegründet. Potenzielle Stifter lassen sich von den anhaltend niedrigen Zinsen und den frustrierenden oder auch riskanten Anlagebedingungen ihrer Stiftungseinlagen nicht abhalten, Lebensträume zu verwirklichen und gemeinnützige Projekte zu unterstützen. Es gebe viele Menschen in München, die sehr wohlhabend sind und etwas zurückgeben wollen, sagt Nathalie Lepper, Leiterin der Abteilung Gesellschaftliches Engagement im Münchner Sozialreferat, wo die Stiftungsverwaltung untergebracht ist. Dort bekommen potenzielle Stifter Beratung auf dem Weg zur Gründung oder Ideen, wie sie in ihrem Sinne ihr Vermögen für andere einsetzen können.

Bei Beträgen unter 500 000 Euro werden sie derzeit womöglich hören, dass eine Beteiligung bei einer bereits bestehenden Stiftung sinnvoller wäre. Es lohnt sich oft nicht, eine eigene Geschäftsstelle zu eröffnen, und eine Zustiftung könnte mehr Nutzen bringen. Oder die Stifter erfahren, dass es gar zielorientierter ist, ein Projekt direkt zu finanzieren. Letztlich treffen gemeinsame Interessen aufeinander und man kann sich anfallende Verwaltungskosten teilen, eine Bürokraft, einen Raum, Werbungskosten und ähnliches. Am Ende bleibt im guten Fall mehr für die Sache oder die Menschen, die man unterstützen möchte. Man sollte immer die "Zweck-Mittel-Relation" betrachten, sagt Lepper.

Der jüngste Zuwachs der städtischen Stiftungsfamilie ist gerade fünf Monate alt

Die älteste Stiftung unter der Obhut der Stadt ist die Heiliggeistspital-Stiftung, die vor mehr als 800 Jahren aus einem Pilgerhaus beim Viktualienmarkt entstand. Seit 1907 kümmert sich die Stiftung um das Altenheim am Dom-Pedro-Platz. Der jüngste Zuwachs in der Stiftungsfamilie der Stadt ist gerade fünf Monate alt und kommt psychisch kranken Menschen zugute. Dass die Landeshauptstadt Vertrauen im Stiftungsbereich genießt, zeigt der hohe Betrag von 20 Millionen Euro, den sie im vergangenen Jahr aus Nachlassvermögen zu Gunsten ihrer Stiftungen erhalten hat. In München leben seit Jahrzehnten viele Singles. Für Menschen, die keine direkten Nachkommen haben, kann es tröstlich sein, am Ende ihres Lebens ihr Vermögen zweckgebunden aufgehoben zu sehen. Solana Miller etwa gründete im vergangenen Jahr kurz vor ihrem Tod eine nach ihr benannten Stiftung für Tierschutz. Bilder auf ihrer Webseite zeugen von rührender Tierliebe und Freude an ihrer Entscheidung.

Die Stiftungslandschaft in München ist vielfältig. Das Bedürfnis zu geben, aktiv teilzuhaben an der gesellschaftlichen Gestaltung, wie es etwa in den USA schon seit Jahrzehnten üblich ist, beginnt sich auch in Deutschland durchzusetzen. Der Großteil der Stiftungen fördert hierzulande soziale Zwecke, Bildungseinrichtungen und Entwicklungsprojekte im In- und Ausland.

Interessenten angesichts dieser Vielfalt Orientierung zu geben, das ist eines der wesentlichen Ziele des Münchner Stiftungsfrühlings, der nun zum dritten Mal stattfindet. "Etabliert sind wir damit noch nicht", sagt Julia Landgrebe von der Münchner Kultur GmbH, die sich um die Organisation kümmert. In anderen Städten gibt es solche Zusammentreffen schon länger. Der Wunsch, Stifter und Spender mit Projektleitern zusammenzubringen, gehört zu den wesentlichen Motiven dieser Messen. Sie sind Plattformen, um Projekte vorzustellen und auch öffentlich zu machen, was Ehrenamtliche rund ums Jahr leisten.

Das Geld der Stifter und ihr guter Wille allein genügen in diesen Tagen aber oft nicht mehr, wenn Bankgebühren steigen und das Stiftungsvermögen kaum noch Rendite bringt. Philipp Hof, Geschäftsführer im Münchner Haus des Stiftens, beobachtet die Veränderungen genau. Seit einiger Zeit schon rät er Stiftern mit ähnlichen Zielvorstellungen, gemeinsame Wege zu gehen. Die allerdings können oft holprig sein. "Man muss die Sichtweise von Geldgebern, Leuten, die in den Projekten arbeiten, und die Auflagen der Behörden unter einen Hut bringen." Es klingt banal, aber es könnten zum Beispiel haftungsrechtliche Fragen aufkommen, wenn mehrere kleine Stiftungen gemeinsam eine Veranstaltung organisieren, etwa für Spender oder zum Wohl von Hilfsbedürftigen. Wenn dabei ein Unfall passiert, wird nach dem Verantwortlichen gesucht. "Die gesellschaftlichen Strukturen sind meist auf einzelne Akteure ausgerichtet", sagt Hof. Das betrifft auch Bereiche der Verwaltung, etwa bei der Nutzung einer Software, um eine gemeinsame Datenbank zu errichten, auf die Partner zugreifen können. Dann wird es plötzlich wichtig, wer die Lizenz besitzt, und diese Rechte eines Einzelnen werden zum Hindernis. Ähnliches gilt für Bildrechte bei gemeinsamen Broschüren.

Entscheidend ist: Netzwerke schaffen. Auch dafür ist der Stiftungsfrühling ein wichtiges Datum im Kalender der Münchner Stifter geworden. Einer, der seit Langem erfolgreich Verbindungen knüpft, ist Pater Herbert Bihlmayer, 82 Jahre alt, von der Don Bosco Stiftung. Er arbeitet mit 200 Stiftern zusammen, vermittelt Projekte und führt Leitungspersönlichkeiten, Mitarbeiter und Geldgeber erfolgreich zusammen. Für Philipp Hof ist er ein Vorbild, wie es nur wenige gibt in München. Er schwärmt vom jährlich stattfindenden Treffen, bei dem in Festlaune über Erfolge und Schwierigkeiten gesprochen wird. Für junge Menschen die Zukunft gestalten, daran arbeitet Don Bosco: 1,6 Millionen Euro konnte sie 2016 für Jugendliche ausgeben. Ein Vorbild fürwahr.

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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