Stiftung Biss kämpft um Frauengefängnis:Fasst euch ein Herz

Warum es eine Schande ist, dass die Stiftung Biss im ehemaligen Frauengefängnis nicht zum Zuge kommt - ein Aufruf.

Heribert Prantl

München hat eine Stiftung, die Biss heißt; sie kümmert sich engagiert um Obdachlose. Diese Stiftung Biss hat eine Vorsitzende, die man früher, in den Zeiten, als Wünschen noch geholfen hat, einen Engel genannt hätte; sie heißt Hildegard Denninger. Sie wirbt seit Jahren mit missionarischem Eifer und mit mütterlicher Verve dafür, aus dem ehemaligen Frauengefängnis Am Neudeck ein Hotel zu machen. Es soll freilich nicht ein Hotel werden, wie es schon Tausende gibt, sondern ein ganz besonderes, ja ein einmaliges Hotel: Es soll nicht nur ein erstklassiges Haus sein, sondern auch ein erstklassiges soziales Projekt. In diesem Hotel sollen nämlich viele benachteiligte junge Menschen eine vorzügliche Ausbildung erhalten. Für diese Idee wirbt Hildegard Denninger in der Obdachlosenzeitung Biss, was ausgeschrieben "Bürger in sozialen Schwierigkeiten" heißt, für diese Idee hat sie Tausende Spender gewonnen - aber leider nicht die Mehrheitsfraktion im bayerischen Landtag, nicht den Haushaltsausschuss.

JVA Am Neudeck, 2008

JVA Am Neudeck: Das einstige Frauengefängnis soll ein Hotel werden. Die Frage ist, ob die Stiftung Biss doch noch zum Zug kommt.

(Foto: Andreas Heddergott)

Der hat sich dafür entschieden, nicht dem Gemeinwohl, sondern einem Investor den Zuschlag zu geben, der mehr Geld für das ehemalige Frauengefängnis bieten konnte als die Stiftung. Dem Haushaltsausschuss war also mehr Geld mehr wert als das Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Das ist erstens ein Fehler und zweitens eine Schande. Der Haushaltsausschuss hat den Mehrwert exzellenter sozialer Arbeit nicht erkannt oder nicht geschätzt; er hat ihn jedenfalls nicht gewürdigt. Er hat nicht getan, was menschlich geboten, sozialpolitisch notwendig und juristisch möglich war: Die Grundstücksverkehrsrichtlinien erlauben es der Politik, von den üblichen Zuschlagskriterien in besonderen Ausnahmefällen Abstand zu nehmen - dann, wenn man die Wertschöpfung für die Gesellschaft für höher erachtet als den kurzfristigen finanziellen Gewinn. Die Mehrheitspolitik in Bayern hat sich für den schnellen Gewinn entschieden, also für die Mackie-Messer-Parole: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.

Der Haushaltsausschuss hat den schönen Werbespruch für München auf hässliche Weise ergänzt: Aus der Weltstadt mit Herz wird die Weltstadt mit dem kalten Herzen. Der Haushaltsausschuss hat nicht verstanden, dass die Ehrenamtlichen die Unbezahlbaren dieser Gesellschaft sind; sie sichern die Zukunft der Demokratie und des Sozialstaats. Stiftungen wie Biss und Kümmerer wie Hildegard Denninger sorgen dafür, dass aus Demokratie nicht Dekadenz wird. Es wird viel über Elite geredet in Deutschland. Wer ist Elite? Elite sind nicht unbedingt die, die sich die teuren Lofts leisten können. Elite sind nicht unbedingt die, die sehr viel Geld und sehr viel Macht haben. Und Elite sind nicht nur die, die an Universitäten Spitzenleistungen erbringen. Elite sind ganz sicher die, die sich in sozialen Initiativen mit unglaublichem Einsatz engagieren. Der Haushaltsausschuss hat sich gegen Eliteförderung, er hat sich für Eliteschädigung entschieden.

Ist damit alles aus für ein wunderbares Projekt? Hans-Jochen Vogel, Altoberbürgermeister und Ehrenbürger Münchens, hat soeben bei einem Abend zu seinen Ehren in der Stadtsparkasse mit herzlicher Eindringlichkeit an die bayerischen Politiker appelliert, sich ein Herz zu fassen: Wenn in so fundamentalen Fragen wie der Atompolitik umgesteuert werden kann, wenn die CSU dort das Ruder herumwirft - dann müsste das doch auch bei einem Hotel Biss gelingen können. . .

In Zeiten von anhaltend schlechten Nachrichten wird oft gefragt: Wo bleibt eigentlich das Positive? Die Stiftung Biss beantwortet diese Frage. Eine Stiftung, die aus einem ehemaligen Frauengefängnis ein soziales Hotel machen will, ist das Positive.

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