Süddeutsche Zeitung

Stickstoffoxid-Belastung:So unterschiedlich verschmutzt ist die Luft auf Münchens Straßen

  • Die Stadt macht sich durch zusätzliche Messstellen für Stickstoffdioxid ein breiteres Bild von der Luftsituation in München.
  • Vor allem an den Hauptverkehrsstraßen gibt es eine hohe Luftverschmutzung.
  • Die Umweltreferentin Stephanie Jacobs will bis zur Sommerpause einen Masterplan zur Verbesserung der Luft ausarbeiten.

Von Dominik Hutter

Die "Schlechtluft-Oasen" an Landshuter Allee und Stachus sind in München keineswegs die einzigen. Erste Ergebnisse der Messstellen, die die Stadt an 20 Adressen neu aufgestellt hat, deuten darauf hin, dass der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid wohl an zahlreichen Straßenzügen überschritten wird. Traurige Spitzenreiter sind Tegernseer Land- und Chiemgaustraße, die beide Teil des Mittleren Rings sind.

Die Werte sind allerdings noch mit Vorsicht zu genießen, gemessen wird erst seit Jahresbeginn, also seit vier Monaten. Immerhin: Ganz so schlimm, wie im vergangenen Jahr per Rechenmodell prognostiziert, sind die Messungen nicht ausgefallen.

An der Fürstenrieder Straße etwa hatten die Experten des Freistaats eine deutlich höhere Stickstoffdioxidbelastung erwartet, als nun mit den kommunalen "Passivsammlern" ermittelt wurde. Statt der vorhergesagten mehr als 60 Mikrogramm NO₂ pro Kubikmeter Luft kamen bislang nur 38 zusammen. Sollte sich die Situation nicht verschlechtern, würde damit sogar der Jahresgrenzwert eingehalten. Der liegt bei 40 Mikrogramm.

Exakt die Hälfte der zu Jahresbeginn neu aufgestellten Messstellen lässt eine Überschreitung der Grenzwerte vermuten: Neben den beiden Ring-Abschnitten sind dies die Verdistraße, die Planegger Straße, die Eversbuschstraße, die Liesl-Karlstadt-Straße sowie die Frauen-, Wotan-, Steinsdorf- und Situlistraße. An der Lothstraße, wo die Stadt zum direkten Vergleich einen "Passivsammler" in die Nähe einer vorhandenen Messstelle des Landesamts für Umwelt montiert hat, wird das Limit erwartungsgemäß eingehalten.

Die Stadt hatte im vergangenen Jahr beschlossen, sich durch zusätzliche Messstellen für Stickstoffdioxid ein breiteres Bild von der Luftsituation in München zu machen. Bisher lagen nur die Werte aus den fünf repräsentativ übers Stadtgebiet verteilten Messcontainern des Freistaats vor, die neben Stickstoffdioxid auch weitere Schadstoffe wie Feinstaub erfassen können.

"Obwohl die Situation insgesamt noch alles andere als zufriedenstellend ist, bin ich sehr froh, dass unsere Messungen ein klareres und vor allem aktuelleres Bild von der Luftsituation in unserer Stadt zeichnen", sagt Münchens Umweltreferentin Stephanie Jacobs. Im Großen und Ganzen seien die Erwartungen der Experten bestätigt worden: In Wohngebieten sei die Luft gut, an Hauptverkehrsstraßen die Belastung immerhin rückläufig. Jacobs will bis zur Sommerpause einen Masterplan zur Verbesserung der Luft ausarbeiten.

Nur einen sehr kleinen Beitrag leistet dazu offenbar das Tempolimit an der Landshuter Allee, wo seit Oktober 2014 nur noch mit Tempo 50 gefahren werden darf. Um ganze drei Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft sei die Belastung im Jahresmittel zurückgegangen, teilte das Umweltreferat auf eine Anfrage der Stadträte Fritz Schmude und Andre Wächter (Liberal-Konservative Reformer) mit. Von 83 auf 80 Mikrogramm - was nach wie vor deutlich über dem Grenzwert liegt.

Erwartet worden war eigentlich eine Verbesserung um elf Mikrogramm. Das Landesamt weist daraufhin, dass das Minus von drei Mikrogramm zwischen 2014 und 2016 im "städtischen Hintergrund" nicht beobachtet wurde, es sich also wohl um einen lokalen Effekt handle. Der wiederum sei vor allem darauf zurückzuführen, dass der Verkehr bei Tempo 50 gleichmäßiger fließe.

Relativiert wird diese Bilanz allerdings durch einen genaueren Blick in die Statistik. Denn schon 2012 und 2013, als noch Tempo 60 erlaubt war, wurden an der Landshuter Allee jeweils "nur" 81 Mikrogramm gemessen. 2015, im ersten Jahr des mit fest installierten Blitzern kontrollierten Tempolimits, stieg er sogar noch an, auf 84. Um dann im Jahr 2016 auf 80 zu sinken.

Dass der Rückgang im Vergleich zum "städtischen Hintergrund" einmalig ist, liegt vor allem daran, dass das Landesamt als Referenzstation Johanneskirchen gewählt hat. Dort, am Stadtrand, verändern sich die Werte, wie übrigens auch an der Lothstraße, seit Jahren kaum. Am viel befahrenen Stachus hingegen sank die Belastung zwischen 2014 und 2016 um sechs Mikrogramm. Ganz ohne Tempolimit.

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SZ vom 03.05.2018/haeg
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