Süddeutsche Zeitung

Stickoxid:Fahrverbote für Dieselautos werden unwahrscheinlicher

  • Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof läuft ein Verfahren um die hohe Stickoxid-Belastung in München.
  • Das Urteil wird erst in einigen Tagen erwartet.
  • Sollte es jedoch so ausfallen wie nun angedeutet, stehen keine Fahrverbote für Dieselautos bevor.

Von Dominik Hutter

Es könnte ein bitterer Sieg werden für die Deutsche Umwelthilfe. Zwar ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am Donnerstag durchblicken, dass seiner Ansicht nach die Behörden mehr unternehmen müssen, um die Schadstoff-Grenzwerte auch beim Stickstoffdioxid einzuhalten. Eben dies hatte die Organisation bereits seit vielen Jahren gefordert und immer wieder vor Gericht durchgesetzt. Die von Umweltschützern erhofften Fahrverbote für Dieselautos wird der Vorsitzende Richter Rainer Schenk aber wohl nicht verhängen - wegen rechtlicher Bedenken. Die juristischen Hürden seien so "beachtlich", dass man zum jetzigen Zeitpunkt wohl keine Fahrverbote per Gerichtsbeschluss im Luftreinhalteplan festschreiben könne, erklärte Schenk am Ende eines langen Sitzungstages. Der Beschluss erst soll innerhalb der nächsten zwei Wochen fallen.

Am Morgen, zu Beginn des Verfahrens, hatte sich die Tendenz noch etwas anders angehört. Da hatte das Gericht angedeutet, möglicherweise Fahrverbote zu verhängen, ohne die die Grenzwerte wohl nicht eingehalten werden könnten. Der Einstieg in Verkehrsverbote dürfte "geschuldet" sein, hatte Schenk gesagt. In der Münchner Abgas-Debatte wäre das ein Novum gewesen. Bislang hat noch kein Gericht konkrete Vorgaben verhängt, wie München die Limits endlich einhalten könne. Nur dass sie eingehalten werden muss, wurde immer wieder festgestellt. Bei dieser Linie wird der Verwaltungsgerichtshof nun wohl im Großen und Ganzen bleiben. Komplett vom Tisch sind Diesel-Fahrverbote damit keineswegs. Die Vertreter von Stadt und Freistaat verwiesen auf ein derzeit anhängiges Verfahren am Bundesverwaltungsgericht, bei dem dieses Thema im Vordergrund steht. Martina Ebner, die Anwältin des Freistaats, verwies zudem auf ein vom Umweltministerium initiiertes Gutachten, mit dem die Chancen auf eine Reduzierung des Verkehrs ausgelotet werden. Dabei gehe es auch ums Thema Fahrverbote.

In dem Verfahren am Verwaltungsgerichtshof, dessen Beschluss nicht mehr anfechtbar ist, geht es um das Ende eines langjährigen Rechtsstreits. Bereits 2012 hatte das Verwaltungsgericht München Stadt und Freistaat dazu verknackt, den Luftreinhalteplan so auszugestalten, dass die Grenzwerte auch eingehalten werden können. Da dies nicht klappte (und beim Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid bis heute nicht klappt), setzte das erneut von der Deutschen Umwelthilfe angerufene Gericht schließlich ein Ultimatum, bis Ende Juni 2017 auch beim Stickstoffdioxid in den grünen Bereich zu kommen. Bei Nichteinhaltung verhängten die Richter ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 Euro - was sich zunächst nicht viel anhört, in diesem Fall aber die Maximalsumme darstellt. Dagegen wehrten sich Stadt und Freistaat.

Remo Klinger, der Anwalt der Umwelthilfe, reagierte enttäuscht auf die Andeutungen des Gerichts. Nun gingen wohl erneut viele Jahre ins Land, zu Lasten der Gesundheit der Münchner. Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe, hatte kurz vor Beginn des Verfahrens von jährlich 500 Toten allein in München durch Stickstoffdioxid gesprochen. Die fünf Jahre seit dem ersten Urteil des Verwaltungsgerichts hätten also 2500 Leute ihr Leben gekostet.

In dem Verfahren ging es formal sowohl um Feinstaub als auch um Stickstoffdioxid. Die Feinstaublimits werden aber inzwischen weitgehend eingehalten. Richter Schenk machte daher deutlich, dass dieses Thema für ihn abgehakt ist. Der Jahreswert für Stickstoffdioxid hingegen kann an den Brennpunkten Stachus und Landshuter Allee nicht einmal annähernd eingehalten werden.

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SZ vom 17.02.2017/ebri
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