Sticker für Radfahrer:Kleben gegen den Frust

Gefahren-Atlas für Radfahrer

Ein Lieferwagen blockiert den Radweg, die Radler müssen ausweichen.

(Foto: Florian Peljak)
  • Viele Radler in München sind von Autos und Lieferwagen genervt, die die Radwege versperren.
  • Ein Start-up hat nun Aufkleber entwickelt, mit denen die Radfahrer ihrem Ärger Luft machen können.
  • Die Autofahrer sind nicht begeistert von den bunten Stickern mit den eindeutigen Botschaften.

Von Marco Völklein

Nein, sagt Gregor Hohmann, ein "Rambo-Radler" sei er nicht. Also keiner, der auf sein Recht besteht, Fußgänger schneidet oder rote Ampeln ignoriert. Aber hin und wieder ärgert er sich schon, wenn wieder ein Paketbote seinen Lieferwagen auf dem Radweg abstellt. Oder ein unachtsamer Autofahrer ihn beim Rechtsabbiegen zu übersehen droht.

Bislang behalf er sich in einem solchen Fall damit, dass er dem Autofahrer mahnende Worte zurief, vielleicht auch mal ein paar grobe - und dem ein oder anderen Fahrzeug mit der flachen Hand auf Dach oder Kofferraumdeckel schlug. "So habe ich meinem Ärger Luft gemacht", sagt der 32-Jährige. Ob es allerdings auch etwas half? Vor gut einem Jahr saßen Hohmann und sein Kollege Arif Chaudry, die beide bei einem Dienstleister arbeiten, der für BMW tätig ist, zusammen und tauschten ihre Erfahrungen aus. Und da kam ihnen die Idee: Wie wäre es, wenn man dem Autofahrer eine Botschaft hinterlassen könnte? Eine Bitte vielleicht, beim nächsten Mal möglichst nicht den Radweg zuzuparken?

Eine Nachricht, keine Sachbeschädigung

Über Monate tüftelten Hohmann und Chaudry mit diversen Materialien herum - heraus kam eine Art Aufkleber, der sich leicht auf ein Autoblech pappen lässt. Mit einer Spezialfolie, die zwar am Blech haften bleibt, die ein Autobesitzer aber sofort und "rückstandsfrei", wie Hohmann sagt, wieder entfernen kann. Das sei wichtig, erklären die Erfinder: Denn so könne man eine Nachricht hinterlassen, ohne dass man eine Straftat, in dem Fall: eine Sachbeschädigung, begeht. "Wir haben viel mit Juristen geredet", sagt Hohmann und ist sich sicher: Nur wenn der Sticker "dauerhaft und substantiell" am Fahrzeug verbleiben würde, könnte es juristisch heikel werden.

Sticker für Radfahrer: Damit Radler ihrem Ärger Luft machen können, bietet Gregor Hohmann nun bunte Aufkleber an.

Damit Radler ihrem Ärger Luft machen können, bietet Gregor Hohmann nun bunte Aufkleber an.

(Foto: Marco Völklein)

Um die Sticker stets griffbereit zu haben, haben Hohmann und Chaudry mit ihrer Firma "Equalrides" zudem eine Halterung aus Silikon entwickelt, für den Lenker oder fürs Oberrohr. Für die Aufkleber haben sie sich mahnende Botschaften wie "Verbrennt Kalorien statt Benzin" oder "Schneiden tut weh" einfallen lassen. Es gibt aber auch aggressivere Sprüche wie "Du lenkst Scheiße!" oder "Platz da!"

Potenzial für neue Konflikte

Bei Autofahrern indes dürften die Sticker auf wenig Begeisterung stoßen. Michael Haberland vom Automobilklub "Mobil in Deutschland" findet die Sache jedenfalls "unfreundlich". Ziel der Kleber sei es, die Autofahrer zu provozieren; "und wenn ein Autofahrer dann an der nächsten Kreuzung auf einen Radler trifft, der gar nichts damit zu tun hat, fühlt der sich vielleicht herausgefordert - und winkt den Radler dann gerade nicht durch", sagt Haberland. So entstehe sofort der nächste Konflikt. Statt ein Miteinander der Verkehrsteilnehmer zu fördern, an die Rücksichtnahme untereinander zu appellieren, stehe mit den Aufklebern "nur das Gegeneinander" im Vordergrund, sagt Haberland. "Das kann es doch nicht sein."

Hohmann und Chaudry allerdings glauben fest an ihre Geschäftsidee. "Es gibt so viele Radler, die sich über die Rücksichtslosigkeit vieler Autofahrer ärgern", sagt Hohmann - und das gerade in Großstädten wie München. Deshalb vertreiben sie ihre Aufkleber nicht nur auf deutsch, sondern auch auf Englisch. 10 000 Euro haben die Firmengründer bislang schon in ihre Idee gesteckt. Seit ein paar Tagen nun suchen sie auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter nach weiteren Geldgebern. Insgesamt 30 000 Euro wollen sie so bis Anfang August zusammenbekommen. Wenn das klappt, wollen sie ihre Sticker samt Halter nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern vertreiben. 50 Cent pro Aufkleber verlangen die beiden Firmengründer aktuell bei Kickstarter. Für 20 Euro gibt es ein Paket aus Halterung für Lenker oder Oberrohr plus 20 Aufkleber. Wird das jemand kaufen? Autoklub-Chef Haberland glaubt das eher nicht. Das Ganze sei "Geldverschwendung", findet er. Und Umweltverschmutzung auch noch: "Die Aufkleber werden auf dem Boden landen", sagt Haberland. "Und wer trägt dann dafür die Verantwortung?"

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