Stichwahl um OB-Posten:Wählerwanderung in München

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Die Wählerwanderung bei der OB-Stichwahl in München. (Foto: N/A)

Die Überraschung waren die 13,4 Prozentpunkte: So deutlich lag SPD-Sieger Reiter am Ende vor CSU-Herausforderer Schmid. Eine Erklärung wäre: Alle Grünen- und Linke-Wähler haben nun den SPD-Kandidaten gewählt. Doch ganz so einfach ist das nicht.

Von Kassian Stroh

Die Überraschung waren am Ende 13,4 Prozentpunkte. Dass der Sozialdemokrat Dieter Reiter so weit vor Josef Schmid von der CSU liegen würde, damit hatten vor dem Sonntagabend weder die Kandidaten noch ihre Anhänger gerechnet.

Eine deutliche Angelegenheit also - die sich auf einen ersten, flüchtigen Blick sehr leicht erklären ließe: Reiter hat einfach die Stimmen all derer bekommen, die im ersten Wahlgang für die Grünen-Kandidatin Sabine Nallinger gestimmt hatten (14,7 Prozent). Dazu noch die Wähler der OB-Bewerberin der Linken, Brigitte Wolf, denen man zutrauen könnte, eher der SPD als der CSU nahezustehen - und fertig wäre, fast auf die Kommastelle genau, Dieter Reiters Ergebnis in der Stichwahl.

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Da kam er auf 56,7 Prozent, Schmid auf 43,3 Prozent. Im ersten Wahlgang hatten ihre Stimmanteile noch bei 40,4 respektive 36,7 Prozent gelegen.

Das Phänomen, dass die Prozentwerte von vor zwei Wochen für SPD, Grüne und Linke zusammengezählt ziemlich genau Reiters Ergebnis bei der Stichwahl ergeben, zieht sich durch ziemlich viele Stadtbezirke. Doch als Erklärung greift es deutlich zu kurz. Vor allem, weil die Wahlbeteiligung im zweiten Durchgang noch einmal ein Stück niedriger lag, die Stimmenanteile also nur sehr bedingt miteinander zu vergleichen sind; aber auch, weil Politik und Wahlen so eindimensional nicht funktionieren.

Kern der Niederlage Schmids ist, dass es ihm - verglichen mit dem ersten Durchgang - bei der Stichwahl kaum gelungen ist, weitere Wähler zu gewinnen, wenn man die absoluten Zahlen betrachtet. Knapp 167 000 Münchner stimmten vor zwei Wochen für ihn, nun waren es 180 000. Reiter hingegen legte von 184 000 auf knapp 236 000 zu.

Aber woher kamen die?

In die Köpfe von (Nicht-)Wählern lässt sich schlecht blicken, um ihre Motive zu ergründen. Das Statistische Amt der Stadt hat aber eine Wählerwanderungsanalyse erstellt. Und die untermauert die Vermutung, dass es Schmid nicht gelungen ist, Nallinger-Wähler von sich zu überzeugen. Besser gesagt: gerade mal 1300, während mehr als 42 000 zu Reiter überliefen. Anders herum gesprochen: Von Nallingers Wählern unterstützten nicht einmal zwei Prozent Schmid, 64 Prozent kreuzten Reiters Namen an und das verbleibende Drittel blieb bei der Stichwahl schlicht zu Hause.

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Dabei hatte der CSU-Kandidat bis zuletzt auf Grünen-Sympathisanten gebaut und beteuert, er kenne viele solche, die in der Stichwahl für ihn votierten. Eine trügerische Hoffnung. Ob dies freilich an der offiziellen Wahlempfehlung der Grünen für Reiter lag, an einer allgemeinen rot-grünen Affinität oder an einer grünen Aversion gegen die CSU - das lässt die Statistik naturgemäß offen.

Wie man überhaupt einschränken muss, dass diese städtische Analyse nur grobe Schätzungen liefert. Sie beruht - anders als dies bei Bundes- oder Landtagswahlen der Fall ist - nicht auf aufwendigen Wählerbefragungen, sondern auf Erfahrungswerten und komplexen Rechenmodellen. Dass sie aber durchaus Anhaltspunkte für das tatsächliche Wahlverhalten liefert, zeigt auch ein Blick in die Einzelergebnisse der Stadtbezirke.

Reiter hat dort die höchsten Sprünge gemacht, wo beim ersten Durchgang die Grünen-Kandidatin auf überdurchschnittliche Ergebnisse kam: in Stadtvierteln wie Sendling, Schwabing-West und Maxvorstadt, vor allem aber in der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, Au-Haidhausen und Schwanthalerhöhe. Dort zum Beispiel kam Schmid am Sonntag auf nur etwas mehr als ein Viertel der abgegeben Stimmen.

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Allerdings lag dort die Wahlbeteiligung auch deutlich unter dem stadtweiten Schnitt von 38,5 Prozent. Und das führt zu einem weiteren interessanten Phänomen: In den Stadtvierteln, wo Schmid gut abschnitt, lag tendenziell auch die Wahlbeteiligung am höchsten. Namentlich in Allach-Untermenzing, seinem Heimatviertel, aber auch in Pasing-Obermenzing, Bogenhausen, Hadern oder Trudering-Riem.

Das kann die gängige These belegen, dass CSU-Wähler besonders treue Wähler sind. Oder aber auch den Befund der Wählerwanderungsanalyse, dass sich viele Grünen-Unterstützer am zweiten Wahlgang nicht mehr beteiligt haben. In deren Hochburgen war die Wahlbeteiligung eher mau. Das Schlusslicht bildet allerdings Milbertshofen-Am Hart: Nirgendwo gingen so wenige Bürger zur Wahl wie dort (28,1 Prozent). Das war auch schon vor zwei Wochen so.

Hinweis: Eine frühere Version des Teasers war etwas missverständlich, er wurde nachträglich angepasst.

© SZ vom 01.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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