Ausstellung in Augsburg:Denkmäler für Alltagsmenschen

Ausstellung in Augsburg: Das Relief "Tetris" (2019) des Bildhauers Stephan Balkenhol.

Das Relief "Tetris" (2019) des Bildhauers Stephan Balkenhol.

(Foto: Thaddaeus Ropac, London Paris Salzburg Seoul)

Mit Witz statt Pathos: Die Galerie Noah in Augsburg zeigt neue Werke des Bildhauers Stephan Balkenhol.

Von Sabine Reithmaier, Augsburg

Mit "social distancing" haben Stephan Balkenhols Figuren kein Problem. Sie stehen auch ohne Pandemie isoliert in der Gegend, herausgeschnitten aus ihrem Umfeld, blicken indifferent und unnahbar in die Ferne, liefern keine Antworten, senden keine Botschaften. Trotzdem oder genau wegen dieser Offenheit ist ihr Schöpfer einer der beliebtesten Bildhauer Deutschlands, seit Jahrzehnten Professor an der Kunstakademie in Karlsruhe und auch längst international renommiert. Weil seine Männer im typischen Balkenholschen Outfit - weißes Hemd, schwarze Hose - längst Ikonen sind, fühlt man sich im Kuppelsaal der Augsburger Galerie Noah sofort wie zwischen lauter Bekannten.

Ein trügerisches Gefühl, denn die Werke des Künstlers, die hier zu sehen sind, entstanden erst in den vergangenen drei Jahren. Die knapp 20 Figuren passen gut in den lichtdurchfluteten Raum der ehemaligen Spinnerei im Glaspalast. Dazu vier fabelhafte Reliefs, die belegen, dass sich Balkenhol nicht nur auf sein Markenzeichen verlässt, sondern auch anderes ausprobiert.

Ausstellung in Augsburg: Stephan Balkenhols "König" (2020, Zedernholz, farbig gefasst). Die Sockel machen deutlich, wie riesig die Holzstämme sind, die er bearbeitet.

Stephan Balkenhols "König" (2020, Zedernholz, farbig gefasst). Die Sockel machen deutlich, wie riesig die Holzstämme sind, die er bearbeitet.

(Foto: Charles Duprat, Courtesy Thaddaeus Ropac, London Paris Salzburg Seoul)

Seit 1983 sägt, haut und schnitzt Balkenhol, 1957 in der hessischen Provinz geboren, seine Skulpturen aus Holz. Erst nur Männer, dann auch Frauen, meist in Alltagskleidung. Im Glaspalast trifft man auf zwei überlebensgroße Herren. Die übrigen Figuren, meist farbig gefasst, sind allesamt kleiner. Ein Gallier mit Flügelhelm, ein anderer mit napoleonischem Zweispitz, ein dritter gar mit goldener Krone, während "Madame" einfach nur elegant ist. Ohne jedes Pathos arbeitet Balkenhol in dieser Serie französische Geschichte auf.

Figur und Sockel bilden immer eine Einheit, und gerade die Sockel lassen Rückschlüsse darauf zu, wie gigantisch die Stämme sind, die sich Balkenhol vornimmt. Werkzeugspuren, Maserung und Risse bleiben sichtbar, bei der "Frau" (2020) wirkt ein Astansatz am Hals fast wie ein Schmuckstück. Einige Figuren sind erst 2021 entstanden: Die lässige Marlene Dietrich oder das bezopfte Mädchen in Lederhosen.

Herrscher und Helden interessieren ihn nicht

Wer die humorvolle Seite des Bildhauers entdecken will, sollte sich an die kleinen Bronzeeditionen halten. Sie sind Belege dafür, wie Balkenhol die Tradition des großen Monuments im öffentlichen Raum konterkariert. Herrscher, Helden oder Denker interessieren ihn nicht, er zeigt meist das Durchschnittliche, Banale, Normale. Sieht man mal von Richard Wagner ab, der aber von seinem überdimensionierten Schatten weit überragt wird. Das witzige Denkmal schuf Balkenhol zu Wagners 200. Geburtstag 2013 für Leipzig.

Richard Wagner Skulptur von Stephan Balkenhol

Stephan Balkenhol, der 2013 in seinem Atelier in Karlsruhe an einem Richard Wagner in Skulpturform arbeitet.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Daneben reitet ein Mann auf einem riesigen Seepferdchen, sitzt ein anderer im Geweih eines Hirschs oder versucht ein Pianist, auf dem Flügel liegend, ein Stück zu spielen. Ein anderer klammert sich an den Hals einer Giraffe. Diesen Mann, der vor Hagenbecks Tierpark in Hamburg den langen Hals einer Siebeneinhalb-Meter-Giraffe hinab rutscht, musste Balkenhol im Vorjahr gegen Rassismusvorwürfe verteidigen. Manche Betrachter hielten den sich verzweifelt Anklammernden für einen Afrikaner. Dabei war nur die Bronze der Figur nachgedunkelt, weder die Physiognomie noch die Haltung des Manns bergen rassistische Klischees.

Genau genommen erzählen Balkenhols Geschöpfe sowieso keine Geschichten. Es bleibt jedem überlassen, das eigene Bild auf die Figuren zu projizieren.

Stephan Balkenhol in der Sammlung Walter, bis 5.9., Galerie Noah, Im Glaspalast, Augsburg

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