Süddeutsche Zeitung

Steinhausen:Auf dem Abstellgleis

Nach dem Start der Steinhausen-Tram und der Neuorganisation des Busnetzes hat sich die Anbindung der Siedlung an der Schwarzwaldstraße deutlich verschlechtert. Auch in Daglfing und im Zamilapark wird der schnelle Weg in die City vermisst

Von Ulrike Steinbacher, Steinhausen

Seit einer Woche rollen Straßenbahnen im Linienverkehr auf der Einsteinstraße stadtauswärts, an der Großbaustelle am Vogelweideplatz vorbei und die Truderinger Straße hinaus. Jetzt entdecken Büromenschen, die in den Gewerbegebieten von Zamdorf und Steinhausen am Schreibtisch sitzen, dass die neue Tram-Linie 25 zwischen Max-Weber-Platz und S-Bahnhof Berg am Laim das Pendeln erleichtert. Und die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) berichtet prompt von viel positiver Resonanz - auch wenn es erst 2017 belastbare Zahlen geben wird.

Doch so mancher Nachbar auf der anderen Seite der Passauer Autobahn fühlt sich aufs Abstellgleis geschoben: Seit die Steinhausen-Tram unterwegs ist, hat sich die Busverbindung zur Siedlung an der Schwarzwaldstraße deutlich verschlechtert, das räumt sogar die MVG ein. Der Bezirksausschuss Bogenhausen hat die Kritik von Anwohnern auch aus Daglfing und dem Zamilapark in seiner jüngsten Sitzung auf Antrag der CSU aufgegriffen und Nachbesserungen gefordert. Außerdem nutzten die Stadtviertelvertreter die Gelegenheit, um erneut darauf hinzuweisen, dass ihnen eine Tram-Verbindung von Steinhausen in die Innenstadt viel lieber wäre als die Linie 25 nach Grünwald.

Aus Sicht von Jutta Zedelmaier bringt die Straßenbahn ohnehin nur Ärger: "Die Leute sind stocksauer hier." Bisher hatten die Bewohner der Schwarzwald-Siedlung, deren Sprecherin sie ist, drei Buslinien zur Auswahl, mit denen sie neun Mal pro Stunde den Max-Weber-Platz erreichen konnten; sechs Minuten dauerte die Fahrt. Damit ist es jetzt vorbei, denn die MVG hat das Busnetz neu geknüpft. "Die Haupterschließung übernimmt die Tram, der Bus hat Zubringerfunktion", erklärt MVG-Pressesprecher Matthias Korte. Für die Leute aus der Schwarzwald-Siedlung heißt das, dass sie mit dem Bus 187 erst einmal stadtauswärts zur Tram-Haltestelle Berg am Laim fahren müssen. Das Umsteigen erschwere die Fahrt nicht nur für Senioren, sondern sei generell umständlich, sagt Zedelmaier. Länger dauert es auch: Neuerdings vergehen bis zum Max-Weber-Platz 16 Minuten, statt neun Busverbindungen pro Stunde sind es nur noch drei.

Wer kann, steigt aufs Auto um, befürchtet Jutta Zedelmaier. Doch viele ihrer Nachbarn - "entweder ganz jung oder ganz alt" - hätten diese Alternative gar nicht. Betroffen seien nicht nur die Bewohner von 220 Häusern in der Siedlung, sondern auch die in der östlichen Parkstadt, im Zamilapark und außerdem Schüler der Mittelschule an der Stuntzstraße mit ihrem großen Einzugsbereich.

Die Haltestelle Schwarzwaldstraße sei der "einzige Sonderfall mit reduzierter Bedienung", räumt MVG-Sprecher Korte ein. Allerdings entspreche das Angebot jetzt "dem stadtweit üblichen Standard für ein Gebiet dieser Bebauungsdichte". Denn bislang war die Siedlung offenkundig überproportional gut versorgt: Sie profitierte davon, dass die Busse der Linien 190 und 191 nach Zamdorf auf der Eggenfeldener Straße ohnehin vorbeikamen und einen schnellen Stopp einlegen konnten. "An den übrigen Haltestellen in der Nähe wurde das bisherige Angebot beibehalten oder deutlich verbessert", fügt Korte hinzu.

Das sieht der Bezirksausschuss Bogenhausen völlig anders. Er weist in seinem Antrag auf die Verdopplung der Fahrzeit vom Zamilapark zum Max-Weber-Platz hin - im besten Fall 17 statt neun Minuten - und kritisiert, dass die Busse der Linien 190/191 nicht mehr dorthin fahren, sondern zur Friedenstraße am Ostbahnhof. Fazit: Die MVG habe das Angebot "in einem unterversorgten Gebiet nochmals gravierend eingeschränkt".

Kilian Mentner (CSU) sprach in der Sitzung von "enormen Nachteilen für Zamdorf und Daglfing". Nachbesserungen seien nötig, auch bei den langen Wartezeiten. Nach Angaben der MVG seien Tram und Buslinien zwar aufeinander abgestimmt, in Wirklichkeit aber stehe man beim Umsteigen sieben, acht Minuten an der Haltestelle. Und dann, seufzt Jutta Zedelmaier, fährt die Linie 25 noch nicht mal in die Stadt, sondern sei "eine Tram ins Nirwana". Und ergänzt voller Sarkasmus: "Zum Michaelibad und nach Grünwald wollten wir ja schon immer." Bei der MVG dagegen ist für die neue Verbindung zum Michaelibad mit dem Bus 187 durchaus Lob eingegangen, wie Sprecher Korte berichtet.

Die MVG und das Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) halten an der Linienführung der Steinhausen-Tram fest. In einem Brief vom Oktober hatte der Zweite Bürgermeister und RAW-Leiter Josef Schmid (CSU) den Bogenhauser Stadtviertelvertretern die Gründe dargelegt. Eine weitere Tram durch die Innenstadt zum Stachus wäre "aus Fahrgeldeinnahmen nicht finanzierbar" und würde mindestens doppelt so viele Straßenbahnzüge erfordern wie die heutige Route; für eine solche Verdichtung bestehe aber nicht genug Nachfrage.

Und für einen Tausch mit der Linie 16 nach St. Emmeram sei schon die Gleisinfrastruktur am Max-Weber-Platz nicht ausgelegt. Außerdem: Wenn die Linie 25 von Grünwald nach Oberföhring fahren würde und die Linie 16 durch die City nach Steinhausen, käme den Fahrgästen dort die geplante Umstellung der Tram 16 auf längere Züge zugute, obwohl die Fahrgastzahlen gar nicht so hoch seien. Die Oberföhringer, Johanneskirchner und Englschalkinger dagegen müssten sich weiter in überfüllte Waggons zwängen, da sie von der Tram 25 bedient würden.

Den Bezirksausschuss ficht das nicht an, er fordert "mit Nachdruck" weiterhin eine Tram in die City. Konkrete Vorstellungen gibt es auch: "Eine Verbindung mit der 20 oder 21 nach Moosach wäre schön."

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Quelle:
SZ vom 17.12.2016
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