Installation:Die Zukunft ist eine Frau

Von Ewigkeit zu Ewigkeit Stefan Hunstein

Immer neu ist diese Videoinstallation mit 21 wechselnden Frauenporträts, die den Betrachter zur Kontemplation einladen.

(Foto: Stefan Hunstein)

Stefan Hunsteins Video-Installation "Von Ewigkeit zu Ewigkeit" in der Paulskirche an der Theresienwiese.

Von Egbert Tholl, München

Ein Foto, sagt Stefan Hunstein, sei eine Hundertfünfundzwanzigstel-Sekunde auf einem Blatt Papier. Das wissen die Älteren von uns, für die Jüngeren ist ein Foto etwas, was im Telefon wohnt und für dessen Herstellung man einmal aufs Telefon draufgetappt hat. Ohne viel zu beeinflussen. Aber ein Foto kann auch länger sein, wenn das zu fotografierende Objekt still hält, eine Sechzigstelsekunde vielleicht. Aber das Ergebnis ist immer noch ein Blatt Papier, dem man die Zeit nicht ansieht. Nun stellt Hunstein in der Paulskirche an der Münchner Theresienwiese 21 Fotos aus, die keine sind, weil sie eine Dauer haben. Nicht die Dauer, die ein Betrachter für sie verwenden kann, die wäre ja beliebig lang. Sondern eine Dauer der Herstellung und der Präsentation, zwei Minuten pro Bild. "Von Ewigkeit zu Ewigkeit" ist eine Videoinstallation mit 21 Frauen, aber keine Filminstallation, weil die Narration das Bild allein ist. Eher ist es eine lebende Fotoinstallation, falls es so etwas gibt, und diese ist bis zum Beginn der Fastenzeit in St. Paul zu sehen.

Rainer Hepler, der schon seit längerem in St. Paul beheimatete Kunstpfarrer der hiesigen Erzdiözese, und Stefan Hunstein arbeiteten das erste Mal im Jahr 2000 zusammen, damals in St. Bonifaz, der eine als Künstler, der andere als Ermöglicher. Zu diesem Zeitpunkt war Hunstein noch in erster Linie als Schauspieler bekannt, damals war er noch bei Dieter Dorn an den Kammerspielen. Ein Dorn-Ensemble gibt es längst nicht mehr, aber inzwischen zahlreiche Fotobände, Ausstellungen, Installationen des Fotokünstlers Hunstein, der immer noch Schauspieler ist. Wenige Tage nach der Eröffnung der Ausstellung in St. Paul hatte er Premiere in Bochum.

Von Ewigkeit zu Ewigkeit Stefan Hunstein

Stefan Hunstein bei der Arbeit als Fotograf.

(Foto: Stefan Hunstein)

Hepler sagt, ihm sei autonome Kunst in der Kirche wichtig. Viele Kirchen sind ja voller Bilder, aber diese bilden das ab, was die Bibel ohnehin schon bildreich erzählt. Da aber, so Hepler, der Mensch geschaffen sei nach Gottes Gleichnis, sei jedes Menschenbild auch eine Gottesbegegnung. Und damit ist die Menschenbegegnung auch in der Kirche gut aufgehoben, deren Gemeindemitglieder vielleicht nicht alle häufig ins Museum gehen, also kommt die Kunst zu ihnen. Im Altarraum von St. Paul stehen immer noch Holzarbeiten von Rudolf Wachter, seit mehr als zehn Jahren. Die schwarze Wand mit den sieben Bildschirmen, die nun "Von Ewigkeit zu Ewigkeit" beherbergen, bauten Hepler und Hunstein auch schon vor Jahren ins stumpfe, rechte Seitenschiff.

Es sind Menschenbilder, keine Madonnen

21 Frauen, jede blickt freundlich in die Kamera. Keine Ablenkung. Man kann sich in den Anblick versenken, man kann Mutmaßungen über jede einzelne der Frauen anstellen, man kann sie, jeweils sieben nebeneinander, als Tableau betrachten, jede einzelne für sich unglaublich schön, beseelt, pur, offen. Nach zwei Minuten wechselt das Bild, im Übergang entsteht für eine Sekunde ein Mischwesen. Da die Übergänge versetzt sind, wiederholt sich das Tableau in seiner Gesamtheit nie, immer ist die Komposition der Frauen eine andere.

Es sind Menschenbilder, keine Madonnen. Damit setzt Hunstein fort, was er ähnlich schon zweimal, auch hier in St. Paul, gemacht hat. Es ist eine Trilogie, der erste Teil war archaischen Männerbildern gewidmet, Gesichter voller Lebensfurchen. Der zweite Teil zeigte Jugendliche aus dem "Global Village". Und nun, der dritte? Folgerichtig zeigt er, obwohl bereits der zweite Teil den Titel "Zukunft" trug, auch wieder eine. Eine Zukunft, die weiblich ist.

Immanent stellt Hunsteins Installation auch die Frage, was denn wäre, wenn Gott eine Frau wäre. Die Frage findet Rainer Hepler kirchenpolitisch nicht uninteressant, meint aber auch, grinsend, dass das ein Schmarrn sei, da Gott weder Mann noch Frau sei. Allerdings unterliegt, zumindest im abendländisch-christlich-katholischen Kulturkreis, das Narrativ Gottes eindeutig dem Maskulinum. Nun kann man sich nicht nur direkt vor der Installation in das freundliche Wesen dieser Frauen versenken, nein, man spürt sie überall im großen Kirchenraum. Sie sind ein Angebot zur Kontemplation, des Sich-Versenkens, dem man nur gerecht wird, wenn man ein wenig Zeit dafür aufwendet. Und es ist keine Kunst, für die man intellektuelle Anleitung braucht. Hepler: "Wir müssen als Kirche viel mehr Niederschwelliges anbieten." An manchen Sonntagabenden wird in St. Paul eine Andacht ohne Ritual, ohne Eucharistie stattfinden, aber mit Musik, mit Texten, die Schauspieler lesen. Und immer mit dabei, ob deutlich oder subkutan im Hintergrund, 21 Frauen, die mit Ruhe und Gelassenheit von einem Menschsein künden, das einen zukunftsfroh macht.

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