Staufallen:20 000 Baustellen nerven die Münchner

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20 000 Baustellen gibt es in München, die meisten davon sind nur kleinere Ausbesserungsarbeiten. (Foto: Claus Schunk)
  • Über den Sommer gibt es in München besonders viele Baustellen - das Baureferat will die Zeit nutzen, in der zahlreiche Menschen verreisen.
  • Autofahrer und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel sind gleichermaßen von Sperrungen und Umleitungen betroffen.
  • Viele Projekte sind innerhalb weniger Tage abgeschlossen. Doch in diesem Jahr nerven besonders die großen Baustellen an zentralen Orten.

Von Andreas Schubert, München

Marcus H. Rosenmüller hat vor ein paar Jahren einen netten Film namens "Sommer in Orange" gedreht, bei dem Bhagwan-Jünger sich in einem oberbayerischen Kaff ansiedeln, auf der Suche nach ihrem Seelenfrieden. Freilich geht das nicht ganz konfliktfrei vonstatten. Die ansässige Bevölkerung kann mit den in orange gewandeten Aussteigern nicht sonderlich viel anfangen, der Zusammenprall der Kulturen ist deshalb programmiert.

Sommer in Orange - diesen Titel könnte man derzeit auch über den Münchner Sommer schreiben. Nur, dass hier keine Sannyasins den Leuten auf die Nerven gehen, sondern in Orange gewandete Männer, die statt Haschpfeifchen Presslufthämmer schwingen.

Großbaustelle
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Der U-Bahnhof Sendlinger Tor wird bis zum Jahr 2022 großflächig umgebaut. Auch Autofahrer müssen sich auf drastische Auswirkungen einstellen.

Von Andreas Schubert

Bauarbeiter in orangefarbenen Warnwesten prägen nachgerade das Stadtbild, ebenso wie schwere Bagger, Lastwagen, Umleitungsschilder und Warnlichter. Da ist zum Beispiel die Baustelle am Sendlinger Tor, wo der U-Bahnhof großflächig umgebaut wird. Oben staut sich der Verkehr, weil sie auf der Sonnenstraße eine Baugrube ausgehoben haben, im Untergrund fahren am Wochenende die U-Bahnen nur eingeschränkt.

"Umsteigende Fahrgäste müssen einen größeren Umweg in Kauf nehmen. Sie werden großräumig über das Sperrengeschoss umgeleitet. Dies kostet Zeit, Nerven und gegebenenfalls auch den gewohnten Anschluss. Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) bitte ihre Fahrgäste daher schon jetzt um Geduld", schrieb die MVG in einer Mitteilung.

Überhaupt die Stadtwerke: Am Hauptbahnhof sanieren sie bis Anfang September die Rolltreppen, sodass umsteigen von einem U-Bahnast zum anderen zur Geduldsprobe wird. Und an diversen Stellen der Stadt wird an den Trambahngleisen gewerkelt, am Hauptbahnhof, zum Beispiel oder am Stiglmaierplatz. Das sind nur die aktuellen - Tramgleise werden heuer an mehreren Stellen das ganze Jahr über erneuert.

Viele Baustellen werden lange bleiben

Man kann jetzt nicht alle 20 000 Baustellen, richtig gelesen: 20 000, in München aufzählen. Die meisten davon sind eh nur kleinere Arbeiten, die nach ein paar Tagen oder Wochen erledigt sind. Und es sind, anders als viele glauben mögen, auch nicht mehr Baustellen, als in den vergangenen Jahren zuvor. 600 Maßnahmen finden allein für die Straßenerhaltung statt, das ist normal.

Was dieses Jahr an den Nerven der Münchner zehrt, sind die großen Baustellen an zentralen Orten, die überdies noch einige Zeit erhalten bleiben. Das Sendlinger Tor bis circa 2022, der Thomas-Wimmer-Ring bis nächstes Jahr und der Marienhof wird erst 2026 fertig - richtig angefangen zu graben haben die Arbeiter dort noch nicht einmal. Jetzt werden erst einmal Leitungen verlegt, das reicht schon, um ordentlich Staub aufzuwirbeln und Krach zu machen.

Der Sommer in Orange ist begleitet von einem unschönen Grunddröhnen, das im Grunde nur vom Gejammer der Leute über die Baustellen übertönt wird. Und natürlich sind diese ein abendfüllendes Thema, man braucht nur die Liste der Orte aufzuzählen, wo heuer schon etwas war, wo etwas ist und wo noch das dicke Ende kommt: Laimer Kreisel, Dachauer Straße, Fußgängerzone, Ruppertstraße, wo auch immer: Keiner entkommt dem Sound der Presslufthämmer.

Das Baureferat freilich legt die Baustellen alle Jahre wieder mit voller Absicht in den Sommer. Wenn vor einer Schule gebaut wird, sei das in den Ferien natürlich sinnvoller, als während des Schulbetriebs, sagt etwa der städtische Baustellenkoordinator Richard Bartl. Und natürlich seien auch Straßenerneuerungen dann erträglicher, wenn viele Berufstätige im Urlaub sind.

Auch am Thomas-Wimmer-Ring müssen sich Autofahrer mit einer Baustelle abfinden. (Foto: Robert Haas)

Für die Hiergebliebenen ist das nur ein schwacher Trost. Denn rein statistisch mögen sich weniger Autos auf Münchens Straßen bewegen, rein realistisch stehen sie aber erst recht im Stau. Etwa an der Dachauer Straße, wo der Bereich an der Sandstraße/Maßmannstraße die Kreuzung umgebaut wird und ein Vorwärtskommen auch zu verkehrsarmen Zeiten bis zum Ende der Sommerferien eher eine zähe Angelegenheit ist.

Oder an der Prinzregentenstraße, an der von Montag, 28. August, bis Mitte September zwischen Luitpoldbrücke und Europaplatz stadtauswärts nur eine Fahrspur frei ist; nicht weit davon entfernt wird nächste Woche auch in einem Abschnitt der Oettingenstraße im Lehel die Fahrbahn erneuert; und in der Auenstraße in der Isarvorstadt saniert das Baureferat zwischen Klenzestraße und Baldeplatz die Fahrbahn bis Mitte September 2017.

Die genannten Straßenabschnitte sind die aktuellsten Beispiele, eigentlich unauffällig, was Stau betrifft, und nur gelegentlich verstopft. Dass in den betroffenen Straßen dann nur eine Spur befahrbar sein wird, wird den Verkehrsfluss aber ordentlich ins Stocken bringen. "Es gibt nicht mehr Baustellen als sonst", betont Bartl, "aber sie sind präsenter."

Was für nicht Verreiste noch dazukommt, sind dann noch die Autobahnbaustellen. Wer am Wochenende spontan mit dem Auto aus der Stadt rausfahren will, überlegt sich das zweimal, Stichwort A 99-Ausbau, Stichwort Brückenneubauten auf der A 94. Auch hier entlädt sich der Zorn der Autofahrer oft spontan, wie der Leiter des Ausbauprojekts, Helge Clauß, zu berichten weiß. Bauarbeiter würden spontan beschimpft und sogar bespuckt.

Eigentlich ist es ja eine freundliche Farbe, aber momentan sehen die Münchner bei Orange offenbar einfach nur Rot.

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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