Aufgabe des „Statistischen Bureaus“, so steht es 1874 in seinem Gründungsstatut, ist es, „statistische Daten über alle für das Gemeindeleben der Stadt München bedeutsamen Verhältnisse zu sammeln, zu ordnen, zu übersichtlichen Darstellungen zu verarbeiten und zu veröffentlichen“. Kurz darauf, am 1. Januar 1875, nimmt die neue Dienststelle ihre Arbeit auf, weshalb das „Statistische Amt München“, wie es inzwischen heißt, heuer seinen 150. Geburtstag feiert. Aus diesem Anlass hat die Behörde nun eine Festschrift veröffentlicht – 300 Seiten stark und 1,25 Kilo schwer.
Das Werk blickt zunächst auf die Historie des Amts. Dessen Gründung fiel in eine Zeit des rasanten Wandels, der wachsenden Bevölkerung und boomenden Wirtschaft. Entsprechend musste der Münchner Magistrat damals über verschiedene Reformen und Planungen entscheiden, wofür er auf fundierte Zahlen und Fakten angewiesen war – und deshalb das Statistische Bureau aus der Taufe hob.
Das Amt hat München seither gezählt und vermessen – und so die langfristige Entwicklung der Stadt dokumentiert. Einige zentrale Erkenntnisse legt nun auch die Festschrift dar. Sie zeichnet nicht nur den Weg Münchens von der 190 000-Einwohner-Stadt im Jahr 1875 zur Millionenmetropole nach. Sondern das Jubiläumswerk erklärt auch, was es mit dem „Münchner Bierherz“ auf sich hatte, wer den Werbeslogan „Weltstadt mit Herz“ prägte, welchen Moden die Vornamen der Münchner Kindl unterlagen oder woran sie verstarben.
Münchens Anwachsen
Im Gründungsjahr des Statistischen Bureaus 1875 leben 190 600 Menschen in München. Fortan wächst die Bevölkerung – abgesehen von zwei Einbrüchen infolge der Weltkriege – kontinuierlich, bis ab 1971 eine Zeit der Stagnation beginnt. So liegt die Einwohnerzahl 35 Jahre lang stets um die 1,3 Millionen, ehe es von 2006 an wieder steil nach oben geht. Erst vor wenigen Monaten hat München die 1,6-Millionen-Marke geknackt, wobei 30 Prozent dieser Menschen keine deutsche Staatsbürgerschaft haben. Zum Vergleich: Vor dem Zweiten Weltkrieg 1939 stellten Ausländer gerade mal ein Prozent der Stadtbevölkerung.

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Touristen in der Stadt
Fast 20 Millionen Übernachtungen zählte München 2024 – so viele wie noch nie. Publikumsmagnete waren unter anderem die Wiesn, die Europameisterschaft oder verschiedene Großkonzerte. So zogen allein die zehn Adele-Konzerte auf dem Messegelände circa 365 000 Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland an – fast dreimal so viele wie die 133 000 im gesamten Jahr 1875 „polizeilich gemeldeten Übernachtungsgäste“ in München. So richtig Schwung nahm der Tourismus ab den 1950er-Jahren auf; 1955 zählte man erstmals mehr als eine Million Besucher. Gefördert wurde diese Entwicklung auch durch den populären Slogan „Weltstadt mit Herz“, der 1962 aus einem Wettbewerb des Fremdenverkehrsamts hervorging. Im Olympiajahr 1972 lag die Besucherzahl erstmals über zwei Millionen, und auch in der Folge ging es weiter bergauf, von 2004 an mit nahezu jährlich neuen Rekorden. Dabei lockt die Stadt auch viele Menschen aus dem Ausland: Auf sie entfallen 42 Prozent aller Übernachtungen. Bei den Herkunftsländern ganz vorn liegt seit Jahren die USA mit großem Abstand vor Italien und Großbritannien.
Seuchen in München
Seit Gründung des Statistischen Amts ist München von drei Pandemien heimgesucht worden: Neben der eben erst überstandenen Corona-Pandemie waren dies die Russische Grippe (1889-1895) und die Spanische Grippe (1918-1920). Letztere wurde in München nicht als separate Todesursache dokumentiert, jedoch zeigte sich 1918 ein sprunghafter Anstieg bei den Sterbefällen. Die Daten legen nahe, dass die Spanische Grippe um die 2600 bis 2800 Todesopfer in der damals 650 000 Einwohner zählenden Stadt forderte. Derweil spiegelt sich die jüngste Corona-Pandemie in zahlreichen Statistiken wider – von drastischen Einbrüchen bei Kinobesuchen und Gästeankünften bis zum Anstieg der Arbeitslosenquote und einem Rückgang der Verkehrsunfälle. Die Auswertung der Todesfälle weist eine Übersterblichkeit vor allem für Ende 2020, die ersten Wochen des Jahres 2021 sowie Ende 2021 auf. Besonders deutlich ist diese bei Personen über 80 Jahren. Bei ihnen lag die standardisierte Mortalitätsrate Ende 2020 bei 1,9 – im Vergleich zu 1,55 ohne Covid-19-Fälle.
Die Namen der Münchner Kindl
Gabriele und Peter sind die beliebtesten Vornamen von Neugeborenen, als das Statistische Amt 1859 erstmals eine „Blütenlese aus den Münchener Taufnamen der Gegenwart“ veröffentlicht. Dies stößt auf so großes Interesse, dass fortan immer wieder gezählt wird. 1965 liegen Petra und Thomas vorne, 1970 Sabine und Michael, 1974 Christine und Markus, 1983 Stefanie und Florian. In den Jahren 1991 bis 2023 stechen dann Florian, Felix und Paul bei den Buben heraus, die regelmäßig unter den Top drei rangieren – während Maximilian am häufigsten an der Spitze steht. Bei den neugeborenen Mädchen thront in den 1990ern meist Julia ganz oben, später dann Anna und zuletzt Emilia. Am häufigsten in die Top drei schaffen es von 1991 bis 2023 Laura und Emma.
Beliebte Verkehrsmittel
Eisenbahn, Flöße und Trambahnen sind die wichtigsten Verkehrsmittel, als das Statistische Amt 1894 erstmals Verkehrsdaten für München veröffentlicht. Elf Pferdetrambahnlinien befördern damals gut 21 Millionen Fahrgäste durch die Stadt; im Schnitt steigt jeder Bewohner also einmal wöchentlich in die Tram. Deren Linien fahren vom Jahr 1900 an allesamt mit elektrischem Betrieb; nur wenig später beginnt dann der Aufstieg des Automobils. Hat 1907 gerade mal einer von 1000 Münchnern ein solches Gefährt, ist es 1938 bereits jeder 13. Nach dem Krieg steigt die Zahl der Autos dann rasant bis auf heute gut 900 000, womit durchschnittlich ein Kraftfahrzeug auf 1,8 Einwohner kommt.

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Woran Münchner sterben
In seiner Anfangszeit interessiert sich das Statistische Bureau vor allem für Geburten und Sterbefälle – es ging also um Leben und Tod. Letzterer trat 1875 besonders oft bereits im Säuglingsalter ein: Ganze 40 Prozent aller Todesfälle waren Babys vor dem ersten Geburtstag. Davon abgesehen starben mit Abstand die meisten Menschen an Tuberkulose, gefolgt von Entzündungen der Atmungsorgane und Altersschwäche. Von den 1920er-Jahren an dominierten bei den Todesursachen dann „Krankheiten des Kreislaufsystems“, zu denen vor allem auch Herzkrankheiten wie Herzinfarkte zählen. Sie waren in München für mehr Sterbefälle als in anderen Städten verantwortlich, was Otto von Bollinger 1906 auf das „Münchner Bierherz“ zurückführt. So gab sich der Pathologe überzeugt, „dass dies mit dem Biergenuss in München zusammenhängt, und zwar sowohl mit der Beschaffenheit des Bieres, seiner besonderen Stoffe, als mit den getrunkenen Mengen“. Bis heute sind „Krankheiten des Kreislaufsystems“ die häufigste Todesursache in München mit 31,5 Prozent aller Sterbefälle, gefolgt von Krebs (23,6 Prozent).