Start-ups:Vegan, möglichst schadstofffrei, nachhaltig

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Erst strich sie Fleisch und andere Tierprodukte von ihrem Speiseplan, dann gründete Kia Lindroos ihre eigene vegane Kosmetiklinie. (Foto: Privat)

Die Gründer von Kia-Charlotta, Junglück und Topocare entwickeln Produkte, die sie selbst in den Auslagen der Geschäfte vermissen - und treffen damit den Zeitgeist

Von Laura Kaufmann

Kia Lindroos lebte schon einige Jahre vegan, zumindest so weit es ging. Die Finnin, die seit einiger Zeit in München zu Hause ist, strich nicht nur Fleisch, Milch und Eier von ihrem Speiseplan, sie wollte auch ausschließen, dass für ihre Kosmetik Tiere leiden mussten. Aber hier stieß sie manchmal an Grenzen. "Veganer Nagellack mit natürlichen Inhaltsstoffen hielt meistens nur ein oder zwei Tage auf meinen Nägeln", sagt die heute 29-Jährige. Sie musste sich also entscheiden, ob sie schön lackierte Nägel haben wollte oder für das Tierwohl darauf verzichten würde. Sie wollte sich aber nicht entscheiden. So entstand "Kia-Charlotta".

Kia-Charlotta ist eine Kosmetikmarke, wie sie momentan vermehrt auf den Markt kommt: vegan, möglichst wenig oder keine Schadstoffe, möglichst nachhaltig. Das bewusste Konsumieren, das schon die Foodbranche umgekrempelt hat, verpackungsfreie Läden in der Stadt öffnen lässt, kleine Fair-Fashion-Labels hervorbringt; dieses bewusste Konsumieren bewegt nun auch die Kosmetikbranche. Gerade junge Menschen sind unzufrieden mit dem Angebot, das sie in Drogeriemärkten und Parfümerien vorfinden. Und entwickeln das, was sie sich wünschen würden, einfach selbst.

Für Kia Lindroos ist das eine Nagellacklinie, die vegan ist, mit möglichst wenig Schadstoffen auskommt - ganz natürlich funktioniert Nagellack nicht - und trotzdem schnell trocknet und eine schöne Farbpalette bietet. Nach einem mühsamen Anfang hat sich Kia Charlotta von 30 Händlerpartnern im letzten Jahr auf etwa 450 gesteigert. Zwar ist der Nagellack nicht zertifiziert, ein Nagellackentferner, der mit natürlichen Inhaltsstoffen auskommt, soll dafür bald auf den Markt kommen, und, wenn es gut läuft, nach und nach mehr natürliche, vegane Kosmetikprodukte.

Benedikt Klarmann, 31 Jahre alt, war bis vor Kurzem kein Fachmann für die Bedürfnisse reiferer oder unreiner Haut. Es war auch nicht seine eigene Unzufriedenheit mit der verfügbaren Kosmetik, die ihn aktiv werden ließ, sondern die seiner Freundin. Und seiner Mutter. Und seiner Schwester. Klarmann selbst arbeitete da schon viele Jahre im Onlinehandel, suchte aber nach etwas, hinter dem er wirklich stehen konnte. Und so begann er, an einer Pflegeproduktlinie zu arbeiten, die all das abdeckte, was die Frauen in seinem Leben vermissten: Seine Junglück-Produkte sind vegan und frei von Tierversuchen, sie sind frei von Parfüm, Parabenen, hormonaktiven Stoffen und Mikroplastik. Verpackt wird in Glasflaschen statt Plastiktuben, und diese Glasflaschen können zum Recycling an Junglück zurückgeschickt werden, sind sie einmal leer. Für jedes verkaufte Produkt wird ein Baum in Madagaskar gepflanzt, produziert wird in Deutschland. Es sind also Cremes, Öle, Gele und Sprays, die die eigene Haut vor ungewollten Inhaltsstoffen verschonen und gleichzeitig so nachhaltig wie möglich produziert sind.

Klarmann hat an seine Idee geglaubt und sein gesamtes Erspartes in die Hand genommen. Eine sechsstellige Summe habe er investiert, sagt er, denn er wollte keinen Investor mit ins Boot holen. "Mir war wichtig, da eigenständig agieren zu können." Manches funktioniert langsamer, als er es gerne hätte, weil er sich seine Lieferanten einzeln sucht, statt alles aus einer Hand zu organisieren, aber andernfalls könnte er seine Produkte zum Beispiel nicht in Glasflaschen füllen lassen. Eine Sonnencreme würde er am liebsten jetzt schon anbieten. Wahrscheinlich wird sie erst im Hochsommer erhältlich sein.

Ungefähr ein Jahr ist Junglück jetzt am Markt, und der 31-jährige Münchner ist zufrieden mit der Entwicklung: "Ich bin wirklich positiv überrascht, dass es einen Unterschied macht, wie viel Energie man investiert." Er habe etwas gefunden, hinter dem er wirklich stehe. Über jedes seiner Themen, von Mülltrennung bis Produktentwicklung, kann er leidenschaftlich erzählen. Die Junglück-Cremes benutzt mittlerweile nicht nur seine Freundin, sondern auch er selbst.

Shiva Safaies Sortiment ist nicht so breit gefächert wie das von Junglück. Sie konzentriert sich mit ihrer in Tutzing ansässigen Firma Tococare vor allem auf einen Wirkstoff: Vitamin E. Und zwar den natürlichen Vitamin-E-Komplex Tocotrienol mit all seinen Bestandteilen, nicht das synthetische Vitamin E, wie es in den meisten Cremes und Shampoos vorkommt, "nur so hat es diesen tollen Effekt der Zellregeneration", sagt Safaie. Ein Elixir machen sie daraus, zur Anti-Aging-Pflege ab Mitte 30, dazu noch konzentriertere Produkte für akute Hautprobleme, und eine reichhaltige Creme, mit der Safaie etwa den Popo ihres kleinen Sohnes eingecremt hat und davor ihren Bauch, um Schwangerschaftsstreifen zu vermeiden.

Die Produkte sind mit Bio-Ölen hergestellt, sie werden nur in kleinen Chargen produziert und sind nicht länger als ein Jahr haltbar. Safaie ist es lieber so, zumindest vorerst. Klein und kontrolliert. Jahrelang hat sie selbst herumexperimentiert, Cremes zusammengerührt, nachdem sie von der Wirkung des Vitamin-E-Komplexes gehört hatte und ihre Familie darauf setzte. Die Produkte gibt es im Onlineshop und in einigen ausgewählten Hotels und Apotheken, neben Privatpersonen bestellen auch Kosmetiker bei Tococare. "90 Prozent von den Leuten, die bei mir einmal bestellt haben, bestellen wieder", sagt Safaie. Die Nachfrage nach natürlicher und nachhaltiger Kosmetik ist da - und das Angebot wächst ihr entgegen.

© SZ vom 21.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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