Start-up-Unternehmen:Sieben Geschäftsideen für München

Daria Saharova verkauft Abos für Strumpfhosen, Katharina Bublath verdient Geld mit Beziehungskisten - und ein Trio nimmt mit seiner Website anderen die Freizeitplanung ab. Immer mehr junge Menschen machen ihre Ideen zu Geld. Sieben Beispiele.

Es ist der passende Ort für ein Start-up-Unternehmen - wegen des Eingangsbereichs, aber auch wegen der Arbeitsatmosphäre. Das Kontorhaus2 auf dem Großmarktgelände hat ein beeindruckendes Portal: zwei goldumrandete großzügige Glastüren mit massiven Griffen in Flügelform.

Start-up-Unternehmen: Jan Potthast, Norbert Schauermann und Kay Liedl (v.l.) bei ihrem liebsten Hobby: dem Verkosten eines guten Tropfens.

Jan Potthast, Norbert Schauermann und Kay Liedl (v.l.) bei ihrem liebsten Hobby: dem Verkosten eines guten Tropfens.

(Foto: Robert Haas)

Hoch hinaus kann man hier kommen, verspricht dieses Entree - wenn die Geschäftsidee funktioniert. Der Gegensatz dann im zweiten Stock: Es müffelt nach Schulhaus in der sechsten Stunde, kleine Einzimmerbüros liegen dicht nebeneinander in einem Gang, an den Wänden bröckelt der Putz. Jede Tür hat eine Nummer. Hier sind viele Geschäftsideen durchdacht worden, und nicht wenige endeten ohne Erfolg, als eine der Nummern, die wieder vergessen werden. Erfolg und Misserfolg liegen hier sehr nahe beieinander.

Tür 203, dahinter sitzen drei Männer, sie haben auch eine Idee, die sie seit drei Jahren entwickelt haben. Kay Liedl, Informatiker, 41, Jan Potthast, 45, IHK-geprüfter Weinfachmann, und Norbert Schauermann, 41, Informatiker und Mitgründer der Internetplattform Lokalisten.

Sie wollen eine Geschäftsidee umsetzen, die wie eine Mischung ihrer Berufe klingt: Eine Wein-Community, eine Internet-Plattform für alle, die Wein trinken. Gibt's schon? Ja, das schon, aber nicht so eine, sagen sie. Zwar sagt jeder Start-Upper solche Sätze. Aber eines spricht schon einmal für die drei Münchner. Es ist der Preis, den sie vor ein paar Wochen bei der Cebit in Hannover gewonnen haben, dotiert mit 100.000 Euro. Bestes Startup bei der "seedlounge Startup-Förderung 2012", unter 50 Bewerbern.

Was es schon gibt, sind Weinseiten für Weinkenner, Seiten mit Empfehlungen, sagt Liedl. Jeder Weinhandel hat eine eigene Webseite - um das eigene Sortiment zu verkaufen. Das Projekt "13Grad" (www.13grad.com) soll mehr sein, ein "digitaler Marktplatz". Hier erfährt man alles über Weinsorten und Anbaugebiete, hier tauscht man sich mit anderen Konsumenten aus. Diskussion statt nur Expertentipps, das ist die Idee.

Wenn die drei Männer dieses Vorhaben vorstellen, klingen sie routiniert, sie haben das schon oft gemacht, nicht zuletzt bei der Cebit. Es fallen dann Begriffe der Websprache. Potthast, der Sommelier und Lektor ist, sagt: "Meine Tags sind Spätburgunder, Schreiben und Kulturgeschichte."

Klingt ein wenig ungewohnt - und wirft eine grundsätzliche Frage auf: Passen Wein und Web zusammen? Hier das Ur-Analoge, die Jahrhunderte alte Tradition, das Erleben mit allen Sinnen, dort nur Bildschirm und Klicks. Die drei sagen: ja. Sie haben den entspannt zufriedenen Blick derjenigen, die schon viel erlebt haben im Berufsleben - und das Vertrauen in ihre Idee.

600.000 Weine sind bislang erfasst, 56.000 Winzer. Allerdings wird in jedem Land der Wein mit anderen Kriterien kategorisiert. "In Deutschland stuft man zum Beispiel nach dem Zuckergehalt die Qualität eines Weins ein", sagt Potthast. "In Italien hingegen wird nur das Weingebiet angegeben, etwa Chianti, und kein Zuckergehalt."

Man kann sich auch beraten lassen, welcher Wein zum Lammbraten passt. "Vielleicht ein Nebbiolo, ein üppig samtiger", sagt Potthast, rückt seinen Flachhut zurecht und wedelt mit seiner Hand durch die Luft. So würde das wohl auch der Sommelier beim Beratungsgespräch im Weingeschäft erklären. "Wir wollen ja auch, dass die Leute in die Weingeschäfte gehen", sagt Liedl. "Aber der große Vorteil der Plattform ist, dass man sich im Gegensatz zum Laden nicht blamieren kann, man muss nichts über einen Wein wissen." Man könne einfach anklicken: Schmeckt mir, oder eben nicht.

Verkostungsnotizen sind ebenfalls möglich, und im Laufe der Zeit entstehen virtuelle Geschmacksnachbarn, mit denen man sich austauschen kann. "80 Prozent der verkauften Weine in Deutschland werden laut Deutschem Weininstitut in Discountern verkauft", sagt Schauermann. Diese Leute sind die Zielgruppe. Sie sollen sich im Netz unbeobachtet informieren, um dann im Laden zu kaufen. Und nebenbei greife auch das Prinzip der Schwarmintelligenz. Was vielen gefällt, können die Nutzer sehen und sich daran orientieren. Wenn sie wollen.

Für Klaus Wellnhofer klingt das Konzept plausibel. Er ist Geschäftsführer der Firma Team G, die Gastronomen zum Thema Wein berät und selbst eine Webseite betreibt. "Ich glaube, dass der klassische Weintrinker ab 30 in die Weinhandlung und nicht ins Internet geht, aber für die junge Generation ist so eine Plattform sehr sinnvoll", sagt Wellnhofer. Denn sie müsse zwei Dinge leisten, "man muss herausfinden können, welche Weine einem gefallen, und die Möglichkeit haben, diese zu erwerben."

Die Informatiker Schauermann und Liedl, die sich seit der Schule kennen und damals zusammen am Atari programmierten, sagen: "Ein wichtiger Use Key ist auch die Merkfunktion, das Archiv." Wer lege sich schon einen Weinordner an. So kann man nachsehen, was ihm geschmeckt hat und das mit anderen diskutieren. Vielleicht ja auch einmal im echten Leben, in München, einem ohnehin guten Weinpflaster.

"Von den 12.000 Weinhändlern in Deutschland sind 350 aus München." So viele gibt es auch im viel größeren Berlin. "München hat eine junge Weinszene", sagt Potthast. Wein werde mittlerweile auch mehr in Clubs getrunken - und noch immer steige die Zahl der kleinen Weinbars. Wenn nun ein Weintrinker in eine dieser Bars ausgeht, worauf muss er achten, um sich nicht zu blamieren? "Zum einen geht der Trend mittlerweile weg vom lauten Schlürfen beim Testen", sagt Potthast. Fehlt noch ein Urteil, bei dem man nicht falsch liegt. "Was man über jeden Wein sagen kann, ist: eine gute Frucht."

Philipp Crone

Strumpfhosen im Abo

Strumpfhosen im Abo

Start-up-Unternehmen: Daria Saharova verkauft Strumpfhosen-Abos.

Daria Saharova verkauft Strumpfhosen-Abos.

(Foto: Stephan Rumpf)

Daria Saharova macht mit ihrem Start-Up allen Beine. Bei Bellegs sind Strumpfhosen online zu bekommen: halterlos, blickdicht, in Italien produziert. Auch Leggins gehören zum Sortiment. Jedes Modell könne der Kunde einzeln bestellen, sagt Saharova, die Strumpfhosen seien aber auch im Abo zu haben.

Die 28-Jährige hat Betriebswirtschaftslehre an der LMU studiert, anschließend bei einer großen Investmentbank gearbeitet. In diesem Job ersann sie die Bellegs-Geschäftsidee - aus der Not heraus. "Ich würde alles geben, um keine Strumpfhosen kaufen zu müssen."

Gegründet hat sie ihr Unternehmen Ende 2010, einige Monate später ging die Alternative zum Strumpfhosenkauf online. "Ausschlaggebender Faktor für eine erfolgreiche Existenzgründung ist aber auch in wirtschaftlich guten Zeiten die sorgfältige Vorbereitung einer Unternehmensgründung", sagt Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern.

Natürlich habe sie sich mit einer Marktanalyse gründlich vorbereitet, erklärt Saharova, am Ende habe aber ihr Bauchgefühl gezählt. "Und das hat Ja gesagt." Bis jetzt werde das Angebot ganz gut angenommen. Sie wolle mit Bellegs weiterwachsen und suche bereits nach Investoren und Finanzierungspartnern. Was sie anderen Existenzgründern rate? "Keine Angst haben, einfach machen."

Franziska Gerlach

Ökostrom mit Herkunftsgarantie

Start-up-Unternehmen: Sie setzen auf Öko-Energie: Simon Stadler, Jakob Assmann und Florian Henle (von links).

Sie setzen auf Öko-Energie: Simon Stadler, Jakob Assmann und Florian Henle (von links).

(Foto: Stephan Rumpf)

Ökostrom mit Herkunftsgarantie

Ein Polarlicht spendet Helligkeit - die Firma Polarstern möchte Ökostrom bieten. Und Ökogas. Vor zwei Jahren wurden Jakob Assmann, Florian Henle und Simon Stadler, die bereits zuvor in der Energiebranche gearbeitet haben, vom Bundesministerium für Wirtschaft mit 100.000 Euro bei der Entwicklung eines reinen Ökogases gefördert.

Die drei lernten sich über einen gemeinsamen Freund kennen. Da entstand die Idee, zusammen etwas im Energie-Bereich zu machen. "Diese Branche ist momentan einfach sehr interessant, da sie gerade voll im Umbruch ist", meint Henle. Die Frage, die sie sich gestellt haben: Investment oder Selbstständigkeit? Die Entscheidung fiel: Sie wollen selbst etwas bewegen. Die Einsicht, dass es zwar Ökostrom gibt, aber kein gut bezahlbares Ökogas brachte die drei Jungunternehmer erst einmal zur Entwicklung des Gases.

Vergangenes Jahr folgte dann das Start-up Polarstern, das den Strom vertreibt. Riskant sei eine Unternehmensgründung immer, meint Henle, ein junger Vater. "Einen festen Job kann ich auch verlieren, hier habe ich es wenigstens selbst in der Hand", sagt er. "Man muss eine Chance sehen, sie wahrnehmen und dann durchhalten." Der Weg sei steinig gewesen, aber die Resonanz gut. Kommendes Jahr soll Polarstern schwarze Zahlen schreiben.

Franziska Nicolay

Beziehungstraining für Paare

Start-up-Unternehmen: "Zammbleiben": Katharina Bublath kümmert sich um Beziehungskisten.

"Zammbleiben": Katharina Bublath kümmert sich um Beziehungskisten.

(Foto: Stephan Rumpf)

Beziehungstraining für Paare

Ob verheiratet oder unverheiratet, mit Kind oder ohne: Eine Trennung ist für alle mit Kummer verbunden. Als Gutachter für das Familiengericht erlebten die Psychologinnen Bettina Bergau und Katharina Bublath besonders schlimme Trennungen.

Das nahmen die beiden Frauen zum Anlass, im September 2011 "Zamm" zu gründen. Seitdem verhelfen sie Paaren spielerisch dabei, zusammenzubleiben. "Wir wollen den Paaren in erster Linie Spaß und Freude bereiten. Nebenbei lernen sie etwas über die eigene Beziehung", sagt Bublath. Bei den Aktionsspielen sollen die Partnerteams zeigen, was sie voneinander wissen, und erfahren wissenschaftliche Hintergründe.

Vor allem jüngere Paare besuchen die Spieleabende: Manche lösen ihr Hochzeitsgeschenk ein, andere blicken nicht mehr ganz so rosa auf ihre Beziehung wie beim Kennenlernen. Selbst Paare, die erst ein halbes Jahr zusammen sind, nutzen das Beziehungstraining. In der Single-Hauptstadt München dürfen Alleinstehende nicht ausgeklammert werden, auch für sie gibt es Angebote.

Noch ist das Projekt in der Anfangsphase und der große Ansturm lässt bisher auf sich warten: "Vielen Paaren fehlt das Bewusstsein, dass sie eine Trennung verhindern können. Der erste Schritt ist, sich einzugestehen, dass Probleme bereits existieren", sagt Bublath.

Simone Strobel

Freizeitplanung im Internet

Start-up-Unternehmen: Haben inzwischen 20 Mitarbeiter: Geschäftsführer Yann Maurer, Rodney Yonnce und Sebastian von Johnston (von links).

Haben inzwischen 20 Mitarbeiter: Geschäftsführer Yann Maurer, Rodney Yonnce und Sebastian von Johnston (von links).

(Foto: Stephan Rumpf)

Freizeitplanung im Internet

Kaum ein Tag, an dem nicht aus einem Geistesblitz heraus ein neues Online-Unternehmen auftaucht, das innerhalb kurzer Zeit große Zahlen feiert. Der Online-Marktplatz Regiondo kann auf eine solche Erfolgsgeschichte zurückblicken: Yann Maurer und Rodney Younce kam im Mai 2011 die Idee, die Freizeitgestaltung für Deutschlands Regionen im Internet zu vereinfachen. Mittlerweile haben sie 20 Mitarbeiter - und so viele Seitenzugriffe auf www.regiondo.de, dass hin und wieder die Server ausfallen.

Regiondo ist eines von 19.062 Startups, die nach Angaben der IHK 2011 in München neu gegründet worden sind. Anders als in Oberbayern, wo immer weniger Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, bleiben die Zahlen in München beinahe konstant.

Regiondo funktioniert für ganz Deutschland, doch die Münchner sind im Vergleich besonders aktiv: Dabei können die Besucher - ähnlich wie beim Portal Ebay - Freizeitaktionen vom Flirtseminar bis zum Gleitschirmflug anbieten oder erwerben.

Finanziert wird die Seite über eine Provision, die der Anbieter für jedes verkauftes Ticket zahlt. "Wir haben die größte Oktoberfestparty organisiert oder eine Kunstausstellung in Stuttgart mit 360.000 Besuchern. Aber auch der Yogalehrer kommt über uns an seine Kunden", erzählt Sebastian Johnston, der von Anfang an dabei ist.

Simone Strobel

Online-Portal für Mode-Angebote

Start-up-Unternehmen: Schnäppchen und Schätze finden die Kunden bei Stylight.de.

Schnäppchen und Schätze finden die Kunden bei Stylight.de.

(Foto: Stephan Rumpf)

Online-Portal für Mode-Angebote

Vier Männer und Mode: Anselm Bauer, Benjamin Günther, Max-Josef Meier und Sebastian Schuon haben sich der Bekleidung verschrieben - nicht unbedingt, weil sie Fashion-Fanatiker sind: Zunächst wollten sie einfach nur eine Firma zusammen gründen. Dann folgte die Idee: Stylight.de, eine Schnäppchen-Plattform.

Kennengelernt haben sie sich beim Studium in München. "Wir haben gemerkt, dass wir sehr komplementär sind", sagt Benjamin Günther. Und weil sie sich gut ergänzen, wollten sie eine Firma gründen. Sie stellten fest, dass die Modebranche boomt, im E-Commerce aber unterrepräsentiert war.

So entstand die Idee von Stylight: Aus mehr als 70 Anbietern werden die besten Angebote gefiltert. Ein Prototyp war schnell programmiert, der Business-Plan geschrieben. "Wir hatten Glück", sagt Günther, "es sind schnell Privatiers, sogenannte Business-Angels, mit eingestiegen." Unter anderem der Gründer von billiger.de.

Damals waren die vier Männer noch Studenten, die Angst vor dem Scheitern war real. "Aber gerade das Team hat meiner Meinung nach zum Erfolg geführt. Weil wir uns so gut ergänzen, erkennen wir schnell Trends und können die dann umgehend umsetzen", erklärt Günther den Erfolg ihres Unternehmens. Mittlerweile hat Stylight.de knapp 30 Mitarbeiter.

Franziska Nicolay

Spiele für iPhone und iPad

Start-up-Unternehmen: Setzt auf Spiele für iPhone und iPad: Mimimi-Geschäftsführer Johannes Roth.

Setzt auf Spiele für iPhone und iPad: Mimimi-Geschäftsführer Johannes Roth.

(Foto: Stephan Rumpf)

Spiele für iPhone und iPad

Mimimi Productions ist den Kinderschuhen beinahe entwachsen. Das Start-up konzentriert sich auf die Entwicklung von Videospielen. Als Gesellschafter sind Johannes Roth und Dominik Abé eingetragen, insgesamt sind sie aber zu sechst. Zusammengefunden haben sie sich während ihres Studiums an der Mediadesign-Hochschule München.

Seit 2008 arbeiten die Entwickler bereits zusammen. Das Startkapital in Höhe von 4000 Euro schätzt Johannes Roth, der erst 23-jährige Geschäftsführer, als nicht sonderlich hoch ein. "Wir haben uns vorgenommen, uns über Projekte zu finanzieren."

Wodurch sie in einer Branche, die permanent in Bewegung ist, auf sich aufmerksam machen wollen? "Durch unseren Anspruch an grafische Gestaltung und Innovation", sagt Roth. Mittlerweile haben auch andere das Potenzial des jungen Start-ups erkannt. Als großen Kunden konnten die Münchner Ravensburger Digital gewinnen. Ihr Spiel "Dawindci", entwickelt für iPhone, iPod Touch und iPad, hat als erstes deutsches Spiel überhaupt den Apple Design-Award gewonnen.

Aus den Umsatzerlösen soll das Unternehmen weiter ausgebaut werden. Früher oder später stehe die Umwandlung in eine GmbH an. "Wir würden gerne auch Mitarbeiter einstellen, aber die Arbeitgeberanteile sind leider recht hoch", sagt Roth.

Franziska Gerlach

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