Kultur:"Eine kleine Alien-Disko-Variante" am Starnberger See

Lesezeit: 3 min

Seetauglich: Die "Hochzeitskapelle", hier 2019 vor der Herrschinger Seepromenade bei einem Spontankonzert mit zwei koreanischen Musikern an Bord. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Beim "Geisterbahn"-Festival bespielen Münchner Bands wie die Hochzeitskapelle gemeinsam mit Musikern aus Japan eine leerstehende Villa am Starnberger See.

Von Jürgen Moises

Musik geht ihre eigenen, oft unvorhersehbaren und teilweise sehr überraschenden Wege. Da macht man seine Balkontür in der Baaderstraße auf, spielt auf Harmonium, Akustikgitarre, Banjo, Glockenspiel, Percussion und Kinderharfe ein paar Lieder. Und das, was sich an Musik und Klängen aus der Stadt vermischt, ist dann nicht nur in München auf der Straße, sondern auch in Japan zu hören: auf der Independent-Musik-Plattform Minna Kikeru. Passiert ist das Ganze 2021.

Die Instrumente hat der von Bands wie The Notwist, Hochzeitskapelle und Spirit Fest bekannte Markus Acher gespielt und unterstützt von Saya Ueno von der japanischen Band Tenniscoats auch Texte dazu eingesungen. Neben der erwähnten Plattform kann man die vier Stücke inzwischen auch auf der EP " Like A Plane" hören, die am 27. Mai bei Morr Music erschienen ist. Das Besondere: Der Münchner Musiker hat sie nicht unter seinem Solo-Projekt-Namen Rayon herausgebracht, sondern erstmals unter seinem echten Namen.

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Der Grund? Das sehr private Setting in Achers altem Appartement, das nun am 19. Juni gewissermaßen durch die Villa de Osa in Kempfenhausen am Starnberger See ersetzt wird. Nicht, dass der Musiker da jetzt wohnt. Nein, dort findet am selbigen Tag das "Geisterbahn"-Festival statt, auf dem Markus Acher seine Solo-EP vorstellt. Außerdem tritt er dort mit der Hochzeitskapelle auf, Saya Ueno spielt mit ihrem Duo Tenniscoats. Mit Ichi ist ein weiterer japanischer, inzwischen in Bristol ansässiger Musiker im Line-up vertreten.

Aus München treten der Noise-Künstler Anton Kaun alias Rumpeln, die musizierende Künstlerin Anna McCarthy und das No-Wave-Punk-Rumpel-Trio G.Rag / Zelig Implosion - Deluxxe auf. Das Elektronik-Duo Joasihno ist ebenso an Bord, wie Maxi Pongratz von Kofelgschroa, der mit " Meine Ängste" ebenfalls vor kurzem eine sehr schöne neue Solo-Platte veröffentlicht hat.

Die Idee zum Festival in der Villa de Osa entstand extrem spontan

Wie es zur Geisterbahn am Starnberger See kam? "Extrem spontan", erzählt Markus Acher. Und durch einen Zufall, der mit Andreas Ammer zusammenhängt. Der Journalist und Autor, mit dem zusammen Markus und Micha Acher seit Jahren Hörspiele machen, bekam nämlich das Angebot, die sonst leerstehende Villa de Osa einmalig zu bespielen. "Dort gibt es jetzt die tolle Ausstellung "Von A bis Z" mit Gemälden von Herbert Achternbusch und Bernd Zimmer", so Acher. "Und wir haben die Gelegenheit sehr spontan genutzt, um eine kleine Alien-Disko-Variante zu organisieren." Also gewissermaßen einen Sommer-Ableger des von Markus und Micha Acher kuratierten Festivals, das bisher immer im Winter in den Münchner Kammerspielen stattfand.

Ein zusätzlicher, glücklicher Umstand war dabei, dass Spirit Fest und damit auch die zur Band gehörenden Saya und Takashi Ueno von den Tenniscoats aktuell auf Tour sind. Und Ichi wird am 17. Juni als Ein-Mann-Band mit selbstgebauten Instrumenten im Rahmen einer von den Acher-Brüdern kuratierten Reihe in der Villa Stuck auftreten, bevor es dann am 19. Juni in die Geisterbahn geht. Warum der Name? "Weil die Villa an sich keine normale Spielstätte ist, und es keine Möglichkeit für eine Bühne in dem Sinn gibt, vor der alle Leute gleichzeitig stehen", erklärt Acher. "Deswegen hatten wir die Idee, die Bands und Musikerinnen zeitversetzt auf dem Gelände und die verschiedenen kleinen Räume zu verteilen - wie in einer Geisterbahn eben."

Glückliche Fügung: Die Zwei von den "Tenniscoats" waren aktuell sowieso gerade auf Tour. (Foto: Morr Music)

Gruseln wird man sich dort jedenfalls nicht, auch wenn das lange als Privatklinik genutzte Haus eine leicht unheimliche Geschichte hat. Stattdessen dürfte es ein musikalisch vielseitiger Abend werden, der offiziell um 18 Uhr beginnt. Karten gibt es für 25 Euro entweder vor Ort oder zuvor beim Optimal Schallplatten-Laden (Kolosseumstr. 6). Wer schon mal dort ist, kann sich gleich noch nach zwei weiteren, das Festival ergänzenden Veröffentlichungen umhören. Da wäre zum einen der auch bei Morr Music erschienene Re-Release von " Papa's Ear" von den Tenniscoats. Ein Mini-Album, das das Indiepop-Duo 2012 zusammen mit dem schwedischen Post-Rock-Trio Tape herausbrachte. Das bereits 2007 zusammen mit Tape produzierte Album "Tan-Tan Therapy" ist ebenfalls auf dem Re-Release enthalten.

Und dann ist da noch der am 24. Juni auf dem Alien-Transistor-Label erscheinende, von Markus Acher und Saya Ueno zusammengestellte Doppelsampler " Alien Parade Japan". Darauf sind ebenfalls die Tenniscoats vertreten, sowie zahlreiche japanische Bands, bei denen Metall- und Holzblasinstrumente zur Ausstattung gehören.

Dass die Hochzeitskapelle nämlich nicht die einzige alternative Blaskapelle mit Indie- oder Punk-Bewusstsein ist, das musste Markus Acher nach seinem mehrfachen Eintauchen in die japanische Underground-Szene sehr schnell lernen. Im Falle des Saxofon-Tuba-Duos Strada und des Bläser-Trios Compostela reicht dieser "Spirit" sogar bis in die Neunziger zurück. Ein ganz eigener, unerwarteter Kosmos, der sich vor einem auftut, und der einen immer wieder überrascht.

Geisterbahn Festival, So., 19. Juni, 18 Uhr, Villa de Osa in Kempfenhausen, Münchner Str. 29

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