Süddeutsche Zeitung

Zukunftsprojekte:Masterplan für Feldafing

Die Gemeinde muss sich genau überlegen, was sie mit der riesigen Kasernenfläche anfangen will, wenn das Militär abgezogen ist. Der Zeitrahmen dafür ist eng. Ein schlüssiges Gesamtkonzept soll in einem Jahr vorliegen

Von Otto Fritscher, Feldafing

Das Zauberwort heißt "Isek". Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim kommt diese Abkürzung schon so geläufig über die Zunge, dass er kurz nachdenken muss, bevor er die Langform ausspricht: Ein "Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept" ist für ihn das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, aus den Vorstellungen, was mit dem Areal der Fernmeldeschule nach Abzug der Bundeswehr gemacht werden soll, konkrete Pläne zu formen. Eine Art Grundlagengutachten also, in dem untersucht wird, was auf der mehr als 30 Hektar großen Kasernenfläche gebaut werden soll und kann, wenn die Bundeswehr voraussichtlich Ende 2020 die Flaggen einrollt. Im kommenden Herbst wird der Gemeinderat entscheiden, welches Architekturbüro diesen Masterplan für Feldafing ausarbeiten darf. Fertig sein soll das Isek dann Mitte 2018.

"In dem Konzept wird die künftige Entwicklung des gesamten Ortes, nicht nur des Kasernengeländes, von vielen verschiedenen Perspektiven aus beleuchtet", erklärt Konversionsmanagerin Katharina Winter, die bei der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung (Gwt) als Konversionsmanagerin angestellt ist. Denn die Ansiedlung von Gewerbe, Handel und Handwerk, aber auch der Bau von Wohnungen hat Auswirkungen, "die weiter über Feldafing in den ganzen Landkreis ausstrahlen", sagt Winter: Verkehr, Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Geschäfte, Umweltbelastungen - um nur einige Aspekte zu nennen.

Sontheim hat schon Vorstellungen, wie die Fläche genützt werden könnte: "40 Prozent bleiben Grünfläche, 60 Prozent können beplant und genutzt werden." Mehr als ein Dutzend Hektar seien "Wald, in den wir gar nicht reindürfen." Auch von kartierten Biotopen ist die Rede. Eine Mischnutzung schwebt Sontheim - und auch dem Gemeinderat vor: Gewerbe, das nicht stinkt und keinen Krach macht, soll angesiedelt werden; "von der kleinen Klitsche bis zum Großkonzern" kann sich Sontheim alles vorstellen, "nur kein Logistikzentrum oder so was." Auch soll Platz für einheimische Betriebe sein, die umziehen oder erweitern wollen. "Aber ich will kein 08/15-Gewerbe", sagt Sontheim klar. Er stellt sich vor allem Betriebe aus den Clustern Gesundheit, Biotech oder Luft- und Raumfahrt vor. "Auch eine Forschungseinrichtung aus dem universitären Bereich wäre schön", so dass Feldafing "vielleicht Hochschulort" werden könnte.

Aber: "Klar ist auch, dass wir Wohnraum schaffen müssen, auch für die Menschen, die dann dort arbeiten werden", so Sontheim. Genauso wichtig ist es Winter und dem Bürgermeister aber, auch ein EU-konformes Einheimischen-Modell zu verwirklichen. Und geklärt werden muss, was mit den denkmalgeschützten Sturmblock-Häusern aus der Nazi-Zeit geschehen soll. Wie hoch der Einwohnerzuwachs des Ortes, der momentan rund 4300 Einwohner hat, in ein paar Jahren sein wird? Sontheim lässt sich nur zu vorsichtigen Schätzungen bewegen. "In 20 Jahren werden es sicher mehr als 5000 sein. Wir dürfen in den nächsten drei Jahren keinesfalls jetzt schon alles zuballern."

Die größte Hürde steht indes noch an, wenn das Isek fertig und vom Gemeinderat verabschiedet ist. Die Gemeinde will nämlich das gesamte Gelände von der Bundesimmobilien-Anstalt (Bima) kaufen; es soll keinesfalls an einen privaten Investor gehen. "Nur über die Eigentumsrechte können wir sicher sein, dass dort nichts passiert, was wir nicht wollen", sagt Sontheim. Der Haken an der Sache: Es muss ein Wertgutachten für das 32-Hektar-Gelände erstellt werden. "Ackerflächen kosten fünf Euro pro Quadratmeter, Wohnflächen 1000 Euro", zeigt Sontheim die Preisspanne auf. Es sei völlig offen, wie hoch der Wert der Kasernenfläche taxiert werde. Und noch nicht sicher ist, ob die Gemeinde dann den Kaufpreis, der durchaus im zweistelligen Millionenbereich liegen könnte, stemmen kann. "Wir sparen jetzt schon, wo wir können", sagt Sontheim. Denkbar sei auch eine Finanzierung. Am liebsten wäre es Sontheim, der Kauf wäre schon in trockenen Tüchern, wenn die Soldaten abziehen. "Wenn die Bundeswehr draußen ist, sollte der Notar den Stempel unter den Kaufvertrag setzen." So oder so: Auf jeden Fall handelt es sich um ein riesiges Areal, das von den Ausmaßen her so groß ist wie die Entfernung vom neuen Rathaus - also dem Bahnhof - bis hinunter zum alten Rathaus.

Für Bürgermeister Sontheim geht es nicht nur um eine ortsverträgliche Entwicklung, sondern auch darum, die finanzielle Entwicklung der Gemeinde auf solide Füße zu stellen. Optimal sei es, wenn der kommunale Anteil an der Einkommensteuer und die eigenen Gewerbesteuereinnahmen in etwa gleich hoch sind. Wie er das erreichen will? "Ich habe meinen eigenen Masterplan", sagt Sontheim und lacht. Mehr will er noch nicht sagen.

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SZ vom 19.08.2017
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