Zu viele Themen in einer Sitzung:Beschwerde gegen Starnbergs Bürgermeisterin

Stadtrat Otto Gaßner beklagt einen ständigen, eklatanten Rechtsbruch wegen überlanger Sitzungen und benennt Landrat Karl Roth dafür als Zeugen

Von Peter Haacke, Starnberg

Für den Starnberger Stadtrat Professor Otto Gaßner ist die Grenze des Zumutbaren erreicht, was die Amtsführung der Starnberger Bürgermeisterin Eva John betrifft. Als Reaktion auf die Ankündigung einer nach Ansicht vieler Stadträte nicht zu bewältigenden Tagesordnung für die kommende Sitzung des Stadtrats am Donnerstag, 28. September, hat der Jurist eine Dienst- und Rechtsaufsichtsbeschwerde gegen die 50-Jährige auf den Weg gebracht: Das Landratsamt soll klären, ob die von der Bürgermeisterin festgelegte Tagesordnung, deren Behandlung seiner Ansicht nach elf Stunden und damit bis morgens um 4 Uhr dauern würde, noch rechtmäßig ist. Der Vorwurf des Stadtrates: Die Rathauschefin verstoße mit dem Umfang der vorgesehenen Themen vorsätzlich in eklatanter Weise gegen Dienstpflichten gegenüber städtischen Mitarbeitern, ehrenamtlichen Stadträten und gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit.

Der Starnberger Stadtrat ist berüchtigt für nächtliche Marathonsitzungen. Mehrfach tagte das Gremium schon stundenlang, was die Leistungsfähigkeit der Teilnehmer sehr strapaziert. Unter John, die auch den Inhalt und die Themen bestimmt, wurden einige Sitzungen zur zähen Angelegenheit. Weit nach Mitternacht fielen etwa wichtige Entscheidungen über Tunnel oder Fachoberschule. Gaßner hat Landrat Karl Roth und Kämmerer Stefan Pilgram als Zeugen benannt.

Starnberg Stadtrat

Wehrt sich gegen überlange nächtliche Sitzungen im Starnberger Stadtrat: Otto Gaßner hat Dienst- und Rechtsaufsichtsbeschwerde gegen Bürgermeisterin Eva John erhoben.

(Foto: Georgine Treybal)

Protest gegen die Tagesordnung mit bislang 22 Punkten hatte zunächst Stadtrat Thomas Beigl (CSU) kundgetan: "Das kann nicht Ihr Ernst sein", teilte er Bürgermeisterin John per E-Mail mit. "Sie wissen ganz genau, dass das nicht leistbar ist". Sollte das Gremium wirklich alle Punkte mit "Sinn und Verstand abarbeiten wollen, brauchen wir uns alle bis Sonntag, 1. Oktober, nichts vorzunehmen", schreibt er. Angesichts des Beratungsumfangs hätte John besser mehrere Sitzungen geplant. Außerdem seien die Unterlagen unvollständig und Beschlussvorlagen "sehr lückenhaft". Auch Gerd Weger (CSU) und Angelika Kammerl (DPF) forderten John auf, das Programm auf ein vertretbares Maß zu verkürzen. Mit seiner Dienst- und Rechtsaufsichtsbeschwerde erhöht Gaßner nun den Druck. Er fordert die Kommunale Rechtsaufsicht auf, schnellstens gegen die nächtlichen Marathonsitzungen einzuschreiten und einen "ständig stattfindenden Rechtsbruch" abzustellen, zumal Sitzungstermine und -zeiten von John wiederholt willkürlich festgelegt worden seien. Eine "Willensbildung in sachgerechter Weise" werde auf diese Weise vereitelt, erklärt Gaßner.

Tatsächlich finden sich in dem Programm, dass erstmals bereits um 17 Uhr mit dem nichtöffentlichen Teil beginnt, politisch für die Stadt bedeutsame Schwergewichte, die schon allein mehrstündige Beratungen erfordern würden. Darunter ein Rechtsgutachten zu Folgen eines Nichterfüllens des Bahnvertrags, der aktuelle Stand zur Sanierung des Wasserparks, wo sich massive Schwierigkeiten beim Bau und der Finanzierung abzeichnen, sowie das Thema "Rathauserweiterung".

Starnberg Stadtrat

Wehrt sich gegen überlange nächtliche Sitzungen im Starnberger Stadtrat: Otto Gaßner hat Dienst- und Rechtsaufsichtsbeschwerde gegen Bürgermeisterin Eva John erhoben.

(Foto: Georgine Treybal)

Die Öffentlichkeit ist von 20 Uhr an zugelassen. Unter den 13 verblieben Punkten sind unter anderem die Komplexe "Seeanbindung" nebst Klage gegen die Bürgermeisterin wegen Untätigkeit, die Nachprüfung des Haushalts für die vergangenen beiden Jahre, Empfehlungen des Rechnungsprüfungsausschusses sowie die mangelhafte Öffentlichkeitsarbeit und Dokumentation der Stadtverwaltung.

Unberücksichtigt blieb bislang der Antrag der Bürgerliste, die wissen will, was John seit Februar im Hinblick auf eine Umfahrung unternommen hat. Und über den jüngsten Beschluss zur Straßenausbaubeitragssatzung, bei dem der Stadtrat etwas anderes besprochen hatte, wird ebenfalls erneut zu reden sein. Die 30 Stadträte aus neun Fraktionen werden nun genau entscheiden müssen, worüber sie debattieren wollen. Die Dienstaufsichtsbeschwerde aber könnte ein weiterer Fall für das Verwaltungsgericht werden.

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