Süddeutsche Zeitung

Würmtal:Urlaub für alle

Kurzzeitpflege verschafft Angehörigen eine Pause

Von Anna-Maria Salmen, Würmtal

Es sind Ferien, viele Familien freuen sich auf den lang ersehnten Urlaub. Wer jedoch zu Hause einen alten oder kranken Menschen pflegt, den stellt eine Reise oft vor große Herausforderungen. Eine Lösung kann die Kurzzeitpflege sein: Bedürftige können dabei für begrenzte Zeit in einer Pflegeeinrichtung wohnen und versorgt werden. Bis zu acht Wochen jährlich ist das möglich. Bei Menschen mit den Pflegegraden zwei bis fünf übernimmt die Pflegeversicherung die Kosten bis zu einem Höchstbetrag von 1612 Euro pro Jahr. "Kurz vor den Ferien häufen sich immer die Anfragen", sagt die Leiterin des Caritas-Hauses Sankt Gisela in Gräfelfing, Mirjam Dirscherl.

Die Caritas wendet bei der Vergabe von Kurzzeitpflegeplätzen in ihren Einrichtungen das Modell "Fix plus x" an. Jedes der 28 Pflegehäuser in und um München reserviert dabei eine bestimmte Anzahl an Betten, die sich nach der Größe des Heims richtet. Im Gegenzug erhalten die Einrichtungen verbesserte wirtschaftliche Rahmenbedingungen bei der Preisbildung für diese Plätze. Zusätzlich haben sie die Möglichkeit, spontan weitere Kurzzeitpflegegäste aufzunehmen.

Dass die Kurzzeitpflege nicht nur eine Entlastung für die Angehörigen sein kann, sondern auch eine Art Urlaub für die Senioren selbst, dafür sorgt in den meisten Einrichtungen ein vielfältiges Programm. Denn die Gäste werden in die Aktivitäten eingebunden, die die Betreuer auch für die dauerhaften Bewohner anbieten. Gedächtnistraining, Bewegungsübungen, Gymnastik, Singen und Musizieren - all das steht in fast jedem Pflegeheim regelmäßig auf dem Plan. Dennoch könne ein kurzzeitiger Ortswechsel für Personen mit Orientierungsproblemen schwierig sein, sagt Dirscherl. Die Beratung vor der Buchung sei in diesen Fällen unerlässlich. Es komme auch vor, dass sie den Angehörigen von der Kurzzeitpflege abrate.

Das breit gefächerte Angebot der Kurzzeitpflege überzeugt einige Senioren so sehr, dass sie nach ihrem Besuch gar nicht mehr nach Hause möchten. Auch Dirscherl hat die Erfahrung gemacht, dass viele die Kurzzeitpflege als "Wohnen auf Probe" nutzen. Man könne für einige Wochen ungezwungen ausprobieren, ob der Pflegebedürftige sich gut einlebe oder ob ihm die Unterbringung im Heim gefalle. "Viele verlieren dadurch die Ängste vor einem Pflegeheim", sagt die Gräfelfinger Heimleiterin. "Sie merken, dass sie plötzlich wieder viel mehr machen können, sei es durch neu geknüpfte Kontakte oder durch Veranstaltungen."

Mirjam Dirscherl erinnert sich gerne an einen Mann zurück, der vor längerer Zeit zur Kurzzeitpflege in das Haus Sankt Gisela gekommen war. Auch wenn der Senior nicht komplett in das Heim gezogen ist: "Er hat hier eine Bewohnerin kennengelernt, die er auch heute noch jede Woche besucht."

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Quelle:
SZ vom 16.08.2019
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