Workshop:Der Tourist als Störenfried

Kommunalpolitiker klagen über den Verkehr durch Ausflügler. "Sie machen Lärm, verschmutzen die Luft und nehmen uns den Platz weg", sagt eine Gemeinderätin

Von Peter Bierl, Eching

Eching,  Workshop Gestaltung der Freizeiräume der Region

Die Teilnehmer am Workshop studieren Pläne und Skizzen. Zuvor wurde eine Bestandsaufnahme von Freizeitangeboten, Infrastruktur, Schutzgebieten und ungenutzten Potenzialen erarbeitet.

(Foto: Georgine Treybal)

Die Münchner, die am Wochenende an die Seen fahren, werden von Einheimischen als Plage empfunden. "Die Autos stehen Schlange quer durch den Ort, sie machen Lärm, verschmutzen die Luft und nehmen uns den Platz weg", sagt Barbara Wanzke (Grüne), Gemeinderätin aus Inning, über die Gäste. Die einzigen, die profitierten, seien doch die Wirte. "Wir sind mehr als überbelastet, wir brauchen nicht noch mehr Touristen", sekundiert Siegfried Luge (CSU), Bürgermeister von Eching am Nordende des Ammersees. Er jedenfalls werde kein Geld dafür ausgeben, damit noch mehr Leute kommen.

Das Großprojekt "Freizeiträume an den Seen der Region", das die Lokale Aktionsgruppe (LAG) des europäischen Förderprogramms "Leader" gestartet hat, befindet sich in einer doppelten Zwickmühle. Zuschüsse aus Brüssel gibt es nicht für Umweltschutz, sondern für wirtschaftliche Entwicklung, also Wachstum. Genau davon haben die Betroffenen die Nase voll. Das wurde bei einem Bürgerworkshop am Freitag in Eching deutlich, auf dem etwa zwei Dutzend Bürger und Kommunalpolitiker diskutierten. Eigentlich will keiner irgendetwas tun, was die Region noch attraktiver für Auswärtige macht. Selbst LAG-Vorstand Klaus-Peter Wershofen aus Eresing meinte: "Wir haben genügend Freizeitflächen."

Die Stadtplanerin Claudia Schreiber meinte, man brauche nicht unbedingt neue Projekte. "Es ist viel vorhanden, man muss anders damit umgehen." Denn bereits jetzt herrsche ein "Wahnsinnsdruck" auf die Region. Schreiber hat für Leader eine Bestandsaufnahme von Freizeitangeboten, Infrastruktur, Schutzgebieten und ungenutzten Potenzialen erarbeitet. Diese Studie präsentierte sie am Freitag in Eching als eine Zwischenbilanz, dazu eine Liste von Vorschlägen: In Andechs könnte man einen Klanggarten einrichten, in Anspielung auf Carl Orff, in Grafrath eine Kanu-Lände an der Amper, in Inning eine Art Trimm-Dich-Pfad für alle Altersgruppen, in Seefeld ein weiterer Badesteg oder in Utting die Keltenschanze als Attraktion präsentieren.

Der Leader-Manager Detlef Däke, Unternehmensberater und ehemaliger Landratskandidat der Grünen im Landkreis Landsberg, möchte die Studie heuer möglichst abschließen und samt ersten Projektskizzen einreichen. Bei der Stimmungslage hatte er es jedoch nicht einfach.

Sogar der Vorschlag von Claus-Peter Lieckfeld von der Bürgerinitiative Lebendiger Ortskern (BILO) aus Windach, einen kostenlosen Ringbus rund um den Ammersee anzubieten, der an den S-Bahnhöfen Geltendorf und Herrsching startet, um die Autolawine zu bremsen, stieß auf Widerspruch. Ein Gratis-Bus bringe noch mehr Leute, damit sei die Gesamtmenge aber nicht zu bewältigen, warnte Luge. Während die Dießener Gemeinderätin Petra Sanders (Grüne) darauf hinwies, dass neben dem Hotel- und Gaststättengewerbe auch heimische Handwerker und Händler von dem Besucherstrom profitieren, prognostizierte der Echinger Bürgermeister: "Wenn ihr in Dießen die Seeanlagen renoviert, werdet ihr überrollt."

Einige Teilnehmer am Workshop wiesen darauf hin, dass sowieso mehr Menschen kommen, weil München und Augsburg wachsen. Für das neue Stadtviertel Freiham werde mit der Nähe zu den Seen geworben, erinnerte Däke. Luge betonte, es müsse um Freizeitmöglichkeiten für Einheimische gehen, er möchte Wanderwege mit Ruhebänken für Senioren. Lieckfeld beharrte darauf, den Autoverkehr als zentrales Problem anzugehen. Die Planerin Schreiber empfahl ein Radwegekonzept.

Das Verkehrsproblem lässt sich allerdings in der Region mit Leader nicht wirklich lösen. Der Echinger Bürgermeister Luge wies darauf hin, dass der Landkreis Landsberg nicht Mitglied des MVV ist. Für den Ausbau der Bahn ist ohnehin die bayerische Staatsregierung zuständig. Die verspricht seit Jahrzehnten einen Ausbau der S 4, die in Geltendorf endet und ideal für eine Entlastung wäre, bringt aber nichts voran.

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