Wohnungen und Supermarkt:Leserbriefdebatte zu den Plänen in Wörthsee

Wohnen und Einkaufen - Gigantischer Verkehr

Die Gemeinderäte haben sich mehrheitlich für ein Ratsbegehren im Zusammenhang mit dem in Wörthsee geplanten Vollsortimenter ausgesprochen. In der SZ wird die Bürgermeisterin zitiert, es sei das gute Recht der Gemeinderäte, deren Arbeit bewerten zu lassen. Das finde ich auch. Das ist legitim und fair. Aber, dass der Gemeinderat die Entscheidung über den Nahversorger mit dem Bau der Genossenschaftswohnungen verknüpft, ist nicht fair. Im Kommentar in SZ ist zu lesen, dass es sich bei der Verknüpfung nicht um Erpressung handelt, sondern eher um eine Finte. Eine Finte ist eine Täuschung. Und wenn der Gemeinderat die Bürger von Wörthsee mit einer Täuschung versucht zu beeinflussen, dann wird hier viel Vertrauen verspielt. Dann kann auch nicht von einer Bewertung der Arbeit des Gemeinderates oder von einem offenen Bürgerentscheid die Rede sein. Die Verknüpfung ist nicht notwendig und viele Einwohner von Wörthsee stehen dem genossenschaftlichen Wohnungsbau sehr aufgeschlossen gegenüber.

Doch auch wenn viele neue Wohnungen in Wörthsee entstehen, möchten ich keinen Riesen-Vollsortimenter mit 59 Parkplätzen im Herzen des Ortes. Der Supermarkt wird uns Einwohnern einen gigantischen Zuwachs an Verkehr zumuten. Im Verkehrsgutachten der TSC Beratende Ingenieure für Verkehrswesen vom 26. Mai 2020 ist zu lesen, dass mit 1286 zusätzlichen KFZ-Fahrten pro Werktag zu rechnen ist. Zum Vorwurf, "reichlich spät" (kommen die Einwände gegen den Vollsortimenter) möchte ich erwähnen, dass sieben der wichtigsten Gutachten im Jahr 2020 erstellt wurden. Erst dort wurde das ganze Ausmaß dieses Vorhabens detailliert beschrieben und kommentiert. Petra Roscher, Wörthsee

Seit Jahren sehnlichst gewünscht

Mit 850 Unterschriften hat schon eine große Anzahl von Bürgern aus Wörthsee dagegen Stellung bezogen. Wogegen eigentlich? Vollsortimenter? Dichte Bebauung? Flächenversiegelung? Bäume fällen? Verkehrsbelastung? Veränderung? Mangelnde Informationen? Nach sieben Jahren Planung reiben sich viele überrascht die Augen und wundern sich, dass endlich etwas passiert. Und schon wird aus allen Rohren gefeuert. Hier wird dringend benötigter Wohnraum entstehen in Verbindung mit einem neuen Vollsortimenter, den sich viele von uns seit Jahren sehnlichst herbeiwünschen, damit die unsägliche Monopolstellung unseres einzigen Marktes endlich vorbei ist. Viele von uns fahren immer wieder mit dem Auto zum Einkaufen nach Gilching, Inning, Eching, Seefeld, Herrsching, Fürstenfeldbruck. Warum kaufen wir nicht bei uns im Ort ein? Den Klimawandel werden wir nicht aufhalten, wenn wir 200 Quadratmeter nicht versiegeln, wenn wir ein paar Buchen nicht fällen (die an anderer Stelle in größerem Umfang wieder aufgeforstet werden). Dazu braucht es gravierendes richtungweisendes Umdenken in der Politik mit schmerzhaften Einschnitten für alle. Weltweit. Das soll nicht heißen, dass wir nicht auch mit kleinen Maßnahmen zur Rettung der Menschheit bei uns selbst beginnen sollen. Nur unsere individuellen Möglichkeiten sind wohl kaum messbar.

Der Gipfel abstruser Ideen ist aber die gewünschte Wiederauferstehung des Dorfladens. Eine Klatsche gegen die ehrenamtlichen Helfer, die mit unermüdlichem Einsatz vergeblich versucht haben, den alten Dorfladen zu retten. Wo waren die jetzt 850 "Unterschreiber" damals? Haben sie alle im Dorfladen eingekauft? Ich kann mich noch gut an die ersten Umfragen vor vielen Jahren erinnern, als gefragt wurde, wer alles im Dorfladen einkaufen will. Es gab eine beeindruckende begeisterte Resonanz. Als es aber darum ging, für Umsatz im Dorfladen zu sorgen, haben sich nur wenige treue Kunden gefunden. Unser Einkaufsverhalten ist darauf ausgerichtet, den Einkaufszettel möglichst in einem Markt abzuarbeiten und nicht mehrere verschiedene Märkte anzusteuern. Gerd Lackmann, Wörthsee

Zweifel an der Wirtschaftlichkeit

Einzelne Gemeinderäte sind "empört", dass Bürger es wagen, ihre Supermarktplanung in Frage zu stellen. Bei der Durchsicht des von der Gemeinde zur Verträglichkeitsprüfung zu ihrem Projekt eingeholten Gutachtens der CIMA ergeben sich erhebliche Zweifel, ob das Supermarktkonzept überhaupt wirtschaftlich tragfähig ist. Wörthsee hat 5000 Einwohner. Laut Studie des bayerischen Wirtschaftsministeriums "Nahversorgung in Bayern" benötigt ein einziger Supermarkt zur Rentabilität inzwischen mindestens einen Einzugsbereich von 5000 Einwohnern. Es gibt in der Gemeinde bereits einen großen Supermarkt. Die Gutachter für die Gemeinde Wörthsee versuchen dennoch, eine Rentabilität und einen wirtschaftlichen Gewinn eines weiteren Supermarkts mit identischem Konzept gegenüber den Nachteilen wie zum Beispiel Baumfällungen, Flächenverbrauch oder zusätzliche Verkehrsbelastung zu behaupten.

Dazu werden die vermuteten Lebensmittelumsätze vor Ort um rechnerisch fast 30 Prozent oder 2,2 Millionen Euro über dem geschätzten aktuellen Niveau angesetzt. Die Gutachter summieren hierfür Umsätze auf, die heute im weiteren Umland getätigt werden. Diese Zahlen sind methodisch fragwürdig. Einkaufsfahrten in größere Zentren haben im Alltag verschiedenste Motive. So die Bündelung des Kaufs von Artikeln verschiedener Geschäfte mit zum Beispiel Arzt- oder Dienstleisterbesuchen. Oder der Besuch von Spezialanbietern wie Frischfisch, Feinkost oder italienische Waren, Weine und so weiter. Oder die Suche nach billigen Discountern. Völlig außer Acht lassen die Gutachter auch, dass die vielen Berufspendler im Ort laut der bayerischen Nahversorgungsstudie zu 50 Prozent am Arbeitsort einkaufen. Den rasant zunehmenden Online-Lieferservice lassen die Gutachter ebenfalls außer Acht. Dr. Stephan Bleek, Wörthsee

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