Wohngenossenschaft in Tutzing:Mieter und gleichzeitig Eigentümer

Eine Gruppe von Tutzingern will eine Genossenschaft gründen, um für sich Wohnraum zu bezahlbaren Preisen zu schaffen. Das Interesse beim Infoabend ist groß. Doch jetzt beginnt die schwierige Suche nach einem Grundstück

Von Sabina Zollner, Tutzing

Jeder träumt von den eigenen vier Wänden. Ein großer Garten, eine Sauna im Keller oder ein Swimmingpool. Die Möglichkeiten sind endlos. Doch wer heutzutage eine Immobilie erwerben will, der muss entweder überdurchschnittlich viel verdienen oder durch Erbschaft reich werden. So sind die meisten an Mietwohnungen oder Mietshäuser gebunden. Doch es gibt eine dritte Möglichkeit: genossenschaftlich wohnen.

Im Landkreis Starnberg gibt es bisher nur die fast 100 Jahre alte Wohnungsgenossenschaft Starnberger See. Das will eine Gruppe von Tutzinger Bau- und Immobilienfachleuten ändern. Michael Ehgartner, Sachverständiger für Immobilienbewertung, Bauingenieur und Architekt Eberhard Möller, Projektleiter Mike Wolthausen und Kreis- und Gemeinderat Bernd Pfitzner (Grüne) veranstalteten einen ersten Informationsabend "Bezahlbares Wohnen: Gemeinsam schaffen wir das!" im Tutzinger Hof. Dort wurde über genossenschaftliches Wohnen aufgeklärt sowie erste Kontakte geknüpft.

Zu Gast war die Regisseurin Uli Bez, deren Dokumentarfilm "Wer wagt, beginnt" gezeigt wurde: Darin begleitet sie die Gründung einer Wohnbaugenossenschaft in München. Dort entstanden 53 Wohnungen, ein Dachgarten, zwei Gästeapartments und eine Apfelwiese. Auch Bez zog ein. Vor allem das Gemeinschaftsgefühl bei der Genossenschaft ist besonders. "Am Anfang brauchte ich eineinhalb Stunden vom Eingang bis zu meiner Wohnungstür", scherzt die Regisseurin. Nach dem Film wurde angeregt diskutiert. Eins ist klar: Das Interesse an einem ähnlichen Projekt in Tutzing ist groß. Schon vor der Veranstaltung erhielt Initiator Michael Ehgartner erste Anfragen.

Doch wie funktioniert eine Genossenschaft? In dem Modell ist eine Gemeinschaft von Mietern gleichzeitig Eigentümer einer Immobilie - jeder Einzelne hat somit einen Anteil. Dieser Anteil wird durch eine Einlage erworben, die der Mieter beim Auszug zurückbekommt. Da die Genossen als Eigentümer keinen Profit machen, sind sie als Mieter keinen hohen Preissteigerungen ausgesetzt. Auch sind die Bewohner davor geschützt, aus ihrer Wohnung ausziehen zu müssen, da es keinen Vermieter gibt, der Eigenbedarf anmelden kann. Die Mieter zahlen lediglich eine monatliche Nutzungsgebühr, welche die Kosten deckt.

Bei der Münchner Genossenschaft zahlen die Mieter eine Nutzungsgebühr von etwa 9,40 Euro pro Quadratmeter. Damit liegt der Preis weit unter der durchschnittlichen Miete in München, die derzeit oft mehr als 15 Euro pro Quadratmeter ohne Nebenkosten beträgt.

Die Zahlen für ein Tutzinger Projekt sehen höchstwahrscheinlich anders aus. Das Projekt ist noch in den Startlöchern. "Erst muss der konkrete Bedarf geklärt werden", erklärt Ehgartner, Sprecher der zu gründenden Baugenossenschaft. Er hält genossenschaftliches Wohnen für eine Lösung, um nachhaltig bezahlbaren Wohnraum in der Seegemeinde zu schaffen. Als Sachverständiger für Immobilienbewertung sei er ständig Zeuge von Immobilienspekulationen. "Viele kaufen ein Grundstück und verkaufen dieses nach ein paar Monaten zu einem doppelt so hohen Preis", erklärt Ehgartner. Deshalb möchte er das genossenschaftliche Wohnprojekt tatkräftig unterstützten. Er selbst plant nicht, mit einzuziehen.

Auch Kreis- und Gemeinderat Bernd Pfitzner steht hinter dem Projekt. "Es ist wichtig, dass wir keine Gemeinde der Reichen werden", sagt Pfitzner. Ein konkretes Grundstück gibt es noch nicht. Damit nach passenden Objekten gesucht werden kann, sammelt die Gruppe Anfragen. Interessenten können sich per E-Mail an baugenossenschaft-tut zing@web.de melden. Sie sollten die gewünschte Wohnfläche, Zimmer, Stellplätze und die Anzahl von Personen, die einziehen wollen, angeben. Den Initiatoren ist wichtig, dass auch persönliche Wünsche geäußert werden. Ob Gemüsegarten, Dachterrasse oder Solardach - Träumen ist erlaubt.

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