Wörthsee:Zappenduster

Der Alte Bahnhof Steinebach schließt Ende März. Die Inhaber haben jahrelang nur draufgezahlt. Wörthsee verliert seine legendäre Kulturkneipe und die letzte Bühne am Ort. Jetzt sind neue Ideen gefragt

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Noch 33 Tage, dann ist Schluss. Willy Michel, der Isarindianer, wird als letzter Künstler die Bühne im Alten Bahnhof Steinebach betreten. Am 31. März machen Dietlind von Laßberg und Hermann Schweigert die legendäre Kulturkneipe in Wörthsee zu - nach nicht einmal dreieinhalb Jahren. Unter dem Motto "Kultur und Kulinarik" sind die Beiden im Oktober 2011 angetreten, nachdem sie das denkmalgeschützte Gebäude am S-Bahnhof Steinebach gekauft und aufwendig restauriert hatten. Aber: "Unser Projekt ist erst einmal gescheitert", sagt Schweigert. Das Projekt hat sich finanziell nicht rentiert. "Erst einmal"? "Es muss kein Aus für immer und ewig sein", sagt Laßberg. Aber jetzt gönnt sich das Ehepaar erst einmal eine kreative Denkpause.

Bald gibt es also überhaupt keine Bühne mehr in Wörthsee. Raabes Kirchenwirt darf seit Jahren aus Brandschutzgründen den Saal im Obergeschoss nicht mehr nutzen. Der Augustiner ist geschlossen und steht kurz vor dem Abriss. Der Alte Wirt in Etterschlag ist verkauft und wird nach dem Umbau keinen Saal mehr haben. Und nun auch der Alte Bahnhof. Viele Jahre lang konnten die Wörthseer und ihre Nachbarn kulturell aus dem Vollen schöpfen. Mittwochs war Steinebacher-Tag mit Konzerten aller Art, von Blues über Jazz bis Rock, von der Spider Murphy Gang über Wally Warning und Nick Woodland bis Ludwig Seuss und Quadro Nuevo. Donnerstags lockte die Kultur-Moni. Monika Rother hatte 1998 Raabes Wirtshausbrettl eröffnet. Bis 2011 holte sie Kabarett- und Kleinkunstgrößen nach Steinebach, bis das Landratsamt den Betrieb der Bühne untersagte. Beim Alten Wirt in Etterschlag fand Rother schnell eine neue Bleibe - bis auch diese Gaststätte Ende Januar schloss. Kultur-Moni kehrte Wörthsee den Rücken. Severin Groebner, Martin Schmitt, Holger Paetz und Co. treten von März an im Gasthof Widmann in Gilching auf.

Gute Nacht, Wörthsee? "Der Ort ist tot", unkt Hermann Schweigert. Jahrzehntelang sei die falsche Politik betrieben worden. So habe nicht nur ein Laden nach dem anderen geschlossen, "nun bricht auch das Kulturangebot zusammen". Nicht nur wegen der Kosten für Gagen, Gema und Künstlersozialkasse, Schweigert macht auch den "Kannibalismus" unter Bühnen und Musikern verantwortlich dafür. Im Umkreis von 20 Kilometern gebe es mehr als zehn Veranstaltungsbühnen, die um Gäste buhlten. An Schönwettertagen habe der Alte Bahnhof nicht mit den Lokalen am See konkurrieren können. Am meisten ärgert Schweigert aber, "dass uns der Ort nicht angenommen hat". Mag sein, dass es auch am Konzept lag: Kulturveranstaltungen, Normalbetrieb und private Geburtstags-, Hochzeits- und Firmenfeiern, die immer besser liefen, "sind in diesem Gebäude nicht unter einen Hut zu bringen", räumt Schweigert ein. Auch die Suche nach einem Wirt gestaltete sich schwierig. So gehen Schweigert und seine Frau tagsüber ihrem Beruf nach - sie betreiben ein Immobilienbüro - und stehen am Abend hinter dem Tresen.

Der SPD-Ortsverein Wörthsee bedauert es sehr, dass er mit der Schließung des Alten Bahnhofs sein Stammlokal verliert. Nicht nur der Stammtisch, sondern auch die Sitzungen fanden im "Steinebacher" statt. Dort wurde Christel Muggenthal als Bürgermeisterkandidatin gekürt, und dort wurde sie nach der gewonnen Wahl auch gefeiert. "Um Wörthsee ist es leider nun im kulturellen Bereich zappenduster geworden", bedauert die SPD. "Da haben wir nun eine neue Aufgabe bekommen."

Das findet auch Schweigert: "Jetzt ist der Ort gefordert." Eine öffentliche Diskussionsrunde mit Leuten, die Interesse an dem Thema haben, wünscht er sich. Er und seine Frau seien für viele Ideen offen, könnten sich sogar einen Dorfladen im Alten Bahnhof vorstellen. Aber auch einen Verkauf schließen Schweigert und von Laßberg nicht aus. "Wir würden die Kultur in Wörthsee gerne weiterhin fördern, aber dazu braucht es andere Strukturen." Auf alle Fälle seien die vergangenen drei Jahre kein Fehler gewesen, sagt Schweigert. "Es war's wert."

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