Stand-up-Paddling:Rauf aufs Brett!

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Stand-Up-Paddeln wird heuer XL: Familie Singer pflügt auf dem Sechserbrett durch den Wörthsee. (Foto: Nila Thiel)

Stehpaddeln boomt in der Corona-Krise ganz besonders. Viele machen Urlaub daheim und stecken das gesparte Geld in teure Boards. Am Wörthsee ärgern sich die Anwohner über die Schwemme.

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Leise über das Wasser gleiten, weg vom Lärm und Gewusel der Badeplätze, frische Luft atmen und gleichzeitig Gleichgewicht, Ausdauer und Fitness trainieren, das ist es, was immer mehr Menschen zum Stand-Up-Paddling (SUP) bringt und an die Seen treibt. Die Corona-Krise tut ihr Übriges. Viele bleiben im Urlaub zu Hause und kaufen sich dafür ein Brett zum Paddeln.

Was den einen gefällt, regt andere auf: Der Lärm beim Aufblasen und Luftablassen der Boards, das Gedrängel am und im See und die rücksichtslosen Zeitgenossen, die zu nah am Ufer und an den privaten Grundstücken vorbeifahren. Um die kleinen Seezugänge zu schützen und freizuhalten, hat die Gemeinde Wörthsee vor einem Jahr ihre Satzung geändert und verboten, dass dort - neben Booten und Surfbrettern - auch SUP-Boards zu Wasser gelassen werden. Dieses Verbot wurde in der jüngsten Gemeinderatssitzung teilweise aufgehoben.

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Die Urlauberin

Zuhause ist Anna Krasutzki in Heilbronn. Jetzt steht sie am Ufer des Wörthsees und pumpt ihr SUP-Board auf. Etwa eine halbe Stunde braucht sie dafür, sie lässt sich Zeit. Schließlich hat die 41-Jährige ihr Ziel vor Augen, das türkisfarbene Wasser. Sie ist deshalb an den Wörthsee gekommen, weil der Breitenauer See, wo sie sonst paddelt, wegen Corona gesperrt wurde. Grund: der enorme Besucherandrang und die vielen Badegäste, die sich nicht an die Hygienevorschriften und Abstandsregeln gehalten haben. Seit einem Jahr ist Anna Krasutzki Stand-Up-Paddlerin, gelernt hat sie es in einem Kurs in Cornwall am Atlantik. "Es macht mir großen Spaß", sagt die IT-Fachfrau. Am schönsten sei es am Morgen auf dem See, und auf ihrem Board hat sie immer was zum Lesen, Essen und Trinken dabei.

Der Verleiher

Von Anfang an, als die SUP-Welle von den polynesischen Inseln und Hawaii nach Bayern schwappte, war Peter Hopmann mit dabei. Seit 2012 vermietet er die Boards in seiner Sportschifffahrtschule in Steinebach am Wörthsee. Er selbst steht auch gerne drauf - wenn er Zeit hat. "Es ist eine ganz andere Art der Aktivität", sagt er: Man steht, kann ins Wasser schauen, bewegt sich leise, kann chillen und ist dabei auch noch sportlich gefordert. Aber momentan hat der 65-Jährige keine Zeit, der Verleih von Boards, Tret- und Elektrobooten brummt. Gerade kommt eine Urlauberfamilie. Sie besteigen das XL-Board, das Platz hat für sechs Personen. Die großen Boards kommen gut an, werden oft von Firmen für Betriebsausflüge gemietet. Die Preise bewegen sich zwischen 15 und 40 Euro pro Stunde.

Moni Schweigert und Peter Hopmann sind mit ihrem Verleih so beschäftigt, dass sie kaum noch aufs Wasser kommen. (Foto: Nila Thiel)

Aber Peter Hopmann, ein waschechter Wörthseer, hat nicht nur das Geschäft im Kopf. Der See und seine Heimat sind ihm wichtig. Die Kritik von Einheimischen an der Flut von Ausflüglern und an der hohen Zahl an Stehpaddlern kann er nachvollziehen - vor allem, wenn die Wassersportler zu nah am Ufer und an den Privatstegen vorbeiziehen. Darum weist er alle seine Kunden auf den nötigen Mindestabstand hin, normalerweise 200 Meter. Er erklärt die Vorfahrtsregeln auf dem Wasser, das Verbot, in das Schutzgebiet rund um die Mausinsel zu fahren, und er ermahnt sie, auf die Schwimmer achtzugeben und sie nicht zu stören.

Die Verkäufer

Marco Tommasi und Sebastian Grütze klären auch auf: über Länge, Breite, Gewicht, Auftrieb und Material von SUP-Boards und über die Eigenschaften der Paddel. Die Freunde und Geschäftspartner sind seit 25 Jahren im Wassersport tätig und betreiben in Wörthsee seit 2009 den Laden "Stuff4Freakz". Dort verkaufen sie Boards, Paddel und was sonst noch am und im Wasser nötig ist. "In der ersten Saison hatten wir zwei SUPs, die wir kostenfrei vermietet haben", erinnert sich Tommasi. Jetzt wird nur noch verkauft. Dass nun auch die Discounter Bretter anbieten, sei einer der Gründe, warum die Zahl der Stehpaddler so zunimmt. In diesem Jahr kommt die Corona-Pandemie dazu. Weil viele nicht verreisen, geben sie das Geld für ein SUP-Board aus.

Sebastian Grütze und Marco Tommasi beobachten den Trend seit Jahren. (Foto: Nila Thiel)

Für 500 Euro sei ein gutes Brett zu haben, sagt Tommasi. Eines, das nicht nur eine Saison hält, sondern mehrere Jahre. "Unsere Kunden kommen, weil sie uns vertrauen", meint Grütze. Wer stehpaddeln will, braucht ein Gerät, das zu seiner Größe, seinem Gewicht, seiner sportlichen Absicht - ambitioniert oder gemütlich - passt. Tommasi: "Jeder soll Spaß haben." Der sei vielen Wörthseern vergangen, seit die Gemeinde 2019 ihre Satzung geändert hat und das Einbringen von SUPs nur noch an den Badeplätzen Birkenweg und Rossschwemme erlaubt hat und nicht mehr an den kleineren Seeeinstiegen, die nur die Einheimischen kennen und benutzen.

Der Veteran

Alois Mühlegger ist 72 Jahre alt und fit wie ein Turnschuh. Der Münchner kommt jeden Tag an den Wörthsee und sagt: "Ich war 2008 der erste hier mit einem SUP." Der Spaß am Wassersport - seit 1975 ist Mühlegger Windsurfer - und sein Job bei einem Surfmagazin brachte ihn dazu. Tipps fürs Stehpaddeln hat er genug: Wie man richtig auf dem Board steht, wie man es richtig trägt, weil die Verletzungsgefahr für andere durch die feststehende Finne unter dem Brett sehr groß ist, wie lang das Paddel sein soll und wie man es in die Hand nimmt. Stehpaddeln macht Spaß und ist gesund, sagt er, "und es ist ein Sport für jedes Alter". Gegen den Lärm beim Auslassen der Luft hat er auch einen Rat: ein Handtuch in die Öffnung stecken.

Alois Mühlegger sagt, er sei der erste Stehpaddler auf dem Wörthsee gewesen. (Foto: Nila Thiel)

Die Gemeinde

Um die Sicherheit und Ordnung am See zu gewährleisten, hat die Gemeinde Wörthsee schon seit Jahrzehnten eine Satzung für die Benutzung der von ihr verwalteten Freibadeplätze, Parkanlagen und Seezugänge. 1985 wurde sie geändert, weil immer mehr Surfer ihre Bretter überall ins Wasser ließen, nicht nur dort, wo es erlaubt ist: an den Badeplätzen Birkenweg und Rossschwemme. 2019 wurde das Verbot auf SUPs erweitert. Zum Ärger vieler Wörthseer, die schnell mal morgens mit ihren Brettern auf den See wollen, auch am Badeplatz Maistraße. Dort ist es nun erlaubt, aber nur am linken Rand der Wiese. Das Verbotsschild wird abmontiert. Untersagt ist aber weiterhin das Lagern der Bretter auf der Wiese. Am Seglerweg bleibt wegen des Schilfbestands das Verbotsschild stehen. "Es wäre schön, wenn wir nur ein Schild bräuchten, auf dem nur das Wort Toleranz steht", meinte Gemeinderat Thomas Bernhard (Freie Wähler). Ein frommer Wunsch.

© SZ vom 01.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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