Stege am Wörthsee:Ärger am Ufer

Wörthsee , Stege

240 Stege ragen im Bereich der Gemeinde Wörthsee ins Wasser.

(Foto: Georgine Treybal)

Die Gemeinde will den Wildwuchs der Stege mit einem Bebauungsplan eindämmen. Das verunsichert viele - nicht zuletzt den Eigentümer des Sees, Cajetan Graf zu Toerring-Jettenbach. Dessen Verwaltung hält nicht viel von starren Vorschriften.

Von Christine Setzwein

Jakob Aumiller war ein angesehener Mann in Steinebach am Wörthsee, Spross einer alten Bauersfamilie und von 1949 bis 1966 Bürgermeister. Land besaßen die Aumillers viel, aber kein Grundstück am See. Als sich nach dem Krieg Karl Theodor Graf zu Toerring-Jettenbach von einem Teil seiner Ländereien am Wörthsee trennte, griff Aumiller zu. "Für viel Geld", erinnert sich Enkelin Martina Jursch. Und seit sie denken kann, gibt es auf dem Ufergrundstück der Aumillers auch einen Steg. Heute ragt nicht nur einer, es ragen etwa 240 Stege ins Wasser. Genug, findet die Gemeinde Wörthsee und legt einen Bebauungsplan über die gesamte Uferlänge ihres Hoheitsgebiets.

Darüber ärgern sich nun viele. Die Eigentümer zum Beispiel, die ihren Steg schon so lange haben, dass sie gar nicht mehr wissen, ob er jemals genehmigt worden ist, oder die darüber keine Unterlagen mehr haben und jetzt befürchten, deswegen Probleme zu bekommen. Naturschützer fürchten um den ökologischen Zustand des Sees, wenn immer mehr Stege ins Wasser gebaut werden. Ausflügler und Einheimische bedauern, dass es nur an wenigen Stellen möglich ist, überhaupt an und in den See zu kommen, weil der größte Teil des Ufers in privater Hand ist. Und es ärgern sich gerade Armin Elbs und Martin Zerhoch, Geschäftsführer und Liegenschaftsverwalter der Unternehmensverwaltung Graf zu Toerring-Jettenbach in Seefeld, und Cajetan Graf zu Toerring-Jettenbach selbst. Was sie der Gemeinde Wörthsee vor allem ankreiden: mangelnde Kooperation und Kommunikation. Denn immerhin gehört der Wörthsee genauso wie der Pilsensee dem Unternehmen.

"Das mit dem Bebauungsplan haben wir aus der Presse erfahren", sagt Elbs. Er hält die Überplanung für überzogen - und wundert sich. Am 22. Juni 2016 hat der Gemeinderat Wörthsee in nicht öffentlicher Sitzung einstimmig beschlossen, mit dem Toerringschen Rentamt eine privatrechtliche Vereinbarung über eine Selbstverpflichtung zu treffen. Darin sollte genau festgelegt werden, wie lang und breit neue Stege und Plattformen sein dürfen, dass neue Stege nur bei einer Grundstücksbreite am Ufer ab zehn Metern zulässig seien, dass "der Bestand geschützt ist, soweit öffentlich-rechtlich genehmigt", dass aber Ausnahmen in Abstimmung mit der Gemeinde zugelassen werden könnten.

Seitdem habe man nie wieder etwas gehört von der Vereinbarung, sagt Elbs. "Und jetzt kommt ein Bebauungsplan, zu dem alle Träger öffentlicher Belange gehört werden müssen, der ausgelegt werden muss, gegen den es sicher viele Einwände gibt und den wir natürlich rechtlich und sachlich prüfen lassen werden." Auch vom Flug der Foto-Drohne, den der Planer der Gemeinde in Auftrag gab, "haben wir nur aus der Presse erfahren". Weder die Gemeinde noch das Planungsbüro habe das Rentamt kontaktiert, obwohl der Flug auch über private Grundstücke führte.

Verständnis hat Elbs dafür, dass ein Stege-Wildwuchs verhindert werden soll. "Es ist auch nicht in unserem Interesse, dass 1000 Stege gebaut werden." Aber Elbs hat auch Zahlen parat: Der Wörthsee hat eine Größe von 434 Hektar, das sind 4,3 Millionen Quadratmeter und 63 Millionen Kubikmeter Wasser. Die Stegfläche im gesamten See beträgt etwa 7000 Quadratmeter, also weniger als 0,18 Prozent der Fläche. Der Öffentlichkeit stehen davon mehr als 25 Prozent zur Verfügung, etwa das Erholungsgelände in Oberndorf oder der Badeplatz Rossschwemme. "Nun auf einer großen Fläche mit der Keule einer Veränderungssperre zu arbeiten und ein Bebauungsplanverfahren über Jahre in Gang zu setzen, ist schon eine eigenartige Herangehensweise", findet Elbs.

Auch von allzu starren Vorschriften hält der Geschäftsführer nichts. Zum einen, weil Wasserstandsschwankungen von bis zu einem halben Meter für den Wörthsee völlig normal seien und sich dadurch die Uferlinie ständig bewege. Ein offiziell genehmigter Steg, der deswegen im Kies und nicht im Wasser endet, "macht aber wenig Sinn". Zum anderen seien da die älteren Menschen, die vielleicht gehbehindert sind und eventuell einen etwas breiteren Zugang benötigten als erlaubt.

Was den ökologischen Zustand des Wörthsees angeht, so sei der "hervorragend", sagt Elbs. Das sensible Ufer werde in vielen Bereichen durch den geordneten Zugang über Stege geradezu geschützt. Wenn sich die Gemeinde schon um den Zustand des Sees sorge, solle sie sich besser um den Bulachzufluss kümmern, "denn hier ist einiges nicht in Ordnung".

Stege müssen genehmigt werden, wenn der Eigentümer zustimmt, keine Gewässerveränderungen zu erwarten sind und der Gewässerunterhalt nicht erschwert wird, die Naturschutzbehörde keine Einwände hat und die Gemeinde nicht innerhalb von drei Monaten Gründe findet, den Bau abzulehnen. "Verhältnismäßig einfach, unbürokratisch und kostensparend" wäre es also gewesen, wenn sich Gemeinde, Landratsamt und Seeeigentümer zusammensetzen würden, um die Problematik der Steggenehmigungen zu erörtern und nicht über das "völlig ungeeignete Instrument eines Bebauungsplanverfahrens", sagt Elbs.

Moderate Pachten

Der See wird verkauft, die Pacht wird um das Doppelte erhöht, nicht genehmigte Stege müssen abgerissen werden: Vieles macht gerade die Runde in Wörthsee - und nichts stimmt. "Der See wird nicht verkauft", versichert Cajetan Graf zu Toerring-Jettenbach. Das Gerücht könnte entstanden sein, weil der Wörthsee kürzlich vermessen wurde. Der Grund: Hans C. Graf zu Toerring-Jettenbach hat seinem Sohn Cajetan den Wörthsee und den Pilsensee übertragen. Dafür mussten der See selbst und die Uferlinie genau bestimmt werden. Auch von einer Erhöhung der Gebühren für Stege, Bojen und Gebäude sei nicht die Rede, sagte Armin Elbs von der gräflichen Unternehmensverwaltung. "Das haben wir nicht auf unserer Liste." Abgesehen davon seien die Gebühren und Pachten mehr als moderat. Seit 2007 kostet ein Quadratmeter Stegfläche pro Jahr vier Euro, eine Boje 105 Euro. Die Schlösser- und Seenverwaltung, die für Starnberger See und Ammersee zuständig ist, verlange bei den Stegen "fast dreimal so viel". csn

Wie viele Stege tatsächlich ohne öffentlich-rechtliche Genehmigung gebaut wurden, ist bis heute nicht bekannt. Armin Elbs hat in seinen Unterlagen eine Stellungnahme des Landratsamts Starnberg gefunden. Dort heißt es: "Die Verordnung über die Genehmigungspflicht nach dem Bayerischen Wassergesetz trat ab 19. 12. 1979 in Kraft. Stege, die zwischen 1972 und 1979 errichtet wurden, stehen unter dem Erlaubnisvorbehalt der 1972 in Kraft getretenen Landschaftsschutzverordnung. Stege, die vor dem Erlass der Landschaftsschutzverordnung errichtet wurden, bedürfen keiner nachträglichen wasserrechtlichen Genehmigung, da zum Zeitpunkt der Errichtung keine Genehmigungspflicht bestand."

In der jüngsten Gemeinderatssitzung betonte Bürgermeisterin Christel Muggenthal ausdrücklich, dass es bei dem Bebauungsplan "Stege" darum gehe, den Bestand aufzunehmen, damit keine neuen mehr gebaut werden. Was den Beschluss aus dem Jahr 2016 betrifft, hätten sich die Toerring-Anwälte und die der Gemeinde nicht einigen können, darum sei die Vereinbarung gescheitert und "wir mussten unseren Weg gehen", sagte Muggenthal zur SZ. Der Drohnenflug sei genehmigt gewesen. Es tue ihr leid, wenn das Rentamt verärgert sei, "wir wollen keinen Streit".

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