Wörthsee:Starke Emotionen

Wörthsee: Katharina Guglhör (Alt) gehört zum Solistenensemble.

Katharina Guglhör (Alt) gehört zum Solistenensemble.

(Foto: Arlet Ulfers)

Das Vokalensemble Fünfseenland wagt sich an Mozarts Requiem

Von Reinhard Palmer, Wörthsee

Mythenbildung kann einem künstlerischen Werk schon viel Aufmerksamkeit verschaffen. Mozarts Kompositionen haben es zwar nicht nötig. Der Todesmythos um sein Requiem half aber, nicht nur das Werk ausgesprochen populär zu machen, sondern auch zu verschleiern, wie wenig daran von Mozart selbst stammt. Und auch für Andreas Sczygiol, Leiter des Vokalensembles Fünfseenland, stellte sich zunächst die Frage: Wie hätte Mozart das Requiem auskomponiert, wenn er nicht vor der Vollendung des Werkes gestorben wäre? Welche Botschaft hätte er seiner Musik auf den Weg gegeben? Trauer, Leid, Hoffnung, Gottvertrauen?

Wie Mozartschüler Franz Xaver Süßmayr im Auftrag von Mozarts Frau Constanze die Fragmente und Skizzen ausgearbeitet und das Requiem vervollständigt hatte, bietet reichlich Raum für Interpretationen. Sczygiol schenkte in seiner Aufführung am Vorabend des Volkstrauertags in der Kirche zum Heiligen Abendmahl in Wörthsee den Ausprägungen im Ausdruck in Verbindung mit den Textaussagen viel Aufmerksamkeit und arbeitete sie mit Nachdruck heraus. So entstand eine höchstemotionale Interpretation. Dass die Wirkung dennoch nicht plakativ geraten ist, verdankte die Interpretation der starken Durchbildung, was Feindifferenzierung der Balance und Farbigkeit betrifft. Was letztendlich auch dem retrospektiven Charakter des Werkes gerecht wurde.

Insbesondere sind hier Bachsche Elemente zu nennen, die letztendlich mit ihrer Tektonik die Ausdruckskraft des Werkes ausmachen. Sczygiol disziplinierte dahingehend das Orchester zu rhythmischer Schärfe und expressiven Wendungen. Der instrumentale Klangkörper, der ungenannt blieb, war wohl eigens für diese Aufführung zusammengestellt worden, zeigte sich dennoch homogen, zog auch engagiert mit und lieferte eine straffe Unterlage. Die Streicher hatten die Gelegenheit, sich in einem Vorprogramm auf Einfühlsamkeit einzuschwören, im Begleitpart der Vokalisten, die solistisch ihr Können und durchaus opernhafte Qualitäten demonstrieren konnten. Mit Glucks "De profundis" führte sich in majestätischer Breite und geradezu mystischer Atmosphäre das Vokalensemble Fünfseenland ein.

Auch wenn Sopranistin Andrea Jörg kurzfristig einspringen musste, zeigte sich das junge Solistenensemble mit Katharina Guglhör (Alt), Michael Birgmeier (Tenor) und Martin Burgmair (Bass) weitgehend homogen, bis auf das hellere Timbre des stimmlich noch nicht ganz ausgereiften Tenors, das eine dramatischere Note ins Spiel brachte. Ansonsten gestand der straff und in der Prägnanz absolut klar dirigierende Sczygiol den Solisten kammermusikalische Verhaltenheit, die mit ihrer Ruhe und Schlankheit die großen Orchester- und Chorpartien wirkungsvoll ausbalancierte. Letztendlich lag die Stärke der Interpretation Sczygiols in der Schlüssigkeit der Dramaturgie. Das wurde schon im Introitus gleich zu Beginn deutlich: Die mysteriöse Atmosphäre im Chor zog allmählich in Straffheit und Größe an, farbenreich ging es dann ins Lyrische im Sopransolo, um mit forcierter Dramatik des unmittelbar anschließenden Kyrie zu einem imposanten Abschluss zu gelangen.

Solch weite Bögen sind im Aufbau des Requiems ein wichtiges Element. Vor allem in der Sequenz, die aus sechs Teilen besteht und die Ressourcen reichhaltig ausschöpft. Mit dem Spiel mit Solisten, Solistenquartett und Chor füllte Sczygiol einen weiten Klangraum aus, in dem die vielen emotionalen Schattierungen vielfältige Wechselwirkungen eingehen konnten. Aber auch von der Diktion her ließ sich Sczygiol so einiges einfallen, bis zum Portato einer aufsteigenden Tonreihe, die auf diese Weise einen imposanten Lacrimosa-Höhepunkt mit einem bombastischen "Amen" als Schlusspunkt zu inszenieren vermochte. Mit höfischer Leichtigkeit brachte Benedictus eine neue Note ins Spiel, die ins Lyrische des reich durchgestalteten Agnus Dei umschlug. Nach einer wohlig-lyrisch fließenden Sopranarie setzte Sczygiol mit der drängenden Fuga zu einem Finale an, das sich feierlich ins Monumentale dehnte. Lang anhaltender, begeisterter Applaus.

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