Süddeutsche Zeitung

Wörthsee:Scharfe Kritik an Plänen für neue Heizzentrale

Die Initiative für Artenvielfalt befürchtet, dass am Kuckucksheim in der Nähe des neuen Supermarkts ein weiteres Mal Bäume geopfert werden

Von Patrizia Steipe, Wörthsee

Für das neue Wohngebiet und den Supermarkt an der Straße "Zum Kuckucksheim" hat der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung einstimmig die Aufstellung eines Bebauungsplans und die Änderung des Flächennutzungsplans beschlossen. Damit ist der Weg frei für das neue Biomasse-Heizwerk im Bereich des derzeitigen Salzlagers der Gemeinde. Die Heizzentrale soll die 150 neuen Wohnungen - darunter Genossenschafts- und Seniorenwohnungen - sowie Einheiten des Verbands Wohnen, Kinderhaus und Supermarkt mit Wärme beliefern. Christian Ufer vom Starnberger Landschaftsplanungsbüro Terrabiota hatte insgesamt fünf verschiedene Standorte für das Vorhaben untersucht, das allerdings nicht unumstritten ist.

Am günstigsten sei der Bereich beim gemeindlichen Salzsilo schräg gegenüber der zukünftigen Supermarkteinfahrt, berichtete Ufer im Ratsgremium. Das zentral gelegene Grundstück gehört bereits der Gemeinde, und der Waldboden wurde im Zuge des Kirchenbaus mit Aushub versehen, ist also nicht so wertvoll. Die Lastwagen, die zweimal in der Woche Hackschnitzel bringen sollen, können diese problemlos über die vorhandene Straße anliefern. Dieser Auffassung schloss sich das Gremium an. Bei den Alternativen hatte entweder die Größe nicht gepasst, wäre wertvoller Waldboden beeinträchtigt worden, oder der Grund hätte erst erworben werden müssen. Aus optischen Gründen schied eine Heizzentrale direkt neben dem Friedhof aus. Auch der Standort neben der Kita lehnte der Gemeinderat ab. Aus den Kaminen würde zwar nur unbedenklicher Wasserdampf entweichen, trotzdem befürchtete die Runde Widerstand der Eltern.

Der Stahlbehälter mit Salz steht auf einem fünf mal fünf Meter großen Betonfundament, die Grundfläche der Heizzentrale soll etwa doppelt so groß werden. "Optisch werden wir uns auf alle Fälle verbessern", sagte Bürgermeisterin Christel Muggenthal. Der Neubau soll ein Satteldach bekommen und mit Holz verkleidet werden. Dann könnten Fledermäuse und Insekten dort nisten. Für das Projekt müssen allerdings Bäume gefällt werden. "Das wertvolle Biotop mit den alten Höhlenbäumen bleibt jedoch erhalten", versicherte Muggenthal. Die Heizschnitzel sollen aus der näheren Region kommen. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte die Anlage durchaus mit Solarwärme oder Wärmepumpen kombiniert werden, erklärte Muggenthal. Für das Salzsilo wird ein neuer Platz gesucht werden. "Vielleicht bei den Glascontainern oder beim ehemaligen Wertstoffhof", überlegte Muggenthal.

Auf scharfe Kritik sind die Pläne für die Heizzentrale am Kuckuckswald im Vorfeld indes bei der Initiative für Artenvielfalt Wörthsee gestoßen. "Es ist nicht einzusehen, warum ein Standort im Erholungswald gesucht wurde", kritisierten Doja Muggenthaler, Mudra Wurm und Stephan Bleek in einem Schreiben an die Gemeinde. Vergangenen Herbst seien bereits zahlreiche Bäume auf der Nordseite der Straße zugunsten des Supermarktparkplatzes abgeholzt worden. "Jetzt soll wieder scheibchenweise ein weiterer Teil des Waldes verschwinden", kritisierte Doja Muggenthaler. Waldbewohner wie Fledermäuse, Amphibien oder Vögel, die von dort vertrieben worden wären, hätten sich teilweise im Bereich des Salzsilos niedergelassen. "Sie müssen sich wieder eine neue Bleibe suchen oder sie verschwinden ganz".

Künftige Bewohner der Genossenschaftswohnungen sind darüber hinaus nicht einverstanden mit einer Hackschnitzelheizung. "Diese gilt längst nicht mehr als nachhaltig", kritisierte Mudra Wurm. Schließlich würde beim Verbrennen von Holz mehr CO₂ entstehen als beim Verbrennen fossiler Brennstoffe, und die Holzschnitzel könnten "irgendwann aufgebraucht sein". Die Gegner hatten darauf gehofft, dass der Gemeinderat Alternativen wie Solarthermie, Photovoltaik, Wärmepumpen oder innovative Projekte wie ein "kaltes Nahwärmenetz" in Betracht ziehen würde. "Nach klimafreundlichen Lösungen und nicht nach einem Holzweg suchen", nannte es Muggenthaler. Neben fehlender Nachhaltigkeit kritisieren weitere Bürger auch die Entscheidung des Bauherrn Quest Baukultur, Edeka den Zuschlag für den Supermarkt gegeben zu haben. Schließlich gebe es am Ort bereits einen Edeka. "Andere Unternehmen, die angefragt wurden, hatten abgesagt", so Bürgermeisterin Muggenthal im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Darunter wären zwei Biomärkte und ein regionaler Supermarkt gewesen.

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Quelle:
SZ vom 01.02.2022
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