Wörthsee:Nie wieder Krieg!

Der Reservistenverein Steinebach-Auing feiert am Sonntag sein 100. Jubiläum. Und hat offenbar noch lange nicht ausgedient

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Es war die Zeit, in der der Pfarrer noch mit Hochwürden angesprochen wurde, unverheiratete Frauen Fräulein waren und der Euro Reichsmark hieß. Es war die Zeit der Revolution, der Räterepublik, der Auseinandersetzung zwischen Roten und Weißen. Als im November 1919 Rote Garden den Münchner Hauptbahnhof besetzten, gründete sich in Steinebach am Wörthsee, damals noch eigenständige Gemeinde, der Krieger- und Veteranenverein Steinebach-Auing, der 1985 in Krieger- und Reservistenverein umbenannt wurde. 38 Gründungsmitglieder hatten sich dazu ein Jahr nach Kriegsende am 15. November im Gasthof Dietrich in Auing getroffen, ist in der Chronik von Josef Obermeier nachzulesen. Den Ersten Weltkrieg hatten 18 Steinebacher und Auinger nicht überlebt. Sie waren in Frankreich und Afrika gefallen oder im Lazarett gestorben. Die Tafel mit den Namen der Soldaten hängt heute noch im Gasthof Dietrich in Auing.

Am 5. Juni 1921 wird die Vereinsfahne geweiht, die 6500 Reichsmark gekostet hat. Fräulein Peetz entbietet den zahlreichen Festgästen einen Willkommensgruß in sieben Versen, der Vereinsvorsitzende Jakob Aumiller spricht von der Verpflichtung den gefallenen Kameraden gegenüber. Das Protokoll der Fahnenweihe umfasst 14 Seiten. Ende 1921 kauft der Verein eine Alarmkanone zum Preis von 890 Reichsmark. Am 21. Februar 1925 wird die eine neue Krieger-Gedächtnisglocke geweiht. Es werden Bälle, Kränzchen und Feiern veranstaltet.

Kriegschronik des 1. Weltkriegs

Diese alte Kriegschronik von 1914 bis 1918 des Krieger- und Veteranenvereins Steinebach-Auing hängt im Auinger Gasthof Dietrich.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Der Verein war sehr aktiv und rührig", schreibt der Chronist. Der letzte Eintrag im ersten Protokollbuch stammt vom 13. November 1933. Nach Kriegsausbruch kam das Vereinsleben zum Erliegen. "Die wehrfähigen Männer wurden zum Kriegsdienst eingezogen, mussten an die Front oder wurden irgendwohin dienstverpflichtet", berichtet Obermeier. Als im Mai 1945 amerikanische Truppen nach Steinebach kamen, wurden alle Vereine und Versammlungen verboten. "Das war vorerst das Ende des Krieger- und Veteranenvereins."

Nach dem Zweiten Weltkrieg, aus dem 34 Steinebacher und Auinger nicht mehr heimkamen, formierte sich der Verein am 3. Mai 1953 neu. 1966 war kein gutes Jahr. An vier Mitglieder erging Strafbefehl: Die Kanone wurde beanstandet, der Verschluss, 73 Zündkapseln und zweieinhalb Kilogramm Pulver wurden sichergestellt. Sie sollten zwischen 50 und 86 Mark Strafe zahlen. Nach einem Einspruch der Beklagten wurden die Geldbußen reduziert und von der Gemeinde bezahlt. Die Kanone verschwand danach für Jahrzehnte unterm Dach des Feuerwehrhauses und rostete vor sich hin. Erst unter dem damaligen Bürgermeister Peter Flach wurde sie wieder ans Tageslicht geholt, restauriert und ist nun seit gut zehn Jahren wieder in Betrieb.

Wörthsee

Rudolf Gutjahr vor der restaurierten Kanone aus dem Jahr 1921.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Heute hat der Krieger- und Reservistenverein Steinebach-Auing 35 Mitglieder, Vorsitzender ist seit 2013 Rudolf Gutjahr. So aktiv wie früher ist der Verein nicht mehr. Es gibt eine jährliche Hauptversammlung und Ausflüge. Hauptaufgaben sind laut Gutjahr die Pflege der Kameradschaft und die Erhaltung des Kriegerdenkmal an der Weßlinger Straße. Es wurde am 14. November 1965 mit einem großen Fest enthüllt und eingeweiht. Mahnende Worte waren damals laut Chronik zu hören: Die "Fehler" der Vergangenheit dürften sich nicht wiederholen, es möge endlich Frieden einkehren. Oder: "Die Gefallenen sind das Gewissen der Nation."

So sieht es auch Rudolf Gutjahr, ein traditionsbewusster 54-Jähriger, der das Gedenken an die Vorfahren erhalten will. Der Krieger- und Reservistenverein hat für ihn nicht ausgedient, auch oder gerade weil es seit 70 Jahren Frieden gibt in Europa. "Das ist den meisten Leute gar nicht bewusst, dass es auch anders sein könnte", meint Gutjahr. Der Steinebacher war Wehrpflichtiger, hat seinen Dienst nach der Grundausbildung in der Fernmeldeschule Feldafing absolviert. Dass sich Soldaten heute beschimpfen lassen müssen, gehe gar nicht, sagt der Forstwirtschaftsmeister. "Auslandseinsätze" höre sich so harmlos an, für ihn sind das Kriegseinsätze, die vom Bürger meistens unterschätzt würden. Auch in seinem Verein ist ein Soldat, der einige Jahre in Afghanistan war.

Wer beim Krieger- und Reservistenverein Steinebach-Auing Mitglied werden will, muss über 18 Jahre alt sein, aber nicht gedient haben. Es gehe um Kameradschaft, um das Gedenken und an die Erinnerung, damit es nie wieder Krieg gebe. Und sollte eines Tages eine Soldatin vor der Tür stehen, "nehmen wir die natürlich auch auf", sagt Gutjahr.

Der Krieger- und Reservistenverein Steinebach-Auing feiert sein 100. Jubiläum am Sonntag, 19. Mai. Veranstaltungsort ist die Festhalle der Familie Maiwald in der Meilinger Straße in Auing. 9 Uhr: Begrüßung der Vereine mit öffentlichem Weißwurstessen. 11 Uhr Messe in der Hauptstraße im Anwesen der Familie Fink, 12.30 Uhr Festzug zum Kriegerdenkmal in der Weßlinger Straße und zurück. Anschließend Mittagessen, Festreden, Kaffee und Kuchen.

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