Wörthsee:Leserbrief

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Rehe, Hirsche und bockige Amtsschimmel

Zum Beitrag " Das letzte Röhren " vom 5. April und zum Leserbrief "Mit zweierlei Maß gemessen" vom 14. April:

Wir kennen hinlänglich die privaten Steine des Anstoßes, die seit Jahren in oberbayerischen Nachbarschaften zu Ärger führen: Störende Kuhglocken nahe innerörtlicher Bebauung, als unerträglich empfundenes Geläut vom Kirchturm oder die flüssigen "Tellerminen" (Kuhfladen; Anm. d. Red.) auf dörflichen Asphalt-Trassen. In diese Reihe passt auch die Geschichte von der Auflösung des Auinger Wildgeheges am Wörthsee. Die Vermutung: Werden da amtliche Vorgaben für einen Landwirt so hoch gehängt, dass sie im Alltag für eine praktische Umsetzung nicht mehr geeignet sind? Wollen da in einem Privatkrieg ein paar Nicht -Wohlgesonnene wegen der Lautstärke eines röhrenden Hirsches einen unliebsam gewordenen Landwirt, der auch noch nachhaltig handelt, vom Acker jagen?

Es stellt sich die Frage, wen oder was die Naturschutzbehörden und Landwirtschaftsämter im Freistaat da schützen. Vorrangig Pflanzen und Tiere in einem Moor? Einen Rotwild-Bestand als Lebensgrundlage für einen bäuerlichen Betrieb? Oder die Freiheit eines Landwirts, der auf seinem Grund und Boden wirtschaftlich so agieren will, wie er es sich nach demokratischen Grundrecht vorstellt? Die im SZ-Beitrag genannten Beispiele für die jahrelange sukzessive Einschränkung seiner Möglichkeiten - der Landwirt spricht von "Steine in den Weg legen" - zeigt: Der Amtsschimmel ist wenig verhandlungsgeschickt und stellt sich ziemlich bockig an, obwohl der Landwirt oft zu Entgegenkommen und Kompromissen bereit war.

Die bürokratisch-gesetzlichen Hürden, die der Landwirt zu überspringen hat, sind selbstverständlich juristisch abgesichert. Die amtlichen Aspekte: Tierschutzrechtliche Vorgaben zum Gehege, Ablegeplätze für Kälber sowie ausreichende Bepflanzung mit Bäumen und Büschen für Flucht und Versteck. Ich kenne die Gesetzeslage nicht, frage mich aber ernsthaft: Gibt es irgendwo in Bayern denn Wiesen, die nicht nass und aufgeweicht sind, wenn es geregnet hat? Ablegeplätze?! Stellt sich hier nicht das entlarvende Amtsdeutsch selbst ins Abseits? Und wovor haben sich ein Rudel Rehe und ein Hirsch in einem eingezäunten Areal zu fürchten? Vor wildernden Hunden etwa, frei herumlaufenden Wölfen und Bären? Oder vor tierverliebten, Leckerli fütternden Kuschelzoo-Familien?

In Angst fliehen und verstecken sollte sich lieber das arme Rotwild vor wild gewordenen Schreibtisch-Klebern und Gesetzestext-Umsetzern, die im Juristendeutsch Weltfremdes und Unsinniges mantrahaft nachbeten und zum Dogma erheben. Die bürokratischen Beschränkungen aus seinem Haus seit 2018 hätten längst auch den Landrat hellhörig werden lassen müssen. Heute kann er in der Sache betroffen nur "Verständnis für des Landwirts Enttäuschung" äußern. Und: Er muss sich nun hinter die angebliche "fachliche Kompetenz" seiner Fach-Abteilungen stellen, auch wenn er das Dilemma mit mehr als einem Dutzend getöteter Tiere nicht mehr aus der Welt schaffen kann.

Dass Gesetze und Verlautbarungen auch Schmarrn enthalten können, wird gerade ein CSU-Landrat aber kaum einräumen. Ohnehin scheint mir, die Regierenden machen in diesen Zeiten Gesetze, die den Mensch immer mehr aus dem Auge verlieren und sich eher gerne einer Weltsicht, die sich ausschließlich mit dem Begriff "Naturschutz" im Etikett schmückt, andienen. Mein Wunsch wäre: Lasst doch die Bauern und ihre Tiere im Dorf! Es ist genug, wenn sich einer - wie hier am Wörthsee - gegen fragwürdige Bestimmungen stemmt, die der gearteten Gesetzeslage entsprechen mögen, ihm aber die Existenzgrundlage zu entziehen drohen. Diejenigen, die unser Essen täglich erarbeiten und unsere Umwelt hegen und pflegen, haben einen solchen Umgang nicht verdient! Karl Grünauer, Wörthsee

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