Wörthsee:Unterwegs mit den Vampiren der Lüfte

Lesezeit: 4 Min.

Steinebach: Jeden Sommer findet deutschlandweit die Bat Night statt, bei der jeder etwas über Fledermäuse lernen kann (Symbolbild einer Hufeisennase) (Foto: Picasa; Rudi Leitl LBV Archov/oh/Picasa)

Bei einem abendlichen Spaziergang in Steinebach lernen Familien die Fledermaus genauer kennen. Claudia Trepte und Edith Kirchberger vom LBV erklären, welche Rücksichtsorte sich die Tiere suchen – und wie man mit einer verletzten Fledermaus umgehen sollte.

Von Jonas Hey, Wörthsee

In der Abenddämmerung huschen sie über den Himmel oder hängen eingepackt in dunklen Ecken. Sie sind verschrien als „Todesboten“ oder „Vampire der Lüfte“. Doch in Wahrheit sind Fledermäuse faszinierende Tiere mit beeindruckenden Eigenschaften. Um mehr über sie zu lernen, veranstaltet der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) jährlich die „Bat Night“. Was klingt wie ein Treffen von Batman-Fans, ist eine Familien-Veranstaltung, bei der sich alles um die Fledermaus dreht.

Los geht es ganz unspektakulär am Bahnhof Steinebach. Claudia Trepte vom LBV freut sich sichtlich über die vielen Teilnehmer: etwa 40 Erwachsene und 10 Kinder. In gelöster Stimmung zieht die Gruppe in der Abenddämmerung Richtung Wald. Von den 25 in Bayern beheimateten Arten kommen in der Region vor allem Zwergfledermaus, Rauhautfledermaus, Breitflügelfledermaus und Kleiner Abendsegler vor.

Im Wald wartet Edith Kirchberger, die zusammen mit Claudia Trepte eine theoretische Einführung gibt. Die erste Frage richtet sich an die Kinder: Was macht die Fledermaus besonders? Die Antwort: Sie fliegen mit ihren Händen, weshalb sie Chiroptera genannt werden (wie Chiropraktiker).

Wörthsee: Ganz schön große Flügel hat eine Fledermaus, auch wenn sie aus Plüsch ist. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Außerdem haben sie große Ohren und kleine Augen. Dann die Frage in die Runde: Wie viele Sinne hat der Mensch und wie viele die Fledermaus? Riechen, Schmecken, Tasten, Hören und Sehen sind bekannt. Doch die Fledermaus beherrscht noch die Echoortung, bei der sie wie ein U-Boot durch Ultraschallwellen ihre Umgebung sehen kann. Wie mit einer Kamera macht sie Schnappschüsse, durch deren Vergleich sie Bewegung „sehen“ kann.

Die Kindergruppe rätselt derweil über die Nahrung von Fledermäusen. Eines ist klar: Wer so einen guten Eindruck von seiner Umwelt hat, ernährt sich nicht von Pflanzen. So stehen vor allem Käfer, Mücken und andere Insekten auf dem Speiseplan. Blut mögen Fledermäuse eher weniger, zumindest nicht die einheimischen. Die einzigen Blutsauger leben in Südamerika.

Kleine Hufeisennase im Flug (Symbolbild). (Foto: Klaus Bogon/dpa)

Besonders die Insekten sind zum Problem geworden. Durch den Klimawandel kommt es auch in Deutschland zu extremen Wetterlagen: Während regenreicher Wochen bleiben die Insekten im Trockenen und die Fledermäuse hungern. Der Eindruck, dieses Jahr gebe es besonders viele Mücken, stimmt zwar, aber nach Claudia Trepte brauchen die Fledermäuse regelmäßig Nahrung. Die Natur ist bekanntermaßen ein fragiles Gleichgewicht, das auch die Fledermäuse betrifft.

Eine Pappfledermaus veranschaulicht die Flügelspannweite. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Dann teilen die beiden Naturschützerinnen Stäbe mit aufgeklebten Pappfledermäusen aus. So sieht man die Tiere mit voller Spannweite und die Kinder können sich eine bessere Vorstellung machen. Danach verteilt Kirchberger Steine und Nüsse, die dem Gewicht einer Zwergfledermaus entsprechen. Sie wiegt nur fünf Gramm und würde zusammengefaltet in eine Streichholzschachtel passen. Auch die Eltern dürfen einen Stein mit passendem Gewicht herumgeben; heute lernt jeder etwas dazu. Danach geht es um den Lebensraum der Fledermaus: Die beiden zeigen ein Schaubild eines Hauses. Dort verbergen sich überall Fledermäuse: unter dem Dach, hinter Fensterläden, in Baumhöhlen oder unter der Rinde. Nur an den Baumwurzeln nicht. Dort wohnt der Igel.

Claudia Trepte zeigt am Schaubild eines Hauses, wo Fledermäuse wohnen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ebenfalls gut zu wissen: Fledermauskot unterscheidet sich von Mäusekot, da man ihn zerreiben kann. Ohne pflanzliche Nahrung fehlen Fasern, die den Kot zusammenhalten. Fressen Fledermäuse besonders viele Nachtfalter, entsteht laut Claudia Trepte schimmernder „Einhornkot“. Berühren sollte man die Ausscheidungen aber nicht, denn so können Krankheiten von Fledermäusen übertragen werden. Gefährlich ist vor allem die Fledermaus-Tollwut. Nach Kontakt oder Biss infiziert zu werden, ist allerdings nach Informationen des Naturschutzbund (Nabu) äußerst unwahrscheinlich. Im Fall der Fälle sollte man die Stelle desinfizieren und sicherheitshalber für eine Impfung zum Arzt gehen.

Aufgrund der Nahrungsknappheit verfallen die Fledermäuse in einen tiefen Winterschlaf, in dem ihre Körpertemperatur auf drei bis fünf Grad sinkt und ihr Herz nur noch zehn statt 600 Mal pro Minute schlägt. Zur Paarung wecken die Männchen die Weibchen, die ihre Jungen dann im Frühjahr austragen. Während die Jungfledermäuse von der Mutter gesäugt werden, bleiben sie in der sogenannten Wochenstube. Danach fliegen sie aus und suchen ab August eigene Quartiere. Hierbei können sie mitunter in Wohnungen landen, die sie mit Höhlen verwechseln.

Zwergfledermäuse sind bei uns beheimatet und nicht vom Aussterben bedroht. (Foto: Andreas Zahn)

Grundsätzlich könnten Fledermäuse bis zu 25 oder 30 Jahre alt werden; bei uns sind es meist nur zwei bis drei Jahre. Das liegt vor allem am Insektensterben, denn so finden die Fledermäuse weniger Nahrung oder müssen länger suchen. Auch werden Insektizide in der Landwirtschaft, im Wald gegen Borkenkäfer oder in Gärten eingesetzt. Ebenso kann es passieren, dass Fledermäuse bei Unfällen mit Autos sterben. Früher fanden sie oft auch Rückzug unter Holzfassaden von Häusern, doch mittlerweile werden diese oft für eine bessere Wärmedämmung versiegelt. So fehlen den Fledermäusen Quartiere. Viele der heimischen Arten sind vom Aussterben bedroht, allerdings konnte sich die Population einiger Arten wie der Großen Hufeisennase durch gezielte Aktionen des LBV wieder erholen.

Um der Fledermaus zu helfen, kann man Brutkästen am Haus aufhängen. Dabei sollte man sich aber nicht entmutigen lassen, teilweise dauere es ein paar Jahre bis Fledermäuse einziehen, erklärt Trepte. Außerdem würden Pflanzen im Garten helfen, die Insekten anziehen. Unbedingt sollte man alte Bäume stehen lassen, denn nicht nur Fledermäuse freuen sich über Höhlen und abstehende Rinde. Findet man eine geschwächte oder verletzte Fledermaus, kann man sich an den Fledermausnotruf seiner Gemeinde wenden.

Dann holt Trepte noch eine verletzte Fledermaus hervor. Zum Schutz vor Bissen trägt sie Gummihandschuhe. Dies empfiehlt sie auch jedem, der eine Fledermaus anfassen muss. Die Zweifarbfledermaus fiept ganz leise und lässt die Herzen von Erwachsenen und Kindern dahin schmelzen. Wie kann man so ein süßes Tier nicht schützen wollen?

Wörthsee : Claudia Trepte vom LBV zeigt eine verletzte Zweifarbfledermaus herum. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Wörthsee: Mit einem Fledermausdetektor lassen sich die Ultraschallwellen in hörbare Geräusche und Frequenzen umwandeln. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Danach geht es auf zum Waldrand. Dort soll man vor dem hellen Abendhimmel die Fledermäuse besonders gut sehen können. Zuerst machen sich allerdings die Mücken bemerkbar. Was Menschen stört, lockt Fledermäuse hervor. Und dann geht es auch schon los: Erst huscht eine Einzelne unter den Baumkronen hindurch, dann weitere, während man in der Ferne größere Tiere über das Feld fliegen sieht.

Es bleibt aber nicht nur beim Zuschauen, denn ein Fledermausdetektor kann die Ultraschallwellen hörbar machen. Trepte schließt den Empfänger an ihr Tablet an und kann zusätzlich die Wellenlängen sehen. Die Software zeigt in einem kleinen Kasten automatisch an, welche Art man gehört hat. Besonders häufig sind es Zwergfledermäuse.

Bereits seit den 1990er-Jahren findet die Internationale Fledermausnacht / Bat Night jährlich am letzten Augustwochenende statt. Dieses Jahr gab es mehr als 290 Veranstaltungen rund um die Fledermaus im ganzen Bundesgebiet.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFlusskrebse
:Essen für den Artenschutz – oder auch nicht

Heimische Flusskrebse galten einst als Delikatesse, heute ist ihr Bestand durch invasive Arten massiv gefährdet. Ist ihr Aussterben noch zu stoppen? Ein Gespräch mit dem Biologen Bernhard Gum.

Interview von Astrid Becker

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: